Apg 18,4
A.Christlieb
Die Lebensgeschichte von Aquila und Priscilla
Apostelgeschichte 18, 1-4; 18, 26-28; Römer 16, 3-5
1. Die Ausweisung aus Rom
Wir lesen in Apg. 18, 2, daß Aquila und seine Frau
Priscilla erst kurz vorher nach Korinth gekommen waren.
Es hatte sie in Rom, wo sie ein Geschäft als Zeltmacher
(Teppichmacher) betrieben, zusammen mit allen andern Juden
ein Ausweisungsbefehl des Kaisers Claudius getroffen. Was
wird das damals für ein Klagen und Jammern gewesen sein
über die ungerechte Judenverfolgung! Claudius hatte diese
sicher darum durchgeführt, weil er um die Gunst des Volkes
buhlte, das die Juden nicht leiden mochte.
Wie die andern waren Aquila und Priscilla hart betroffen.
Sie ahnten sicher nicht, wie der ewige Plan Gottes diesen
schweren Schlag zu einer gesegneten Wende in ihrer
Lebensgeschichte benutzen wollte. Claudius verjagte die
Juden genau zu der Zeit aus Rom, als Paulus mit seiner
Wirksamkeit in Korinth begann. In dieser Stadt hatte das
vertriebene Ehepaar Zuflucht gefunden. Dort kamen sie mit
dem Apostel in Verbindung. Was sie von ihm empfingen, war
viel mehr als alles, was ein römischer Kaiser ihnen je rauben
konnte.
Das in die Familiengeschichte gefügte Leid wurde unter
Gottes hoher Hand eine Quelle des Segens. Schickt Gott nicht
auch heute manche Not in Häuser und Familien, mit der er
Segensabsichten verbindet? Menschen sollen mit ihm, dem
lebendigen Gott, in Verbindung kommen, sollen seine Botschaft
hören lernen.
2. Die Zeit in Korinth
In Aquilas neu eröffnetem Zeltmachergeschäft in Korinth
spricht eines Tages ein fremder Jude vor, der des gleichen
Handwerks ist. Er bittet, als Mitarbeiter aufgenommen zu
werden. Es ist der Apostel Paulus. Seine Gestalt ist klein
und verächtlich. Seine Erscheinung und sein Auftreten muß
aber doch Vertrauen bei Aquila geweckt haben. Dieser nimmt
ihn auf (V. 3) - und wird es in alle Ewigkeit nicht bereuen!
Aquila und Priscilla finden in dem neuen Mitbewohner nicht
nur einen brauchbaren und gewissenhaften Arbeiter, sondern
sie werden durch ihn zu einer wahren Herzensbekehrung
geführt. Wie werden sie verlernt haben, Gottes oft
unbegreifliche Führungen - ihre Vertreibung aus Rom - zu
kritisieren! Wie werden sie gewiß geworden sein, daß Gott
mit den Seinen einen Plan hat und daß ihnen auch das Schwere
und Rätselvolle zum besten dient!
Das Zusammenleben der drei Hausbewohner wird uns nicht näher
ausgemalt. Ganz sicher aber haben Aquila und Priscilla bald
gespürt, welcher Segensträger mit diesem Paulus zu ihnen
gekommen ist. Sie haben gemerkt: Wir haben einen wahren
Beter bei uns. Sie haben festgestellt: Der neue Hausgenosse
ist im Irdischen, in seiner Berufserfüllung treu, und er ist
ein vollmächtiger Zeuge des Evangeliums. Wie wird Paulus zum
Herrn beständig gefleht haben: Schenke mir die Seelen dieser
Hausgenossen! Wie wird er die Tischgespräche über die
alltäglichen Geschäftsdinge hinaus mit geistlichem Wert
gefüllt haben! Wort und Wandel des Paulus wirken zusammen
und überführen schließlich das Ehepaar Aquila und Priscilla
von der Wahrheit der Botschaft, die Paulus bringt. Sie
werden ein Eigentum des Herrn Jesus.
Wir wollen nicht müde werden, vordringlich um die Bekehrung
unserer Hausgenossen zu beten. Wir wollen flehen, daß ein
tiefgehendes, gründliches Geisteswerk an ihnen geschieht.
Wir wollen betend achtgeben, daß sie an uns die Einheit von
Wort und Wandel sehen. Dann kann das Wunder einer klaren
Bekehrung, das damals im Hause von Aquila und Priscilla
geschah, sich auch heute wiederholen. Das Erleben im
Zeltmachergeschäft in Korinth ist die wichtige Mahnung
an alle Jünger Jesu: Was euch auch immer an Aufgaben
zufällt, die vielleicht ins Weite gehen -vergeßt nie das
Nächstliegende: die Fürbitte für die eigenen Hausgenossen,
den Wandel vor Gott im nächsten und engsten Kreise. Paulus
war oft in der Offentlichkeit ein Zeuge Jesu, er war es aber
auch bei seinem Mitarbeiter auf der Handwerkerstube. Manche
haben große Träume gehabt, sie wollten Segensspuren in alle
Welt hinaus tragen, und sie haben versäumt, zuallererst im
eigenen Hause ein Segen zu sein.
