Apostelgeschichte

Apg 20,12 A.Christlieb Die Geschichte des Eutychus

wurde einst von Samuel Zeller in Männedorf bei Gelegenheit einer größeren Jünglingsversammlung in folgenden Teilen behandelt:

1. E i n h ö r e n d e r J ü n g l i n g . Wie gut ist es, wenn ein junger Mensch sich unter den Einfluß des göttlichen Wortes stellt. Von allen Einflüssen ist dies der beste. Wohl allen Jünglingen, die an solche Segensorte gehen, wie Eutychus es tat, auch wenn Spott und Hohn bei manchen Altersgenossen die Folge sein sollte. (Lukas 2, 46; Psalm 119, 9).

2. E i n s c h l a f e n d e r J ü n g l i n g . Wir dürfen auf den einschlafenden Eutychus keinen Stein werfen, denn niemand von uns weiß, welche leibliche Anstrengung jener Versammlung vorausging und welche Ermüdung bei ihm vorlag. Auffällig ist, daß er trotz der hellen Erleuchtung (Vers 8), trotz der geistgesalbten Predigt und vor allem trotz seiner gefährlichen Lage sich vom Schlaf übermannen ließ. Nicht weniger auffällig ist es aber, daß mancher Jüngling trotz allen lebendigen Christentums um ihn her, trotz gesegneter Wortverkündigung und vielleicht auch trotz einer Lage, die zwiefache Wachsamkeit erforderte, derart in geistlichen Schlaf sinkt, daß er das Bewußtsein der ihn umgebenden Gefahren völlig verliert (1. Thessalonicher 5, 6).

3. E i n f a l l e n d e r J ü n g l i n g . Es blieb nicht beim Einschlafen. Es folgte ein schrecklicher Fall. Die Herrschaft über die Glieder schwand. Der Körper bekam das Übergewicht. Aus dem schlafenden war ein fallender Jüngling geworden. Diese Reihenfolge wiederholt sich in ganz anderer Weise in manchem Leben: Aus schlafenden Christen werden oft solche, die einen tiefen Fall tun. Wo das Wachen und Beten unterbleibt, da ist das Schlimmste zu befürchten. Wie oft sind schon schläfrige Christen zum Jubel der Welt tiefgefallene Christen geworden! Darum laßt uns wachen und einander vor Einschlafen warnen und vor Fall bewahren helfen (1. Petrus 5, 8; Matthäus 26, 41; Markus 13, 37).





A.Christlieb Drei scheinbare Gegensätze in der Abschiedsrede von Paulus. Apostelgeschichte 20, 18.

Die Rede von Paulus in Milet ist nicht nur geeignet, uns zur Treue anzuspornen, sondern auch vor Einseitigkeit zu bewahren. Der Anblick von drei scheinbaren Gegensätzen wird uns dies zeigen.

1. Paulus sieht dunkel und doch hell in die Zukunft. Apostelgeschichte 20, 22 - 25. 29 - 32.

Zunächst ist es lehrreich, zu beobachten, wie Paulus einerseits so dunkel und schwarz, andererseits so licht und hell in die Zukunft hineinblickt.

Dunkel sieht er in die kommende Zeit. Für sich selbst erwartet er ,,Bande und Trübsal in Jerusalem" (Vers 23). Für die Gemeinde sieht er ebenfalls allerlei Nöte und Schwierigkeiten voraus. ,,Greuliche Wölfe", ,,falsche Lehren" sieht er kommen (Vers 29. 30). Er schaut die Verirrungen, in die führende, gläubige Männer hineingeraten werden, klar voraus. Er weiß, daß Zertrennungen entstehen werden, indem mancher ein Parteihaupt sein und die Jünger an sich ziehen will, statt sie zum Herrn zu weisen. Welch ein trübes Zukunftsbild! Man könnte den Apostel fast einen Schwarzseher nennen. Und doch gibt es keinen, der so hell, freudig und getrost in die Zukunft hineinblickt wie dieser ,,Schwarzseher" Paulus.

Wie fröhlich blickt er auf den vor ihm liegenden Leidensweg, als ob es zu einer Hochzeitsfreude ginge. ,,Mit Freuden" will er ,,seinen Lauf vollenden" (Vers 24). Er schaut weit hinaus bis zu dem Erbteil, das einst alle Geheiligten empfangen (V. 32).

