Apostelgeschichte

Apg 20,28 A.Christlieb I. Habt acht auf euch selbst. Apostelgeschichte 20, 28.

1. Es gibt ein falsches Achthaben auf sich selbst. Wenn jemand sich beständig den Puls fühlen und sein inneres Wachstum merken möchte; wenn ein Christ beständig auf seine Schwachheit anstatt auf den Herrn schaut, so befolgt er nicht des Apostels Mahnung: ,,Habt acht auf euch selbst". Paulus will vielmehr die Ältesten anspornen, ein wachsames Auge auf die eigene Herzensstellung und den Wandel vor Gott zu richten, um nicht in Abwege und Sünden hineinzugeraten. Bei der Wichtigkeit ihrer Stellung sollen sie einen geschärften Blick behalten, um die Anfänge eines Irrweges und die Entstehung von Entgleisungen bei sich selbst zu erkennen und so bewahrt zu bleiben. (Epheser 5, 15; Psalm 101, 2; 1. Timotheus 3, 2 - 7; Titus 1, 7).

2. Die Tatsache, daß diese Mahnung an Älteste und Gemeindeleiter gerichtet ist, hat uns etwas zu sagen. Wir sehen leicht an älteren, erfahrenen Christen so hoch hinauf, daß wir dieselben über alle Gefahren erhaben wähnen. Das ist ein Irrtum. Hier werden diejenigen, welchen der Heilige Geist eine führende Stellung in der Gemeinde Gottes gegeben hat, zur Wachsamkeit über sich selbst ermahnt. Demnach sind auch für solche Männer noch Gefahren vorhanden. Auch sie sind nicht sicher vor Abwegen und Fehltritten. Schrift und Erfahrung bestätigen dies. Welch ein Triumph ist es für die Hölle, wenn ein leitender Bruder zu Fall kommt und in Sünde verstrickt wird. Ja auch Älteste und Gemeindeleiter, alle an der Spitze stehenden Brüder bedürfen der Mahnung: ,,Habt acht auf euch selbst" (2. Korinther 2, 11).

3. Paulus stellt den Satz: ,,Habt acht auf euch selbst" an die Spitze seiner Ermahnungen zu treuer Amtsführung. Erst an zweiter Stelle folgt die Aufforderung, über die Herde zu wachen. Was sagt uns diese Reihenfolge? Was bedeutet die Voranstellung des Achtens auf sich selbst? Sie ruft uns zu: Bei allen, die an andern arbeiten wollen, ist die eigene richtige Stellung und das persönliche Vorbild im Wandel das erste. was im Auge behalten werden muß. Erst dann kommt ihr übriges Wirken. Die Arbeit an sich selbst darf also nie über der Arbeit an anderen vergessen werden und zu kurz kommen. Nicht die Leistungen, nicht der Dienst der Knechte Jesu ist vor Gott die Hauptsache, sondern ihre Person, ihr eigenes inneres Wachstum, ihre persönliche Heiligung. Die eifrigste und vielseitigste Arbeit im Weinberg des Herrn kann zum abstoßenden Zerrbild werden, wenn der Wirkende sich in seinem Leben und Wandel allerlei Blößen gibt. Darum hat Hudson Taylor recht, als er einer Schar ausziehender Missionare als einzigen Rat zurief: ,,Nehmt euch Zeit, geheiligt zu werden".

Wenn wir auf uns selbst acht haben, so wird auch unser Wirken an der Herde nicht vergeblich sein. Wo wir aber uns selbst nicht in Zucht nehmen, so werden andere von uns nichts annehmen (Psalm 50, 16. 17; 1. Timotheus 4, 12; Titus 2, 7).

Unter allen Hinweisen für eine gesegnete Amtsführung soll die Mahnung: ,,Habt acht auf euch selbst" die erste Stelle behalten.



siehe auch Habt acht auf euch, wenn ihr Erfolg habt. -> Lukas 10, 17 - 20. Habt acht auf euch, wenn eine wichtige Arbeit glücklich vollendet ist. -> 1. Könige 13, 11 - 22. Habt acht auf euch, wenn euch die Welt Ehre erweist. -> 2. Könige 20, 12 - 19. Habt acht auf euch, wenn euer Name bekannt wird. -> 2. Chronika 26, 14 - 20. Habt acht auf euch, wenn euch besondere Gnade zuteil wird. -> Daniel 2, 19 - 23. Habt acht auf euch, wenn Gott andere Wege als bisher einschlägt. -> 4. Mose 20, 2 - 13. Habt acht auf euch, wenn ihr von anderen gereizt werdet. -> Psalm 106, 32. 33. Habt acht auf euch, wenn Glaubensproben kommen. -> 4. Mose 20, 2 - 13. Habt acht auf euch, wenn etwas Unangenehmes euch trifft. -> 1. Samuel 8, 5. Habt acht auf euch, daß ihr wahr bleibt. -> Galater 2, 11 - 14. Habt acht auf euch im Blick auf die besonderen Gefahren für ,,Älteste". -> 1. Petrus 5, 2. 3.





