Apg 17,31
A.Christlieb
Paulus gibt den Athenern Licht über ihre Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft.
Apostelgeschichte 17, 30. 31.
I.
Paulus gibt den Athenern Licht über ihre Vergangenheit.
In Vers 30 und 31 läßt Paulus einen Lichtstrahl fallen in
die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Athener.
Ihre Vergangenheit beleuchtet er mit dem Ausdruck: ,,Zeit
der Unwissenheit". Dieses Wort hat eine demütigende und
eine ermutigende Seite für die Athener. Demütigend war
es deshalb, weil gerade diese Stadt wegen ihres Wissens so
berühmt war. Aus fernen Ländern kamen Leute herbeigezogen,
um in Athen Kenntnisse zu sammeln und Wissenschaft zu lernen.
Und nun nennt Paulus die hinter ihnen liegenden Jahre eine in
Unwissenheit verbrachte Zeit! Trotz all ihres Wissens hatte
es ihnen in der wichtigsten Frage über Gott und die Ewigkeit
völlig an richtigem Licht gefehlt. Das war demütigend.
Aber es war auch ermutigend, denn es zeigte die Milde des
göttlichen Urteils über die Vergangenheit an. Gott wollte
die im Götzendienst durchlebte Zeit nicht als absichtlichen
Frevel gegen ihn ansehen, sondern mit Rücksicht auf ihre
Unkenntnis entschuldigen. Das konnte den Hörern Mut machen,
sich diesem Gott zuzuwenden.
So sprach auch Petrus einst zu seinen Volksgenossen, denen er
die Sünde der Kreuzigung Jesu vorhielt: ,,Nun, liebe Brüder,
ich weiß, daß ihr es durch Unwissenheit getan habt"
(Apostelgeschichte 3, 17).
Wie leben doch heute noch - bei Licht besehen - Tausende von
Menschen, die sich ihres Wissens rühmen und sich für viel
klüger als alle gläubigen Christen halten, in einer ,,Zeit
der Unwissenheit", bis der Geist Gottes sie erleuchtet und
ihnen zum rechten Wissen verhilft (1. Petrus 1, 14; 1.
Timotheus 1, 13).
II.
Paulus gibt den Athenern Licht über ihre Gegenwart.
Nachdem Paulus den Athenern ihre Vergangenheit als ,,Zeit der
Unwissenheit" beleuchtet hat, gibt er ihnen auch für ihre
Gegenwart ein Licht, das sie brauchen. Er zeigt ihnen, daß
sie die jetzige Zeit ansehen und benutzen sollen als eine
Zeit der B u ß e .
Was hinter ihnen liegt, können sie nicht ungeschehen machen.
Aber nun gilt es einen neuen Weg einzuschlagen. Bis jetzt
sahen die Athener die Gegenwart am liebsten als eine Zeit
geistigen Genusses an, wo sie immer etwas Neues sagen oder
hören wollten (Vers 21). Paulus belehrt sie eines Besseren.
Er zeigt ihnen, daß die Gegenwart in erster Linie dazu da
ist, mit dem ,,unbekannten Gott", der ihnen jetzt verkündigt
wurde, in die rechte Gemeinschaft zu kommen, aus allem Irrweg
des Götzendienstes in den Dienst des wahren, lebendigen
Gottes hineinzukommen.
Wenn jemand durch das Wort Gottes erkannt hat, daß er in
seiner Vergangenheit ,,in Unwissenheit nach seinen Lüsten
lebte" (1. Petrus 1, 14) und dem Willen Gottes
entgegenhandelte, so weiß er auch, daß die Gegenwart eine
Zeit der Umkehr und Sinnesänderung sein muß. Wohl allen,
welche die Gegenwart in solchem Licht ansehen lernten (Lukas
15, 18).
III.
Paulus gibt den Athenern Licht über ihre Zukunft.
Wie verschieden schauen doch die Menschen in die Zukunft!
Der reiche Kornbauer glaubte eine Zeit voll Ruhe,
Behaglichkeit und Vergnügen vor sich zu haben. Aber in
der nächsten Nacht mußte er sterben (Lukas 12, 20). Viele
gleichen ihm im Bau von Zukunftsschlössern, die sich nicht
verwirklichen (1. Samuel 23, 17; Jakobus 4, 13 - 15).
