Apg 22,16
A.Christlieb
Ananias stellt Saulus vor die Entscheidung.
Apostelgeschichte 22, 16.
Unser Text zeigt uns, wie Ananias den Saulus vor die
Entscheidung stellte. Laßt uns diese wichtige Tatsache
anschauen.
I. Wann Ananias den Saulus vor die Entscheidung stellte.
Ananias hat die entscheidende Aufforderung nicht zu früh
an Saulus gerichtet. Er drängte ihn nicht vorzeitig, etwa
gleich bei seinem Eintritt ins Zimmer. Erst brachte er dem
Saulus Hilfe durch die Heilung von der Blindheit. Dann
verkündigte er ihm die gute Botschaft von der Gnadenabsicht
Gottes mit ihm (Kap. 22, 13 - 15), und dann erst forderte er
ihn auf, ein Christ zu werden. Saulus war jetzt innerlich
reif. Er hatte die innere Kraft, den Entscheidungsschritt zu
tun. Vorher hätte eine solche Aufforderung ihm Schaden und
Verwirrung bringen können.
Wie viel wird oft dadurch geschadet, daß man in menschlicher
Ungeduld vor dem richtigen Zeitpunkt Menschen zur
Entscheidung drängen und treiben will, und dadurch in
Gottes Werk störend hineingreift! Dies rächt sich oft
furchtbar. Wie manche Kinder gläubiger Eltern sind dadurch
innerlich geschädigt worden! Gott bewahre uns vor
,,K n o s p e n f r e v e l" (Hebräer 10, 36; Epheser 4, 2;
Kolosser 3, 12)! Doch laßt uns das Ananiaswort: ,,Und jetzt,
was zögerst du" (wörtl. Übersetzung) auch zu der Zeit
gebrauchen, wo es angebracht ist.
II. Wie Ananias den Saulus vor die Entscheidung stellte.
1. Ananias warnt vor Verzug.
Mit den Worten: ,,Und nun - was zögerst du noch? Stehe auf,
laß dich taufen!" (Übersetzung von Menge) ruft Ananias den
Saulus zur Entscheidung. Er zeigt ihm in seinen Worten den
falschen Weg, den er meiden und den richtigen, den er gehen
soll.
Welches ist der falsche, der zu vermeidende Weg? Es
ist der Weg des Zauderns und Zögerns, des Wartens und
Hinausschiebens.
Weil gerade in Zeiten innerer Entscheidung so viele auf
diesen Abweg geraten, müssen wir uns mit dieser Gefahr des
Verziehens auseinandersetzen. Gewiß gibt es Fälle, wo das
Zögern richtig ist und von Gottes Wort empfohlen wird. Wenn
ein Christ beleidigt wird und seine Natur ihn zu heftiger
Antwort hinreißen will, so gilt es zu zögern, ,,denn des
Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist" (Jakobus 1,
20). Wenn junge Menschen von einer Neigung erfaßt werden und
sogleich den Schritt zu einer bleibenden Verbindung tun
wollen, so darf man ihnen oft Zögern anraten, damit sie
nicht in ihr Unglück rennen (1. Mose 26, 34. 35). Oder wenn
jemand eigenmächtig sein Kreuz abschütteln, etwa eine Stelle
wegen gewisser Unannehmlichkeiten verlassen will, so gilt es
zögern und warten, bis Gott selbst das Kreuz abnimmt (Lukas
14, 27). Oder wenn Menschen uns zurufen: ,,Siehe, hier ist
Christus, da ist er!" (Markus 13, 21), wenn sie uns zu
Parteileuten machen wollen, die sich einer Sonderart und
-Meinung anschließen sollen, so gilt es wiederum zu zögern
und über solcher Frage erst stille zu werden, ehe man sich
anschließt und wieder eine neue Spaltung anrichtet (Galater
5, 2; Apostelgeschichte 15, 1). In allen diesen und vielen
anderen Fällen ist Zögern gut und empfehlenswert.
Aber es gibt auch andere Fälle, wo die Schrift uns vor jedem
Verzug warnt. Wenn ein Israelit dem Haustier eines feindlich
gesinnten Volksgenossen begegnete, das sich verirrt hatte
oder unter seiner Last zusammenbrach, so sollte er alsbald
seine eigenen Interessen und seine Tätigkeit zurückstellen
und helfen (2. Mose 23, 4. 5; 5. Mose 22, 1. 4). I n
d e r A u s ü b u n g v o n L i e b e l a ß t u n s
n i c h t z ö g e r n !
