Apg 14,4
A.Christlieb
Die Spaltung in Ikonien.
Apostelgeschichte 14, 3. 4.
Unser Text erzählt uns von einer großen Spaltung, die in der
Stadt Ikonien entstand. Sie soll uns beschäftigen. Laßt uns
auf ihre Entstehung, ihren Umfang und die nähere Beschreibung
der zwei gegnerischen Lager achten.
1. Wie entstand diese Spaltung?
Es gibt allerlei falsche, durch menschliche Sünde, Ungeduld,
Hochmut und dergleichen hervorgerufene Spaltungen. Mit
solchen hat diese in Ikonien nichts zu tun. Die hier
geschilderte Spaltung wurde in keiner Weise durch Menschen
gemacht. Sie entstand vielmehr durch göttliches Wirken: Als
Gott ,,das Wort seiner Gnade bezeugte" und bekräftigte, da
entstand eine Scheidung der Geister (V. 3. 4). Solche
Spaltung ist gut und richtig. Sie m u ß nach dem Wort Gottes
eintreten (Matthäus 10, 34 - 36). Dagegen ist jede durch
menschliche Torheit hervorgerufene Spaltung vom Übel.
2. Welchen Umfang nahm die Spaltung an?
Sie erstreckte sich nicht etwa nur auf einzelne kleinere
Kreise. Sie ging durch die ganze Stadt (,,die Menge der
Stadt spaltete sich"). Die ganze Einwohnerschaft, Hohe und
Niedrige, Reiche und Arme, Gebildete und Ungebildete wurden
zur Stellungnahme gegenüber dem Christentum genötigt. In
jener Zeit waren es nicht politische oder wirtschaftliche
Fragen, die alle Gemüter in erster Linie bewegten, sondern
überall stand die Frage im Vordergrund: ,,Was dünkt euch um
Christus" (Matthäus 22, 42).
Welch eine Macht ist doch das Wort Gottes! Wie kann es eine
ganze Stadt durchdringen und bewegen, so daß keiner sich ihm
entziehen kann!
3. Die beiden gegnerischen Lager.
a ) D i e A n h ä n g e r d e r J u d e n .
Es ist ergreifend, darüber nachzudenken, warum die Massen
der Stadt sich teils auf die falsche, teils auf die richtige
Seite schlugen.
Ein menschliches Sprichwort lautet: ,,Sage mir, mit wem du
umgehst, so will ich dir sagen, wer du bist". Bei der großen
Erweckungsbewegung in Ikonien hätte man sagen können: ,,Sage
mir, mit wem du umgehst, so will ich dir sagen, ob du auf dem
richtigen oder falschen Weg bist".
Zweierlei Führer erwählten sich die Bewohner der Stadt. Laßt
uns zuerst diejenigen betrachten welche sich den falschen
Führern anschlossen (,,Etliche hielten es mit den Juden").
Welch eine Verblendung gehörte doch dazu, sich auf die Seite
der evangeliumsfeindlichen Juden zu schlagen, die ihren
Charakter schon gezeigt hatten, als sie ,,die Seelen der
Heiden gegen die Brüder entrüsteten" (V. 2)! Welch ein
gehässiger Geist wurde damals schon bei ihnen offenbar!
Dennoch schloß sich ein großer Teil der Stadt diesen Männern
an! Blind waren sie für die offenkundigen Fehler ihrer
Anführer, blind für die Herrlichkeit des Evangeliums, das sie
abwiesen, blind auch für die Wichtigkeit und Tragweite ihrer
Entscheidung, die sie durch den Anschluß an diese Führer
trafen.
Dieselbe Verblendung zeigt sich mitten in der Christenheit
bei allen, die sich den Feinden des wahren Glaubens
anschließen (2. Korinther 4, 3. 4).
b) D i e A n h ä n g e r d e r A p o s t e l .
Neben der falschen gab es in Ikonien eine richtige Seite.
Sie bestand aus all denen, die ,,es mit den Aposteln
hielten". Es war in jener Stadt damals nicht ganz einfach
und leicht, es ,,mit den Aposteln zu halten", denn es hatte
sich dort bereits eine starke Feindschaft gegen diese Zeugen
Jesu geltend gemacht (V. 2). Wer auf ihre Seite trat, mußte
sich darauf gefaßt machen, an ihrer Schmach und Verfolgung
Anteil zu bekommen. Dennoch wagten es viele, sich offen zu
ihnen zu bekennen (Psalm 119, 63).