Demgegenüber ist der Zukunftsblick, den Paulus den Athenern
hier gibt, ein untrüglicher, der nicht täuschen wird. Er
malt ihnen in kurzen Strichen einen großen Gerichtstag,
dem wir entgegengehen, vor die Augen. Laßt uns beim Anblick
dieses Gerichtstages achten auf sein gewisses Eintreffen,
auf seine näheren Umstände und auf das Rettungsmittel für
denselben.
1. Das erste, was Paulus von diesem Tage mitteilt, ist dies:
,,Gott hat ihn gesetzt", d. h. festgesetzt. Das künftige
Gericht ist also eine bei Gott beschlossene Sache, an der
niemand rütteln und die keiner ändern kann. Vieles ist in
unserer Zeit ungewiß. Aber unumstößlich gewiß ist, daß
dieser Tag kommen wird. Laßt uns weniger den Zeitpunkt
desselben berechnen wollen, als vielmehr die einfache
Tatsache erwägen, daß er kommen wird. Das mahnt uns zur
Bereitschaft auf denselben.
2. Über die näheren Umstände dieses Gerichtstages erfahren
wir zunächst, wer vor jenem Gericht erscheinen wird, nämlich:
,,der ganze Kreis des Erdbodens". Es werden, wie auch Jesus
selbst sagt, versammelt werden alle Völker der Erde (Matthäus
25, 32). Welch ein gewaltiger Tag muß dies sein!
Wir hören auch, wer der Richter ist, nämlich der ,,von den
Toten auferweckte" Osterfürst (Johannes 5, 22). Diesen
Richter und seine Grundsätze können wir im Wort kennenlernen.
Wohl uns, wenn er unser Freund und Bruder geworden ist.
Wir vernehmen endlich, wie gerichtet wird, nämlich ,,mit
Gerechtigkeit". Während hier auf der Erde manches ungerechte
Urteil gefällt wird, herrscht dort unparteiische,
unbestechliche, strenge Gerechtigkeit.
Das ist der Zukunftsblick, den Paulus den Athenern eröffnet.
An dieses Zukunftsbild zu denken ist besser, als allerlei
Trugbildern nachzujagen, die sich nicht verwirklichen.
3. Der Anblick des künftigen Gerichts weckt in uns die
Frage: Wie wird man in demselben bestehen können? Welches
ist das Rettungsmittel, durch das man an jenem Tag völlig
gesichert ist?
Wie die Hure Rahab völlige Sicherheit begehrte für den
zweifellos kommenden Tag des Unterganges ihrer Stadt (Josua
2, 12), so brauchen wir ein untrügliches Bewahrungsmittel
für jenen Gerichtstag. Paulus nennt dasselbe in seinem
letzten Satz noch, indem er sagt: ,,Gott hält jedermann
den Glauben vor", d. h. er bietet jedem diesen Glauben an.
Er ermöglicht ihn allen Menschen. Das Gericht würde kein
gerechtes Gericht sein, (und Paulus hatte doch hervorgehoben:
,,Er wird richten mit Gerechtigkeit"; dieser Satz würde nicht
zutreffen), wenn Gott nicht jedem Menschen Gelegenheit geben
würde, den richtigen Weg zu finden und zu wandeln. Diese
Gelegenheit gibt Gott aber jedem, indem er ihm durch die
Predigt des Evangeliums ,,den Glauben darbietet" (wörtliche
Übersetzung), so daß der einzelne zugreifen und zum Glauben
kommen kann. Dieser von Gott dargebotene und gewirkte Glaube
ist das einzige, aber auch zweifellos sichere Rettungsmittel
für jenen Gerichtstag. Derselbe wird niemand aufgedrängt
und aufgezwungen. Der Ausdruck: ,,Gott bietet jedermann
den Glauben an" bezeichnet die denkbar freundlichste,
unaufdringlichste und dennoch eindrücklichste und ernsteste
Weise, die Menschen zur Annahme des Rettungsmittels zu
bewegen.
Wie kann es doch Mut machen, zu hören, daß kein Mensch,
auch nicht der unwürdigste, von jenem göttlichen Anerbieten
ausgeschlossen ist, denn er bietet es ja ,,j e d e r m a n n"
an. Wie ernst aber ist es, diese dargebotene Gottesgabe von
sich zu weisen! Das würde die Verurteilung an jenem
Gerichtstag zur Folge haben.