Apg 16,35
A.Christlieb
Pauli Entlassung aus dem Gefängnis.
Apostelgeschichte 16, 35 - 40.
Wie freundlich sorgt doch Gott für seine Knechte! Während
Paulus im Gefängnis sich mit Gebet und Seelenrettung
beschäftigt, sorgte Gott für seine Freilassung. Er brauchte
selber nichts zu tun, um frei zu werden. Die Hauptleute
sandten ohne menschliche Anregung am frühen Morgen den Befehl
zur Freilassung der Apostel.
Laßt uns daraus lernen, daß niemand Gottesknechte länger
plagen darf, als Gott es zuläßt.
Wie kamen die Hauptleute dazu, ihre Meinung zu ändern?
Gestern glaubten sie ja noch, man müsse diese Menschen aufs
schärfste züchtigen und aufs strengste verwahren. Heute sind
sie der Ansicht, man müsse sie freilassen. Sind sie durch
eine Beschwerdeschrift Pauli dazu gekommen? Hat Lydia
ihnen Bescheid gesagt? Nein. Aber das starke Erdbeben der
Nacht hat ihnen einige heilsame Gedanken gebracht. Die
großmächtigen Herren hatten in der Nacht etwas von einer
höheren Gewalt vernommen. Schon der erste Erdstoß hatte
lähmendes Entsetzen geweckt. Die Angst vor Wiederholung ließ
sie nicht mehr ruhen. Der nächste Stoß konnte sie das Leben
kosten! Sie kamen, wie eine Lesart sagt, auf dem Markt
zusammen, um wegen des Erdbebens zu beraten.
Nun wußten sie ja nicht, daß sie einen Boten des allmächtigen
Gottes angetastet hatten, aber gewiß wußten sie soviel, daß
sie wehrlose Fremdlinge sehr roh behandelt und ohne
regelrechtes Verhör verurteilt hatten.
Angesichts der Ewigkeit mag der Entschluß schnell in ihnen
gereift sein: Wir wollen wieder gutmachen, was wir gestern
durch übergroße Schärfe vertan haben.
Nun, das war nicht verkehrt. Aber die Erschütterung
dieser Herren ging doch nicht tief genug. O, wieviel
oberflächliche Erschütterung gibt es besonders bei
schreckhaften Geschehnissen. Laßt uns nicht bei
oberflächlichem ,,Wiedergutmachen" stehenbleiben wie
diese Beamten! Ginge es doch bei uns wie bei dem
Kerkermeister durch eine ganz tiefe Erschütterung und
dann durch eine völlige Erneuerung.
Der Kerkermeister hat auch Großes erlebt. Er schaute Gottes
treue Fürsorge für seinen Apostel. Der Stockmeister durfte
selber Paulus freilassen! Nachdem Paulus ihm die ewige
Freiheit in Christo gebracht hatte, durfte er seinem
geistlichen Vater die zeitliche Freiheit künden! Er
erlebte, wie Gott sich um die Seinen kümmert, und wie
Er auch mächtigen Menschen das Herz lenken kann.
Solche Erfahrungen gaben ihm Kraft für die kommende Zeit,
wo er ohne Paulus weiter glauben mußte!
Paulus lehnte indessen die heimliche Ausstoßung ab und erbat
öffentliches Geleit durch die Beamten! Weshalb? War es
gekränkter Stolz oder Eigenliebe? Dann hätte Paulus oft
vielerlei Geleit erbitten müssen! Ach nein! Er sah darauf,
was für die Hauptleute, und vor allem für die junge
Christenschar gut war. Ein guter Ruf, auch vor der Welt,
macht dem Worte Gottes Bahn.
Nicht als fliehender Verbrecher, sondern als tröstender Vater
sollte Paulus die erste Station in Europa verlassen. Wohl
uns, wenn wir solche Spuren an den Orten unserer Wirksamkeit
zurücklassen.