Was bewog sie dazu? In einer gut bezeugten alten Lesart
lautet unser Text etwas vollständiger: ,,Etliche hielten es
mit den Aposteln um des Wortes Gottes willen". Wir sind für
diese Zusatzworte außerordentlich dankbar, denn sie zeigen
uns den inneren Beweggrund derer, die sich auf die Seite der
Apostel stellten. Nicht weil sie an Menschen hingen und die
hochbegabten Prediger bewunderten, handelten sie so, sondern
weil die innere Wahrheit und Echtheit ihrer Botschaft sie
überführt und angezogen hatte. Das ,,Wort seiner Gnade", das
die Apostel predigten (V. 3), hatte es ihnen angetan. Wäre
die Christengemeinde zu Ikonien nur eine Schar von Menschen
gewesen, die sich für die Apostel begeistert hätte, so wäre
sie bald wieder zerfallen. Nun sie aber durch das Wort
gewonnen waren, dessen Kraft Gott an ihnen bezeugt hatte,
und sich auf dieses Wort gründeten, konnte keine Höllenmacht
sie zerstören (Matthäus 16, 18; Lukas 22, 28. 29).
Die Folgen dieser verschiedenen Stellungnahme.
Wir können zwar niemanden mit unserer Macht von der
falschen Seite weg auf die richtige hinüberziehen. Aber wir
können doch jedem zu bedenken geben, welche Folgen seine
Stellungnahme bei der großen Scheidung der Geister nach sich
zieht. Als sich damals in Ikonien der eine Teil auf die
Seite der Juden, der andere auf die der Apostel stellte,
hatte das für jeden einzelnen neben anderem dreierlei
wichtige Folgen:
1. Jeder einzelne stellte sich durch seine Entscheidung
unter den täglichen Einfluß der betreffenden schlechten oder
guten Führer, und er wurde durch dieselben entweder innerlich
geschädigt oder gefördert. Die, welche es ,,mit den Juden
hielten", wurden durch dieselben von deren gehässigem,
evangeliumsfeindlichem Geist angesteckt und mit demselben
mehr und mehr erfüllt (1. Korinther 15, 33). Die, welche es
,,mit den Aposteln hielten", nahmen durch diesen Anschluß die
inneren Heils- und Segenskräfte des von ihnen gepredigten
Wortes täglich in sich auf. Welch ein Schade war dies auf
der einen, und welch ein Gewinn auf der anderen Seite!
(Sprüche 22, 24. 25; 26, 4. 5).
2. Eine zweite Folge des Anschlusses an die falsche oder
gute Seite bestand darin, daß der Einzelne entweder die
schlechte oder die gute Seite in seiner Stadt stärkte und
mehrte und dadurch zum Unsegen oder Segen derselben beitrug.
Alle die, welche sich auf die Seite der Juden stellten,
halfen mit dazu, daß bald darauf ein Verfolgungssturm gegen
die Apostel entstand (V. 5), und das Wort Gottes von ihnen
nicht mehr wie bisher in Ikonien gepredigt werden konnte.
Alle, welche sich zu den Knechten Jesu bekannten, trugen dazu
bei, daß sich die Segenskräfte des Evangeliums an diesem Ort
ausbreiteten. Wer seine Heimat liebhat und ihr Bestes will,
der prüfe doch, ob er die zersetzenden Einflüsse eines
gehässigen Geistes oder die aufbauenden Kräfte des
Evangeliums in derselben stärken will.
3. Noch eine dritte Folge laßt uns bedenken: Die einzelnen
Einwohner Ikoniens wurden, je nachdem sie sich den Juden oder
den Aposteln anschlossen, auf den Weg und zu dem Ziel der
betreffenden Führer mit hingezogen. Wer es mit den Gegnern
der Apostel hielt, trat damit, ohne es zu wissen, in die
Reihen der Feinde dessen ein, der die Apostel gesandt hatte.
Das war ein gefährlicher Weg, mit einem furchtbaren Ziel!
Wer es mit den Aposteln hielt, schlug damit auch die Richtung
des von ihnen gezeigten Weges ein. Er schloß sich nicht nur
guten menschlichen Führern an, sondern auch dem rechten
himmlischen Führer, dessen Weg und Ziel das beste ist. Wer
will die Wichtigkeit der damals in Ikonien getroffenen
Entscheidungen ausdenken! Wohl uns, wenn wir auf der
richtigen Seite erfunden werden, wo man sich zum Wort Gottes
und nicht zu seinen Feinden hält (Psalm 1, 1).