Apg 17,1
A.Christlieb
Paulus in Thessalonich.
Drei Sünden der Feinde des Paulus in Thessalonich.
Apostelgeschichte 17, 1 - 9.
Wenn wir die Wirksamkeit des Paulus in Thessalonich
überblicken und unser Auge auf das Treiben der Feinde
richten, die ihn bei der Stadtbehörde anklagten und seine
Abreise verursachten, so könnte wohl der Gedanke in uns
aufsteigen: Wir hätten niemals so gehandelt wie jene Leute,
die sich mit ,,boshaftigen Männern aus dem Pöbelvolk"
vereinigten, ,,eine Rotte machten und einen Aufruhr
anrichteten", um Paulus zu vertreiben. Laßt uns solchen
Pharisäergedanken keinen Raum geben. Laßt uns nicht im
Herzen sprechen: ,,Ich danke dir, Gott, daß ich nicht bin
wie jene Ankläger des Paulus in Thessalonich" (Lukas 18, 11).
Viel besser ist es, wenn wir jene Feinde des Paulus als einen
Spiegel benutzen und in ihren Sünden und Fehlern unsere
eigenen wiedererkennen, um Reinigung davon zu suchen.
Drei Fehler sind es vor allen Dingen, die uns beim Anblick
jener Gegner des Paulus entgegentreten.
Die erste Sünde der Feinde: Der Neid.
,,Die halsstarrigen Juden neideten", d. h. sie
mißgönnten dem Paulus den großen Erfolg, den seine
Evangeliumsverkündigung hatte. Sie selbst hatten niemals
solchen Anklang finden, niemals ähnliche Begeisterung
hervorrufen können. Nun gönnten sie auch diesen Fremden
solches nicht.
Der Neid, den die Schrift zu den Werken des Fleisches zählt
(Galater 5, 20) und als Eiter in den Beinen bezeichnet
(Sprüche 14, 30), sucht auch in unsere Herzen einzudringen.
Wenn wir bei unserem Nächsten irgendeinen besonderen Segen
etwa im geschäftlichen Leben oder in der Erlangung einer
einflußreichen Stellung bemerken, so ist er nahe und will
sich bei uns einschleichen. Hüten wir uns vor diesem
Schlangengift, damit wir jenen Widersachern des Paulus
nicht ähnlich werden (2. Korinther 12, 20).
Die zweite Sünde der Feinde: Verleumdung.
Bei den Widersachern des Paulus in Thessalonich blieb es
nicht nur bei neidischen Gedanken, sondern es kam auch zu
Zungensünden. Sie verleumdeten Paulus vor den Stadtobersten,
indem sie ihn als einen Unruhestifter und politisch
gefährlichen Menschen hinstellten.
Beides war natürlich unwahr. Wohl war bei mancher Arbeit
des Paulus Unruhe entstanden, aber nicht durch seine,
sondern seiner Feinde Schuld, wie man dies gerade hier in
Thessalonich deutlich erkennen kann. Wohl lehrte er von
einem Königreich Jesu, aber nicht in dem politischen Sinn der
Anklage. Die Worte, welche der Neid ihnen eingab, waren also
boshafte Entstellung und gehässige Unwahrheit. Laßt uns nie
in die Fußstapfen dieser Verleumder treten.
Die Schrift warnt vielfach vor der Sünde der Verleumdung.
Sie sagt: ,,Du sollst kein Verleumder sein unter deinem Volk"
(3. Mose 19, 16). ,,Redet nicht Übles übereinander, liebe
Brüder" (Jakobus 4, 11). ,,Ein böser Mund wird kein Glück
haben auf Erden" (Psalm 140, 12). (Vergleiche 2. Mose 20,
16; Epheser 4, 25; Römer 1, 30).
In Davids Umgebung durfte niemand sein, ,,der seinen Nächsten
heimlich verleumdet" (Psalm 101, 5).
Der himmlische Davidssohn wird solche noch weniger in seiner
Gemeinde dulden. Bei seinem Volk bleiben zuletzt keine
Doegszungen, die mit Lügen schneiden wie mit einem scharfen
Schermesser (Psalm 52, 4), auch keine Nachfolger des
Diotrephes, der mit bösen Worten wider Johannes plauderte (3.
Johannes 10). Nur ,,wer mit seiner Zunge nicht verleumdet",
wird nach Psalm 15, 3 Heimatrecht auf dem heiligen Berge der
bleibenden Gottesgemeinschaft behalten.
Die dritte Sünde der Feinde: Andauernder Haß.
Die neidischen Verleumder in Thessalonich brachten es fertig,
daß Paulus von Thessalonich weichen mußte. Er reiste nach
Beröa. Man hätte denken können, daß sie sich nun beruhigt
und Paulus für die Zukunft nicht mehr belästigt hätten.
Aber das war nicht der Fall. Ihre Wut gegen diesen Zeugen
schlief auch nach dessen Abreise nicht ein. Als sie von der
Verkündigung des Evangeliums in Beröa hörten, eilten sie auch
dorthin, um die Arbeit des Paulus zu hindern. Aus dieser
ihrer Reise nach Beröa können wir die Nachhaltigkeit ihres
Hasses gegen Paulus erkennen. Wie tief hatte sich doch der
Groll gegen ihn in ihrem Herzen festgesetzt!
Auch dieser Anblick weist uns auf eine Sünde hin, vor der
sich niemand sicher wähnen soll. Welchen Schaden hat doch
ein tief im Herzen wurzelnder Haß schon angerichtet, auch
wenn es äußerlich nicht zu solchen Ausbrüchen gekommen ist
wie bei jenen Widersachern von Thessalonich. Wie gefährlich
ist die bittere Wurzel (Hebräer 12, 15), die oft durch eine
Kleinigkeit im Herzen entstehen kann! Es gibt nur einen Haß,
der erlaubt ist, ja sogar geboten ist. ,,Die ihr den Herrn
liebet, hasset das Arge" (Psalm 97, 10; Römer 12, 9). Hassen
wollen wir alle falschen Wege (Psalm 119, 104. 128). Hassen
wollen wir den vom Fleisch befleckten Rock (Judas 23), aber
niemals einen Mitmenschen, auch wenn er eine ganz andere
Überzeugung hat als wir (3. Mose 19, 17; Psalm 34, 22).