Apg 12,22
A.Christlieb
Herodes tat eine Rede zu dem Volk. Das Volk aber rief zu:
,,Das ist Gottes Stimme und nicht eines Menschen!" Apg. 12,
22
Herodes besaß ein einzigartiges Prachtgewand. Es war mit
echten Gold- und Silberfäden durchwoben und funkelte herrlich
im Glanz der leuchtenden Sonne. In diesem Königsmantel ließ
er sich nieder auf seinen Thronsessel, tat seinen Mund auf
und hielt eine große Rede an das Volk. Die Pomp- und
Prachtentfaltung des Hofstaates, die gewiß nicht fehlende
rauschende Musik und ganz besonders der Leuchtglanz des
Königsmantels wirkte so bezaubernd auf die Masse des Volkes,
daß zum Schluß der Rede alles aufschrie: ,,Das ist Gottes
Stimme und nicht eines Menschen!" - Wir wenden uns wohl mit
Abscheu weg von solcher Lästerung feiler Schmeichler. Aber -
prüfen wir uns wohl, ob nicht das Blendwerk äußeren Scheines,
ob nicht die Amtsgewänder weltlicher oder geistlicher
Amtsträger bestrickende Gewalt auch auf uns ausgeübt haben!
- Der Hebräerbrief ist an Christen gerichtet, denen der
schlichte, einfache christliche Gottesdienst nicht mehr
genügte. Sie neigten dazu, zurückzukehren zum
alttestamentlichen Kult, der mit seinem äußeren Beiwerk
den menschlichen Sinnen allerlei Nahrung gab. -
Gibt es nicht heutigentags in der evangelischen Kirche genug
Menschen, die in Gefahr sind, sich auf ähnliche Abwege zu
verirren? Demgegenüber laßt uns klare Augen und ungetrübtes
Urteil behalten. Alles was die menschlichen Sinne bestrickt
und fesselt, kann wohl - wie hier bei dem Hoffest des Herodes
- menschliche Begeisterung hervorrufen. Nie aber kann durch
solche Mittel e c h t e r G l a u b e geweckt werden, der
sich im Feuer der Anfechtung bewährt. Glänzende Gewänder und
prächtige Aufmachung dürfen uns niemals blenden und bestechen
und aus der biblischen Nüchternheit herauslocken. - Selbst
einem Samuel mußte Gott einmal zurufen (1. Sam. 16, 7):
,,Sieh nicht an seine Gestalt noch große Person!" - Wieviel
mehr müssen wir da auf der Hut sein!
A.Christlieb
Das Volk rief zu: ,,Das ist Gottes Stimme und nicht eines
Menschen." Apg. 12, 22
Niemand wird sagen, das Volk habe in Wirklichkeit Herodes
für einen Gott gehalten. Sie wollten ihm nur in
überschwenglicher Weise huldigen und ihre Verehrung bezeigen.
Aber gerade in solchen Stunden, wo berauschende Stimmung
einen mit wegreißen möchte, gilt es besonders, die zarten
Grenzen der Wahrhaftigkeit sorgsam innezuhalten (1. Joh.
2, 21; Ps. 15, 2; Hiob 27, 4; Spr. 8, 7 ff.; Apg. 26, 25).
Hören wir einen Gottesknecht, dessen Worte großen Eindruck
auf uns machen - laßt uns ihm nicht mehr sagen, als heilsam
ist. Ebenso wollen wir uns auch vor wegwerfenden und
herabsetzenden Worten hüten bei Menschen, die unserem
Geschmack zuwider sind oder uns irgendwie geschädigt haben.
Die Wahrheitsgrenze muß allezeit sorgsam innegehalten
werden! - Die Schmeichler haben indes dem Herodes noch mehr
geschadet als sich selber. Sie trieben ihn geradezu auf den
Verderbensweg. - Welchen Schaden hat die Schmeichelei schon
in den Seelen anderer Menschen angerichtet. Wie manches
Mädchen ist vergiftet durch Schmeichelworte! Wie mancher
Künstler strandete daran wie an einem Riff. Prediger
sind von der Bahn des Segens abgeirrt und buchstäblich im
I r r e n h a u s gelandet! Fürsten sind durch Schmeichelei
verderbt worden. Nicht umsonst betete der alte Evangelist
Schrenk, Gott möge ihn bewahren vor solchen, die ihm mit dem
Weihrauchpfännchen nachliefen! - Wahre Förderung des inneren
Lebens zeigt sich darin, daß wir tiefer in die geistliche
Armut und Demut hineinkommen. - Die Reden der f a l s c h e
n Propheten klangen immer aus in Schmeicheleien; die der
w a h r e n Propheten glichen dem Messer des Arztes, der
tief ins faule Fleisch hineinschneidet. Der Redner Tertullus
konnte (Apg. 24, 1 ff.) dem ehebrecherischen, geldgierigen
Landpfleger Felix Schmeicheleien sagen. Wir Christen wollen
tun wie ein Nathan oder ein Paulus, der von sich (1. Thess.
2, 5) sagt: ,,Wir sind nie mit Schmeichelworten umgegangen."
