Apg 21,27
A.Christlieb
Die Gefangennahme des Apostels.
Apostelgeschichte 21, 27. 28.
Mit unserem Vers beginnt die vorausgesagte besondere
Leidenszeit des Apostels. Wir sehen seine Gefangennahme.
Laßt uns die Zeit, die menschlichen Werkzeuge und die Art
und Weise seiner Gefangennahme näher ansehen.
1. Die Zeit der Gefangennahme.
Die Zeit wird mit den Worten ausgedrückt: ,,Als aber die
sieben Tage vollendet werden sollten", d. h. als die Tage,
in denen er sich auf Wunsch der Brüder den besonderen
gesetzlichen Vorschriften im Tempel unterzogen hatte, fast
vorüber waren, trat dieses Ereignis ein. Es liegt in dieser
Zeit der Gefangennahme etwas Besonderes. Gerade da, als
Paulus zur Beruhigung seiner Landsleute alles getan hatte,
was er nur konnte; gerade da, als er seinem Volk zuliebe bis
zur äußersten Grenze entgegengekommen war, gerade da brach
die furchtbare Unruhe und Erregung der ganzen Stadt über ihn
herein.
Wenn jemand bei der allerbesten Absicht mißverstanden wird,
ja gerade bei dem liebevollsten Entgegenkommen gegen andere
auf das Häßlichste behandelt wird, dann möge er sich an die
Zeit der Gefangennahme des Paulus erinnern und sich daran
trösten (Matthäus 10, 22).
2. Die Personen, welche die Gefangennahme herbeiführten,
waren ,,die Juden aus Asien", d. h. die jüdischen Gegner
des Apostels auf seinen früheren Missionsreisen.
Bei ihrem Anblick müssen wir etwas stehenbleiben. Wir
erinnern uns an die Schilderungen der israelitischen Gegner,
die an verschiedenen Orten seine Missionsarbeit auf das
heftigste bekämpft hatten (Kap. 13, 45. 50; 14, 2 - 6.
19). Hätte man nicht denken können, daß diese Leute im Laufe
der Zeit sich allmählich beruhigt und die Verkehrtheit ihres
damaligen Verhaltens eingesehen und bereut hätten? Das
Gegenteil war der Fall. Derselbe Haß, der damals vor Monaten
und Jahren in ihren Herzen brannte, zeigte sich unvermindert
in dieser Stunde, da sie Paulus im Tempel erblickten.
Wie zäh kann doch der Haß gegen andere Menschen im
natürlichen Menschenherzen wurzeln. Diese Juden aus Asien
waren nach Jerusalem zum Fest gewandert, um ihre religiösen
Vorschriften auf das genaueste zu erfüllen. Welch eine
Frömmigkeit sehen wir hier! Eine Anzahl von Menschen legen
weite Wege zurück durch Länder und Meere, um Gottes Willen zu
tun. Sie wallen zum Tempel nach Jerusalem, um recht fromme
Menschen zu sein und - tragen dabei im Herzen Wut und Haß
gegen einen Mitmenschen, der in einer religiösen Frage anders
als sie denken muß. Was nützten diesen Menschen die Mühen
und Unkosten ihrer Wege, so lange solcher Haß in ihren Herzen
wohnt?
Auch in unseren Tagen kann es vorkommen, daß jemand eine
weite Reise zu einer Erbauungskonferenz nicht scheut, aber
einen Haß gegen irgendwelche Mitchristen festhält. Hüten wir
uns, in die Bahnen jener Juden aus Asien hineinzugeraten!
3. Die Art und Weise der Gefangennahme.
Paulus schreibt einmal: ,,Die Waffen unserer Ritterschaft
sind nicht fleischlich, sondern mächtig vor Gott"
(2. Korinther 10, 4). Das Gegenteil darf man von der
Kampfesweise jener Männer sagen, die die Gefangennahme
des Paulus herbeiführten. Ihre Waffen waren in der Tat
fleischlich. Schon der Ton ihrer Stimme (,,Sie schrien"),
ihr Übergehen zu Tätlichkeiten (,,sie legten die Hände an
ihn"), ihr Bemühen, einen Volkstumult hervorzurufen
(,,sie erregten das ganze Volk"), beweisen, daß sie
mit fleischlichen Waffen gegen Paulus kämpften.
Solche Kampfesweise ziemt sich niemals für Jünger Jesu.
Gerade in Zeiten erregter Auseinandersetzungen sucht der
Feind die Gläubigen fortzureißen, daß sie solche
Kampfesmittel gebrauchen, wie jene ,,Juden aus Asien".
Diese Kampfesweise war niemals die Jesu und seiner Apostel.
Jesus lehnte es ab, mit dem Schwert verteidigt zu werden.
Der Anblick dieser sich in fleischlicher Erregung auf Paulus
stürzenden Juden soll uns in dem Grundsatz des Apostels
befestigen, nur mit geistlichen Waffen zu kämpfen (Lukas 9,
54 - 56).