3. Die weitere Bewahrung
Sicher gab es in Korinth, wo sie den Weg mit Jesus begannen,
für Aquila und Priscilla manche Erprobung ihres Glaubens.
Paulus wurde von den Feinden des Evangeliums gerichtlich
und mit Aufruhr verfolgt (Apg. 18, 6. 12-17). Da werden
die Leute, die den Apostel beherbergten, auch manchen Haß
und manche Feindschaft zu spüren bekommen haben. Aber
sie standen immer unter dem persönlichen Einfluß und der
Gebetsmacht des Paulus. Vielleicht kam es damals bei einem
Aufruhr vor, daß sie für das Leben des Paulus ihr eigenes
Leben wagten (Röm. 16, 4).
Die Hauptbewährung aber kam später, als Aquila und Priscilla
von Paulus getrennt waren. Zwar begleiteten sie den Apostel
noch von Korinth nach Ephesus (Apg. 18, 18 f.), aber dann
zog Paulus ohne sie weiter. Ach, wie manche gehen zurück,
wenn ein bestimmter Prediger oder Evangelist, durch den sie
gesegnet wurden, nicht mehr da ist! Wie einst Israel fallen
sie zum goldenen Kalb, sobald Mose außer Sicht ist. Aber
Aquila und Priscilla blieben treu. Das zeigt, daß sie sich
nicht zu Paulus, dem gesegneten Werkzeug, bekehrt hatten und
an ihm hingen, sondern daß sie sich wirklich an Jesus selber
hielten.
In Ephesus zeigten sich Aquila und Priscilla gastfrei. Sie
nahmen den Apollos zu sich (Apg. 18, 26). Sie sahen, daß
ihm, dem »beredten Mann und mächtig in der Schrift« (V. 24),
noch manches Licht fehlte. Da fingen sie nicht an, hinter
seinem Rücken über ihn zu klagen, sondern »sie legten ihm
den Weg Gottes noch fleißiger aus« (V. 26).
Später zogen sie wieder nach Rom. Immer mehr sind sie treue,
selbständige Mitarbeiter im Reich Gottes geworden. Ihr Haus
wurde der Sammelpunkt einer Christengemeinde (Röm. 16, 3-5).
Ihr Leben und Dienst wurde eine Segensspur für viele.
Solch eine Segensspur zu verfolgen, ist zum Staunen. Erst
wird Paulus ein Segen für seine Hausgenossen. Dann werden
diese dem Apollos zum Segen. Der letztere trägt den Segen
weiter: »Er half viel denen, die gläubig geworden waren durch
die Gnade. Denn er überwand die Juden beständig und erwies
öffentlich durch die Schrift, daß Jesus der Christus sei«
(Apg. 18, 27 f.).
Wenn auch unsere Lebensgeschichte ganz anders verläuft als
die von Aquila und Priscilla, so hat Gott doch mit all den
Seinen das gleiche Ziel: »Ich will dich segnen, und du sollst
ein Segen sein.«
A.Christlieb
Die Lehrtätigkeit des Paulus in Korinth.
Laßt uns beachten, wo, wie und wen Paulus in Korinth lehrte.
1. Der Ort seiner Lehrtätigkeit ist wieder die Synagoge
(Schule). Seine üblen Erfahrungen mit diesem Platz hatten
sich in der vergangenen Zeit mannigfach vermehrt (Kap. 17,
1. 5. 13). Aber seine Liebe blieb unverändert, seine
Geduld ließ nicht nach, da zu wirken, wo er seine Brüder
nach dem Fleisch am besten erreichen konnte. Er bleibt
uns auch darin vorbildlich (Sprüche 24, 29).
2. Die Art seiner Belehrung war keine trockene, kalt
lassende. Es war ein ,,Belehren und Überreden" (Luther:
,,Bereden"). Die Zuhörer merkten unter den Worten des Paulus
bald, daß ihnen eine heilige, göttliche Überredungsmacht
nahetrat (Jeremia 20, 7; Apostelgeschichte 26, 28). Gottes
Wort und Gottes Geist wirkten überzeugend, und solche
Überzeugung läßt nicht gleichgültig, sondern treibt zur
Entscheidung für oder gegen Christus.
Auch heute noch verbindet die rechte Wortverkündigung ein
,,Belehren und ein Überreden". Beim Belehren allein würde
einseitig Kopf und Verstand gefüllt werden. Beim Überreden
allein ohne Belehrung würde die Grundlage fehlen und keine
Kraft gegeben sein, den göttlichen Weg zu gehen.
3. An wen wandte sich die Belehrung des Paulus? Sie wandte
sich an alle, an ,,Juden und Griechen". Wie er keinen
einzigen Feiertag vorübergehen ließ, wo er nicht Christus
verkündigte (,,auf a l l e Sabbate"), so wollte er auch keine
einzige Seele ohne dieses Gotteswort lassen. Jene falsche
Engherzigkeit, nach der sich der Ruf zum Gottesreich nur an
die Nachkommen Abrahams wenden sollte, war von ihm längst
abgetan. Sein Herz war weit und wollte jeden Volksstamm,
Juden wie auch Griechen, mit Jesus bekanntmachen.