Apg 16,18
A.Christlieb
Die Stellung Pauli zur Wahrsagerin.
Apostelgeschichte 16, 18; (1. Johannes 2, 20. 26 - 27;
4, 1).
Bei der Stellung Pauli zur wahrsagenden Magd wollen wir
beachten: Sein Empfinden ihr gegenüber, sein Tragen und sein
Eingreifen.
Pauli Empfinden bei der Wahrsagerin.
Was empfand Paulus dieser Person gegenüber? Mancher hätte
eine gewisse Freude oder gar Stolz bei ihm erwarten können,
weil er hier ganz unerwartet eine Anerkennung seiner
Wirksamkeit fand. Aber wir finden weder frohe noch stolze
Gefühle bei Paulus, sondern Schmerz. Dieser Schmerz ist ein
Beweis für den göttlichen Scharfblick und für den gesunden
Prüfgeist des Paulus. Er empfand sofort etwas Fremdes, das
ihn abstieß und nicht ruhig werden ließ bei der sich
wiederholenden Annäherung und lauten Anerkennung dieser
Person.
Wie einst Nehemia bei dem scheinbar recht wohlwollenden Rat
des Propheten Semaja, in den Tempel zu flüchten, gleich
,,merkte, daß ihn Gott nicht gesandt hatte" (Nehemia 6, 12),
so spürte Paulus bei den empfehlenden Worten dieser Magd, daß
solche Anerkennung nicht von oben stamme.
Solchen Prüfgeist brauchen auch wir. Je mehr wir in inniger
Gemeinschaft mit Jesu leben, je mehr wir uns von seinem Geist
durchdringen lassen, desto mehr kann der Herr uns dieses
Unterscheidungsvermögen geben, daß wir von ungöttlichen
Erscheinungen abgestoßen, dagegen von allem, was göttlicher
Art ist, angezogen werden. Wohl uns, wenn wir uns dieses
zarte, richtige Empfinden in reichem Maße schenken lassen
durch die Salbung von dem, der heilig ist (1. Johannes 2,
20).
A.Christlieb
Pauli Warten bei der Wahrsagerin.
(Sprüche 14, 29; 16, 32; Offenbarung 14, 12; Jakobus 1, 2 -
4; Hebräer 10, 36).
Aus dem Verhalten Pauli bei der Wahrsagerin können wir große
Weisheit lernen. Sie besteht in dem g e d u l d i g e n
T r a g e n und in dem W a r t e n a u f G o t t e s
S t u n d e.
Die Magd durfte ihr Nachlaufen und Rufen ungehindert manchen
Tag fortsetzen, obwohl es dem Paulus sehr unangenehm war.
Wie lange sie es so trieb, wissen wir nicht genauer, nur
dieses steht fest, daß Paulus es sich eine Anzahl Tage
gefallen ließ, ohne gegen diese Belästigung einzuschreiten.
Weshalb griff Paulus nicht sofort ein? Weshalb dauerte es
manchen Tag, bis er ihr endlich das üble Handwerk legte?
Paulus wußte, daß er im Kampf mit falschen Geistern nicht
nach seiner Willkür und nach eigenem Wunsch und Ermessen
handeln durfte. Wenn er mit göttlicher Vollmacht jenen
fremden Geist austreiben wollte, mußte er so lange warten,
bis er des göttlichen Auftrages gewiß war. Nur dann konnte
er ,,im Namen Jesu", d. h. in voller Übereinstimmung mit
dem Willen Jesu dem Geiste gebieten, auszufahren.
Hier laßt uns von Paulus lernen. Wie oft mischt sich bei
unangenehmen Belästigungen im Privatleben oder im Dienst des
Herrn unsere eigene Ungeduld in unsere Stellung hinein und
treibt uns an, möglichst bald, ohne auf Gottes Stunde zu
warten, die Entfernung der Unannehmlichkeit erzwingen zu
wollen. Die Folge ist dann, daß wir ohne göttliche
Beglaubigung in eigener Kraft gegen die Unannehmlichkeit
kämpfen und sie doch nicht fortschaffen können. Wenn wir
aber wie Paulus so lange warten würden, bis wir ,,in Jesu
Namen", d. h. mit innerer Erlaubnis und Vollmacht, dagegen
auftreten können, dann würden wir nicht zuschanden werden,
sondern seine Kraft und seinen Beistand rechtzeitig erfahren.
A.Christlieb
Pauli Eingreifen bei der Wahrsagerin.
(Matthäus 10, 1; Markus 16, 17).
Laßt uns bei dem Eingreifen Pauli gegenüber der Wahrsagerin
auf dreierlei achten:
1. A n w e n w a n d t e sich Paulus?
Hat er sich etwa an die Magd gewandt und diese mit Vorwürfen
überhäuft und ihr das Ungehörige ihres Rufens vorgehalten?
Damit wäre nichts erreicht worden. Paulus hatte die
Überzeugung, daß nicht die arme Magd, sondern der fremde
Wahrsagergeist, der von ihr Besitz genommen hatte, an dem ihm
so wehtuenden Verhalten schuld sei. Deshalb wendet er sich
gegen diesen. G ö t t l i c h e A r t i s t e s i m m e r ,
d a s Ü b e l b e i d e r W u r z e l a n z u f a s s e n.
2. W i e wandte sich Paulus gegen den Wahrsagergeist?
Knechte Gottes pflegen nicht befehlshaberisch und
gebieterisch aufzutreten. Auch wo sie gebieten könnten,
beschränken sie sich auf Liebe und Demut, lieber auf Bitten
und Ermahnen (Philemon 8 und 9). Aber es gibt einen Fall,
wo kein zartes Bitten und Ermahnen am Platz ist. Wo Jesus
gebietend auftrat (Markus 1, 27 und 9, 25), da mußte auch
sein Knecht, der in seinem Namen und Auftrag handelte,
dasselbe tun. Hatte doch auch Jesus seinen Jüngern im
Blick auf die unsauberen Geister den Befehl gegeben, sie
,,auszutreiben". Dieser Ausdruck beweist, daß in solchem
Fall nicht Zartheit, sondern Festigkeit hervortreten muß.
3. M i t w e l c h e m E r f o l g wandte sich Paulus
gegen den Wahrsagergeist?
Letzterer gehorchte und verließ die Magd zur selbigen Stunde,
so daß diese geheilt und befreit weiterleben konnte, und das
Nachschreien für Paulus aufhörte. Wer in göttlichem Auftrag
handelt, der hat große Macht, auch wenn er, wie Paulus,
äußerlich ein schwacher Mensch ist.