Apg 15,5
A.Christlieb
Eine beachtenswerte Gruppe der Konferenz.
Apostelgeschichte 15, 5.
1. G l ä u b i g e P h a r i s ä e r .
Unser Vers zeigt uns einen sehr erfreulichen Anblick. Er
erwähnt eine Anzahl Pharisäer, die an Jesus gläubig geworden
waren.
Laßt uns unser Herz erquicken an dem Ausdruck: ,,Es traten
Pharisäer auf, die gläubig geworden waren ". Wie verschieden
sind doch die Mitgenossen am Reich Gottes! Da finden sich
nicht nur Betrüger wie Zachäus, Raubmörder wie der Schächer,
Huren wie Rahab, es gibt auch Pharisäer, die gläubig geworden
sind.
Wer hätte das früher von solchen Leuten gedacht, daß man
manche von ihnen bei den Jüngern Jesu wiederfinden werde?
Wenn wir die Pharisäer zur Zeit Jesu näher anschauen, so sind
wir geneigt, an der Bekehrungsmöglichkeit derselben ganz zu
verzweifeln. Welch eine geizige (Lukas 16, 14), ehrsüchtige
(Matthäus 23, 6. 7), selbstgerechte (Lukas 18, 11), oft
heimtückische (Matthäus 22, 15 - 17) Gesellschaft war dies!
Wie suchten sie des Heilands Arbeit immer wieder zu stören
und zu schädigen! Und siehe da: Der, dem die Starken zum
Raube fallen sollen, empfängt auch aus dieser Menschenklasse
eine Anzahl zu seiner Beute!
Wie sollte dies einerseits den Jüngern Jesu Mut
machen, niemanden, auch nicht den hochmütigsten und
selbstgerechtesten Menschen aufzugeben. Wie sollte es
andererseits den Unbekehrten Mut machen, zu denken: ,,Wenn
diese Pharisäer zum lebendigen Glauben kamen, so will ich
nicht hinter ihnen zurückbleiben! Sie haben sich den
festsitzenden Rock der eigenen Gerechtigkeit ausziehen
lassen; ich will den meinigen nicht anbehalten. Sie haben
sich durch die Feindschaft ihrer Standesgenossen nicht
abschrecken lassen, sich der kleinen Herde anzuschließen; ich
will mich durch etwas Spott nicht mehr zurückhalten lassen".
Möchten noch viele in die Reihe dieser gläubig gewordenen
Pharisäer eintreten und bekennen: ,,Auch ich bin derselbigen
einer."
2. D i e S c h w ä c h e d e r g l ä u b i g e n
P h a r i s ä e r.
Nachdem Paulus von der Bekehrung der Heiden erzählt hatte,
traten die gläubigen Pharisäer auf und verlangten, daß man
die bekehrten Heiden beschneide und ihnen das Halten der
mosaischen Gesetze zur Pflicht mache. Diese Forderung
beweist, wie schwer die Pharisäer die alten pharisäischen
Anschauungen bis zum letzten Rest ablegen konnten. Ein Stück
vom alten Pharisäer wollte auch im Gnadenstand bei ihnen am
Leben bleiben.
Gewiß meinten es die Pharisäer mit ihren Worten gut und
glaubten, auf diese Weise die Heidenchristen in die richtigen
Bahnen zu bringen. Und doch war ihre Forderung unrichtig.
Sie verlangten, daß Christen, die von Gott ganz anders
geführt waren, genau dieselbe äußere Form annehmen sollten
wie sie. Damit fügten sie dem sanften Joch des Heilandes ein
schweres eigenes hinzu (V. 10), und unbemerkt gerieten sie
wieder in das alte pharisäische Fahrwasser, das sie doch
verlassen haben wollten. Sie dankten zwar nicht Gott wie
früher, ,,daß sie nicht seien wie andere Leute", aber sie
meinten doch, es würde im Reich Gottes erst dann richtig
stehen, wenn alle anderen Leute sich genau so verhielten wie
sie selbst. Sie ließen zwar nicht wie früher ,,dahinten das
Schwerste im Gesetz, nämlich die Barmherzigkeit" (Matthäus
23, 23), aber sie waren doch etwas unbarmherzig gegen die
Brüder aus den Heiden. Waren sie früher fern von Christus
besonders engherzig und einseitig, so drohten sie jetzt als
Christen derselben Gefahr anheimzufallen.
Man merkt, daß es auch bei den gläubig gewordenen Pharisäern
dringend not tat, daß der alte Pharisäer im Herzen täglich in
den Tod hineinkam, damit er nicht wieder neue Macht bekam.
Der Herr gebe uns viele Pharisäer, die gläubig werden; aber
er reinige auch die gläubigen Pharisäer von allem, was ihnen
vom alten Menschen noch ankleben will.