Wie sind doch wahre Gotteskinder vor der Welt gar sonderbare Leute! Auf der einen Seite sind sie so ernst und schauen schwere Wetterwolken, von denen andere in ihrer Leichtfertigkeit nichts wissen wollen. Auf der anderen Seite sind sie die getrostesten, fröhlichsten Leute der Erde. ,,Sie stehen im Leiden und bleiben in Freuden". Sie sind traurig, aber allezeit fröhlich (2. Korinther 6, 10).

Wohl allen, die den dunklen und hellen Zukunftsblick recht zu verbinden wissen wie Paulus.



2. Paulus ist vielseitig und doch einseitig in seiner Wortverkündigung. Apostelgeschichte 20, 20. 21. 24 b. 27.

Im Rückblick auf seine Wortverkündigung darf Paulus auf der einen Seite auf eine große Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit in seiner Darbietung des Wortes hinweisen (,,Ich habe nichts verhalten, das da nützlich ist", V. 20; ,,Ich habe euch nichts verhalten, daß ich nicht verkündigt hätte all den Rat Gottes", Vers 27). Wie vielseitig muß Pauli Predigt nach all diesen Ausdrücken gewesen sein! Er war kein Steckenpferdreiter. Er brachte nicht immer dieselben Gedankengänge. Er bewegte sich nicht in jeder Ansprache in demselben Kreis, sondern zeigte der Gemeinde den ganzen Heilsrat Gottes nach allen Seiten recht.

Und doch war dieser vielseitigste Prediger aller Zeiten auch der einseitigste, denn er faßt allen Inhalt seiner Verkündigung in dem Wort zusammen: ,,Ich habe Buße zu Gott und Glauben an unsern Herrn Jesus bezeugt" (Vers 20). Seine ganze Aufgabe erkennt er darin, das Evangelium von der Gnade Gottes zu bezeugen (Vers 24).

Hier ist ein Spiegel für alle, die Gottes Wort zu verkündigen haben: Laßt uns nach Pauli Vielseitigkeit, aber auch nach seiner Einseitigkeit trachten und beides recht zu vereinigen suchen (2. Timotheus 2, 15; Psalm 119, 14).



3. Paulus macht die Zukunft ganz von Gottes Macht und Wirken und doch von menschlicher Arbeit und Treue abhängig. Apostelgeschichte 20, 18 - 21. 31 - 36.

Im Blick auf die Zukunft und den Fortgang des göttlichen Werkes in Ephesus setzt Paulus sein ganzes Vertrauen auf den Herrn und erwartet alles von ihm, nicht von Menschen. Er übergibt die Vertreter der Gemeinde ,,Gott und dem Wort seiner Gnade" (Vers 32). Er weiß, daß der Herr allein ,,mächtig ist, zu erbauen" (Vers 32). Offenbar war Paulus von dem Bewußtsein durchdrungen, daß der Herr selbst alles machen müsse, damit seine Gemeinde in dieser Stadt wachse und zunehme (Römer 9, 16).

Und doch sehen wir denselben Apostel Tag und Nacht wirken, als ob alles nur von seiner Arbeit und Treue abhinge. Wir hören ihn, wie er die Ältesten zu gleichem Eifer ermutigt. Ist das nicht ein Widerspruch? Wie vereinigt sich beides?

Ein Beispiel aus Hiskias Leben kann uns diesen scheinbaren Gegensatz erklären: Dieser fromme König arbeitete einst eifrig mit den Priestern des Tempels an der Wiederherstellung des rechten Gottesdienstes in Jerusalem. Als nach treuer Arbeit und emsigem Schaffen das Werk glücklich vollendet war, ,,freute sich Hiskia samt allem Volk an dem, das Gott dem Volk bereitet hatte" (2. Chronika 29, 36). Obwohl Hiskia eifrig gewirkt hatte, schrieb er doch das vollendete Werk nicht sich selbst und der treuen Menschenarbeit zu, sondern sah es als eine Gabe des Herrn an.

Die Stellung Hiskias ist auch Pauli Stellung. Laßt uns beides verbinden. Laßt uns fleißig schaffen an der uns von Gott befohlenen Aufgabe. Aber niemals laßt uns im Blick auf geleistete oder zu leistende Arbeit sagen: Ich bin es, der es schafft (5. Mose 8, 17). Aus dem rechten Glauben fließt die Treue, welche eifrig wirkt, und die Demut, die Gott allein alles zuschreibt.