Apg 14,20
A.Christlieb
Der Leidensweg der Apostel in Lystra.
Apostelgeschichte 14, 19 und 20.
In Lystra gingen die Apostel keinen leichten Weg. Es gab
dort eine schwere Probe und ein ernstes Leiden. Laßt uns bei
diesem Leidensweg in Lystra auf dreierlei achten:
1. Das Leiden war verschieden verteilt.
Es war ein verschieden verteiltes Leidensmaß. Nicht beide
Apostel bekamen es gleich schwer. Nur Paulus wurde
gesteinigt. Barnabas blieb verschont.
Wir sehen hier die Tatsache, daß der eine schwerer geführt
wird wie der andere. Mancher bekommt ein besonders reiches
Maß von Trübsalen und muß mehr durchmachen als andere.
Dürfen wir deshalb Gott Ungerechtigkeit vorwerfen? Haben wir
ein Recht zu verlangen, daß er uns nicht schwerer auflege als
diesem oder jenem? Nimmermehr! Er gibt einen Jakobus dem
Schwert des Herodes hin, daß er den Märtyrertod stirbt, und
errettet einen Petrus in derselben Christenverfolgung (Kap.
12, 1 - 9). In der Geschichte der Glaubenshelden (Hebräer
11) sehen wir, wie er die einen aus Löwenrachen, Krankheit,
Feuersnot usw. befreit. Die andern läßt er zerschlagen
werden, Spott, Geißelhiebe, Gefängnis, Hunger, Not, Trübsal
und Tod leiden (Hebräer 11, 32 - 38). Hier gibt er einen
Paulus der wütenden Volksmenge in Lystra preis und deckt
einen Barnabas gnädig an irgendeinem geschützten Platz.
Er handelt darin nicht ungerecht. Dem Mann, der sein
auserwähltes Rüstzeug war (Kap. 9, 15), den er wie kaum
jemals einen anderen zum Segen setzte, legte er auch ein ganz
besonders Leidensmaß auf, das nicht jeder hätte tragen können
(Kap. 9, 16). Zu besonderen Bevorzugungen gehören besondere
Demütigungen.
Niemand hadere wider Gott, wenn der eine leichter, der andere
schwerer geführt wird (Jesaja 45, 9; Jeremia 18, 1 ff.).
2. Das Leiden war mit Erquickung verbunden.
Ein zweiter Punkt, den wir bei dem Leidensweg der Apostel in
Lystra beachten wollen, ist der, daß es ein mit Erquickungen
verbundenes Leiden war. Gewiß war es für Paulus nicht
leicht, unter den Steinwürfen der Menge still auszuhalten
und endlich bewußtlos zusammenzubrechen. Gewiß war es für
Barnabas schwer, in banger Sorge um seinen treuen Mitarbeiter
harren zu müssen, ohne helfen zu können. Aber doch durften
beide in diesen Tagen und Stunden auch Freude erleben. Es
gab nicht nur wütende Feinde in Lystra, sondern auch treue
Jünger, die zu dem gesteinigten Paulus, sobald dies möglich
war, hinzueilten und ihn in liebender Fürsorge umgaben.
Das Vorhandensein von Jüngern ist ein Beweis dafür, daß das
gepredigte Wort Frucht gebracht hatte. Die Apostel hatten es
also auch in Lystra erleben dürfen, daß eine (uns nicht näher
angegebene) Zahl von Heiden das Evangelium angenommen hatten
und an Jesus gläubig geworden waren. Sie durften sehen, wie
ihr Glaube sich jetzt in der Verfolgungsnot in praktischer,
fürsorglicher Liebe bewies.
Welch eine Freude ist es für Gottesknechte, wenn sie etwas
davon schauen dürfen, daß ihre Arbeit nicht umsonst war!
Die größte Erquickung in dieser Leidensstunde bestand
aber darin, daß Gottes gnädiger Schutz den Paulus vor dem
drohenden Tod bewahrte. Welch eine Freude muß es gewesen
sein, als Paulus die Augen wieder aufschlug, sich von den
Jüngern umgeben sah, und fähig war, seine Glieder zu bewegen
und zu gehen.
Laßt uns den Herrn preisen, der den Seinen nicht nur Leiden
und Trübsale, sondern auch Labsale und Erquickungen auf ihrem
Dornenpfad gibt! (Kap. 18, 9 - 11; 27, 23 - 25; 28, 10 -
15; Psalm 23, 3; Psalm 94, 19).