A.Christlieb Das Bischofsamt. Apostelgeschichte 20, 28.

1. Wer verleiht dieses Amt?

Es gibt weltliche Ämter, welche von menschlichen Behörden verliehen werden. Anders ist es mit diesem Amt. Wohl ist es möglich, daß man durch Schliche und Bemühungen einen Posten in Kirche oder Gemeinschaft erlangt. Aber ein wahrer Aufseher und Leiter der Gemeinde ist nur der, welcher vom heiligen Geist dazu gesetzt ist (1. Timotheus 3, 1 - 7; Psalm 84, 11).

2. Die Hauptpflicht eines Gemeindeleiters

besteht nicht in äußerer Verwaltungsarbeit, sondern im Weiden der Herde. Er hat die schöne Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die unsterblichen Seelen Nahrung bekommen, durch die sie innere Kraft erhalten, wachsen und zunehmen können. Er muß sie auf die Weide des göttlichen Wortes führen, sie mit dem herrlichen Inhalt der nie zu ergründenden heiligen Schrift tiefer bekanntmachen. Er hat nicht seine eigene Weisheit, sondern die göttliche Weisheit der Bibel zu predigen.

Wenn der Führer einer Gemeinde oder Gemeinschaft allerlei treibt, vielleicht soziale Notstände bekämpft, aber nicht wahrhaft auf die Weide des Wortes führt; wenn er keine Zeit hat, die Nahrungskräfte der Bibel für sich und andere hervorzuholen, so hat er seinen wichtigsten Beruf verfehlt. Wiederum, wenn er noch so schlicht und einfach ohne glänzende Begabung und hohe Beredsamkeit den Seelen die Gedanken, die im Wort Gottes liegen, klarmacht, so erfüllt er die ihm zustehende Aufgabe, auch wenn er gar nichts besonders in die Augen Fallendes leistet und vor der Welt keiner besonderen Ehre gewürdigt wird. (Johannes 21, 15 - 17; Sprüche 10, 21; Jeremia 3, 15; Hesekiel 34, 2 - 10).

3. Welches Recht bringt dieses Amt mit sich?

Nicht von äußeren Rechten ist hier die Rede, nicht von Gewändern, die man tragen oder von Rangstufen, die man in menschlicher Gesellschaft bekleiden darf. Wer nach solchen Dingen trachtet, der suche auf anderem Weg sein Ziel zu erreichen.

Und doch verleiht dies Amt ein hohes Recht. Das Recht der Aufsicht, des Achthabens auf andere wird hier klar ausgesprochen (,,Habt acht auf die ganze Herde"). Von einem Hirten, den Gott eingesetzt hat, der seine Pflicht des Weidens treu erfüllt, sollen sich die Christen auch eine Leitung und Aufsicht gern gefallen lassen (1. Thessalonicher 5, 12. 13). Sie sollen sich von einem solchen ermahnen, auf Fehler und Irrwege aufmerksam machen lassen, ihn als von Gott gesetzten Lehrer dankbar anerkennen.

Wer sein Wort verachtet, der verachtet eine in Gottes Wort gegründete Einrichtung und damit Gott selbst. Wer ihn dankbar anerkennt, der folgt damit dem Hirten und Bischof der Seelen im Himmel (Lukas 10, 16; Matthäus 10, 40).





S.Keller Apostelgesch. 20, 28: «So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde.»

Ja, wie verhalten sich diese zwei Ermahnungen zueinander? Wird nicht das Interesse geteilt, wenn man auf seine eigene Seele acht haben soll und zu gleicher Zeit auf die andern, unter die uns Gott gesetzt hat? Zugeben will ich, daß ich nicht immer diese Arbeitsteilung verstanden und noch weniger diese Mahnung erfüllt habe. Acht haben auf uns selbst ist so wichtig, daß wir das ohne Schaden an unserer Seele zu nehmen, doch gar nicht aufgeben dürfen. Der Herr gibt dir Stunden und Zeiten, wo es ganz klar sein Wille ist, daß du an andern arbeiten und für andere da sein sollst. Je treuer du für deine eigene Seele sorgtest, desto mehr wirst du nun andern helfen können, und je selbstloser du Gottes Willen an andern erfüllst, desto mehr Segen wird von dorther zurückfluten auf dich. Es gibt Krankheiten und Gefahren des eifrigen Arbeitens in Gottes Reich - gewiß, aber sind die Krankheiten und Gefahren des Müßiggangs nicht zehnmal größer! Einmal segnet der Herr meine stillen Stunden, daß ich da etwas finde, womit ich andern helfen kann, und dann wieder lohnt er mir meine Arbeit an andern durch einen Fortschritt oder eine Schenkung der Kraft, die ich allein nie erfahren hätte!

Herr, unser Gott, wir bitten dich, gib uns beides: offene Augen, auf uns selbst zu sehen, und treue Liebe in der Arbeit an andern. Laß mich nicht selbstsüchtig wachsen wollen für mich und segne mich durch das, was ich in deinem Namen an andern tun soll! Amen.