A.Christlieb
Die Schmeichler des Herodes
Apostelgeschichte 12, 22
»Das Volk aber rief: Das ist Gottes Stimme und nicht eines
Menschen!«
Diese Schmeichelworte rief das Volk dem König Herodes zu,
als er einer Gesandtschaft aus Tyrus und Sidon eine Audienz
gewährte und ihnen eine Rede hielt. Eine dreifache Verirrung
tritt uns darin entgegen:
1. Sie lassen sich durch Äußerlichkeiten blenden
Wir lesen in V. 21, daß Herodes das königliche Gewand
angezogen und sich auf den Richtstuhl gesetzt hatte. Solch
ein Kleid war gold- und silberdurchwirkt und schimmerte
im Glanz der Sonne. Die Volksmenge wurde durch die große
Aufmachung, durch all den auf die Sinne wirkenden Glanz
und Pomp derartig hingerissen, daß sie die törichten Worte
ausrief: »Das ist Gottes Stimme!«
Wir verurteilen mit Recht die Torheit dieses Ausrufes. Aber
prüfen wir uns selbst, ob nicht äußerer Schein und äußeres
Blendwerk bisweilen eine bestrickende Macht auf uns ausüben!
Es gibt noch vieles andere als das Prachtgewand von Herodes,
das Herzen und Sinne der Menschen fesseln und betören kann:
Reichtum, Schönheit, Begabung, Gelehrsamkeit, fromme
Sensation. Laßt uns dem gegenüber klare Augen und ein
ungetrübtes Urteil behalten! Was die Sinne bestrickt -
wie hier bei Herodes - kann wohl menschliche Begeisterung
hervorrufen, aber keinen Glauben wirken, der sich im Feuer
bewährt.
2. Sie überschreiten die Wahrheitsgrenzen
Es ist kaum anzunehmen, daß die jubelnde Volksmenge den König
Herodes in Wirklichkeit für einen Gott hielt. Sie wollte ihm
nur in überschwenglicher Weise huldigen und ihre Verehrung
bezeugen.
Gerade in solchen Stunden, wo allerlei berauschende
Stimmungen uns fortreißen, achten wir oft zu wenig auf die
zarten Grenzen der Wahrhaftigkeit. Wenn uns irgendein
Mensch, unter Umständen auch ein gesegneter Gottesknecht,
besonderen Eindruck macht, so nimmt uns die menschliche,
natürliche Begeisterung leicht so stark gefangen, daß wir ihn
höher einschätzen und auch kräftiger loben, als es recht ist.
Wir gehen dann in den lobenden und erhebenden Ausdrücken
leicht zu weit. Ebenso wie wir in den verurteilenden,
herabsetzenden Worten bei Menschen, die unserm Geschmack
zuwider sind oder die uns auf irgendeine Weise schädigten,
oft viel zu weit gehen.
Diesen Irrweg der Überschreitung der Wahrheitsgrenzen
betraten die Schmeichler hier in besonders auffallender
Weise. Laßt uns weder in grober noch in feiner Weise in ihre
Fußstapfen treten!
3. Sie schaden der Seele eines Mitmenschen
Jene Schmeichler gerieten nicht nur für ihre Person in eine
unnüchterne Stellung. Sie schadeten auch einem andern. Es
ging ein Einfluß von ihren Worten aus, der den König in
seinem Hochmut bestärken und ihn von dem Rettungsweg der
Demut und Beugung immer weiter abziehen mußte.
Welchen Schaden richtet doch die Schmeichelei in den Seelen
an! Wie vergiftet sie junge Menschen! Wie sind Verkündiger
des Wortes Gottes dadurch von den Bahnen des Segens
abgekommen und auf Irrwege geraten! Wie sind Mächtige dieser
Erde dadurch verdorben worden!
Nicht umsonst pflegte der bekannte Evangelist Elias Schrenk
in seinen Gebeten die Bitte um Bewahrung vor dem »Weihrauch«
nicht zu vergessen. Jeder gesunde Einfluß ist daran zu
erkennen, daß er uns tiefer hinein führt in die geistliche
Armut. Bei der Schmeichelei ist das Gegenteil der Fall,
deshalb gehört sie zu den gefährlichsten Seelengiften. Ein
Tertullus, der dem ehebrecherischen, geldgierigen Landpfleger
Felix die anerkennendsten Lobesworte sagte (Apg. 24, 1 f.),
sollte nie in den Kreisen gläubiger Christen gefunden werden.
Die Reden der falschen Propheten in Israel waren mit
Schmeichelworten verbunden (Hes. 12, 24). Bei den wahren
Propheten hat man nie eine Schmeichelei gehört. Wer
innerlich weiterkommen will, der öffne lieber als einem
Tertullus einem Nathan das Ohr, der im Namen Gottes David
seine Sünde offenbarte (2. Sam. 12, 1-13). Und wer andern
zum Segen verhelfen möchte, der trete in die Fußstapfen des
Apostels, der »nie mit Schmeichelworten um gegangen« ist (1.
Thess. 2, 5)!