Wenn ein Wächter vom Turm aus das Herannahen eines Feindes
bemerkte, so durfte er nicht zaudern. Er mußte alsdann die
Drommete blasen, um die Einwohner vor der Gefahr zu warnen
(Hesekiel 33, 1 - 3). Eine Unterlassung dieser Pflicht hätte
ihn das Leben kosten können. Wenn wir Brüder von innerer
Gefahr bedroht sehen, so laßt uns bei aller Vorsicht doch
nicht zögern, zu warnen! Im Gebrauch der Wächterposaune gilt
es, keine Zeit zu verlieren.
Wenn jemand ,,seine Gabe auf dem Altar opfern" wollte und
,,allda eingedenk würde, daß sein Bruder etwas wider ihn
habe", so sollte er nicht warten. Er sollte unverzüglich die
Aussöhnung mit seinem Bruder suchen und erst nachher sein
Opfer darbringen (Matthäus 5, 23 - 26).
Vor allen Dingen ist das Zögern dann bedenklich, wenn Gottes
Geist uns zur Entscheidung treibt. Wenn er uns mahnt:
,,Wache auf, der du schläfst und stehe auf von den Toten,
so wird dich Christus erleuchten" (Epheser 5, 14), so dürfen
wir nicht weiterschlummern. Wenn Ananias dem Saulus zuruft:
,,Und nun, was verziehest du?", dann gilt es zuzufahren
(Galater 1, 16) und nicht zu verziehen.
D i e W a r n u n g d e s A n a n i a s v o r Z ö g e r n
w a r n i c h t u n b e g r ü n d e t .
So manche Erwägungen konnten Saulus zum Zögern veranlassen:
Wie viele Vorteile verließ er doch, wenn er nun ein Christ
wurde! Welch glänzende Stellung und Laufbahn ging ihm
verloren! Welches Stadtgespräch konnte in Jerusalem
entstehen! Mit wievielen Verwandten war ein Bruch zu
befürchten! Was konnten seine Kollegen im Hohen Rat denken?
Welcher Unwille würde beim Hohenpriester entstehen! Tausend
derartige Bedenken konnten ihn zum Zögern veranlassen.
Auch wenn er noch einmal rückwärts auf den großen Berg seiner
Schuld schaute, so konnte er von dem Zweifel erfaßt werden,
ob Christus wirklich alles vergeben werde. Oder wenn er auf
seine Schwachheit oder sein Temperament blickte, konnte er
ängstlich fragen, ob er auch den neuen Weg werde durchführen
können. Wieviel tausend Gründe zum Zögern lagen hier vor!
2. Ananias weist Saulus den Weg, den er gehen soll. Ananias
zeigte Saulus in wenigen Worten den Weg, den er beschreiten
sollte. Es war ein Weg, der seinem bisherigen Pfad ganz
entgegengesetzt war. Wollte er vorher die Christengemeinde
ausrotten, so sollte er jetzt selbst zu ihr gehören (,,laß
dich taufen"). Suchte er bisher durch seinen Gesetzeseifer
vor Gott gerecht zu werden, so soll er sich nun als Sünder
bekennen und sich von seinen Sünden abwaschen lassen (,,und
abwaschen deine Sünden"). Verfluchte er früher den verhaßten
Namen Jesu, so soll er nun denselben anrufen und im Umgang
mit ihm seine wichtigste Beschäftigung sehen! (,,und rufe an
den Namen des Herrn"). Welch ein Wechsel! Welch eine Umkehr
seines bisherigen Weges!
So bringt auch heute noch eine gründliche Bekehrung einen
großen Wechsel im Leben und Wandel mit sich. Was wir früher
aufsuchten, das fliehen wir heute. Was wir einst nicht
leiden mochten, das ist nun unser Teuerstes geworden. Aber
nicht nur bei der Bekehrung, sondern im ganzen Christenleben
gilt der von Ananias bezeichnete Wegweiser. Es gilt täglich
gewissermaßen seinen Taufbund erneuern und sich zu Jesu und
seinem Volk zu bekennen; immer wieder sich von den Sünden
abwaschen zu lassen und allezeit den Gebetsumgang mit ihm zu
pflegen (1. Thessalonicher 5, 17). Der von Ananias gezeigte
Weg bleibt der richtige.
(s.a. ,,Mit welchem Erfolg stellte Ananias den Saulus vor
die Entscheidung?" -> Apostelgeschichte 9, 19 und 20.)