Apg 20,6
A.Christlieb
Die gegenseitige Erziehung durch die Reisegemeinschaft.
Apostelgeschichte 20, 4 - 6.
Die Gemeinschaft jener Reisegefährten untereinander war nicht
nur eine große Stärkung und Erquickung für alle Teile; sie
hatte auch, wie jede menschliche Gemeinschaft, eine
erziehende Seite, die ein Mensch, der immer nur allein seinen
Weg gehen will, entbehrt. Wir merken etwas von dieser
erziehenden Bedeutung auf jener Reise.
1. Es wurde eine Verabredung getroffen, nach der man sich an
einem bestimmten Ort, in Troas, treffen wollte. An diese
Verabredung war man gebunden. Man konnte nicht nach seinem
Belieben unterwegs den Plan ändern und irgendwo bleiben, wo
es einem gut gefiel. Solche Freiheitseinschränkung paßt der
natürlichen eigenen Willkür nicht immer.
2. Man muß aufeinander warten (,,Diese harrten unser zu
Troas", V. 5). Das Schiff braucht länger als sonst. Auf
der zweiten Missionsreise legte Paulus diese Strecke in zwei
Tagen zurück (Kap. 16, 11). Jetzt brauchte das Schiff
wahrscheinlich wegen ungünstiger Witterung fünf Tage. So
mußten die, welche schon in Troas angekommen waren, länger,
als zu erwarten war, harren. Das erfordert Geduld. Das
Leben in Gemeinschaft mit anderen bringt allerlei
Geduldsübungen mit sich.
3. In Troas selbst verbringen sie gemeinsam sieben Tage
(,,Wir hatten da unser Wesen"). Wenn Leute aus so
verschiedenen Ländern mit ihren besonderen Sitten
zusammenleben, so kann nicht jeder seine Eigenart und
besondere Gewohnheit beibehalten, sondern muß auf die anderen
Rücksicht nehmen, sich nach ihnen richten und an sie
gewöhnen. Das alles schleift ab. Die ,,Ellenbogenfreiheit"
muß aufhören.
Dies ist eine praktische Übung in Liebe und Sanftmut, die
nicht hoch genug geschätzt werden kann. So bringt jede
Gemeinschaft in Familie, Verein und Versammlung neben der
Erquickung auch Übung und Erziehung mit sich. Wohl allen,
die solche nicht ärgerlich wegwerfen, sondern in der Kraft
der Liebe gern tragen (Sprüche 18, 1).