Apg 9,9
A.Christlieb
Das dreitägige Anhalten der Erblindung - eine Bewahrung vor
der Zerstörung, eine Demütigungs- und Geduldsschule.
Apostelgeschichte 9, 9.
Die Erblindung des Saulus konnte zunächst eine Anfechtung für
ihn bilden. Als Schriftgelehrter wußte er, daß der Messias
unter anderem auch ,,den Blinden die Augen ö f f n e n würde"
(Jesaja 61, 1. 2; 35, 5; Lukas 4, 18). Nun tat der Herr das
Gegenteil: Er machte den Sehenden b l i n d . Schien Jesus
nicht ein strenger, harter Mann zu sein? (Lukas 19, 21).
Dennoch lag gerade in dieser Erblindung ein besonderer Segen:
1. Z u n ä c h s t b e w a h r t e s i e i h n v o r
j e d e r Z e r s t r e u u n g .
Saulus zog als ein Blinder in Damaskus ein. Von aller Pracht
und allem Glanz dieser berühmten Weltstadt sah er nichts. So
gewiß wir ihm die Freude an dem Anblick der Ströme Amana und
Pharphar (2. Könige 5, 12) und anderer Schönheiten gegönnt
hätten, so müssen wir doch sagen: In dieser Entscheidungszeit
seines Lebens war es gut, daß er durch nichts abgelenkt wurde
von dem Einen, was not ist.
G e r a d e i n d e r B e k e h r u n g s z e i t i s t
g r ü n d l i c h e E i n k e h r d a s N ö t i g s t e .
Zu ihr konnte die Blindheit mithelfen. Wir wünschen niemand,
der in innerer Entscheidungszeit steht, eine leibliche
Erblindung. Aber wir wünschen einem jeden den Segen der
Bewahrung vor den tausend Zerstreuungen des Tages, wie Saulus
sie erlebte.
2. D i e Z e i t d e r E r b l i n d u n g w a r a u c h
e i n e D e m ü t i g u n g s s c h u l e . Die Unfähigkeit
zu sehen, machte Saulus zu einem hilflosen Mann, der ganz
auf andere angewiesen war. Vorher war er der Führer der
Reisegesellschaft gewesen. Seinem Befehl unterstanden alle
die anderen. Jetzt war er der Geführte. Wer den Einzug von
Saulus in Damaskus beobachtete oder ihn etwa blind in seinem
Quartier sitzen sah, der konnte nur mitleidig auf den blinden
Mann schauen, der sich an der Hand leiten lassen mußte. Auch
in anderen Fällen pflegt Gottes Weisheit bei der Bekehrung
der einzelnen dafür zu sorgen, daß wir Erniedrigungs- und
Beugungswege geführt werden. Laßt uns darüber nie murren,
sondern mit David dafür danken! (Psalm 118, 21; 119, 71).
3. D a s A n h a l t e n d e r E r b l i n d u n g w a r
a u c h e i n e G e d u l d s p r o b e f ü r S a u l u s .
Wir wollen suchen es ihm nachzufühlen, was es bei seinem
feurigen Temperament bedeutete, drei Tage und drei Nächte
nichts mehr sehen zu können und hilflos harren zu müssen, bis
endlich die Weisung kam, von welcher der Herr geredet hatte:
,,Dort wird man dir sagen, was du tun sollst" (V. 6). Nun
aber verging der erste Tag und die erste Nacht, und niemand
sagte ihm, was er tun sollte. Ebenso verging der zweite Tag
und die zweite Nacht. Keiner kam; erst nach drei Tagen kam
die Erfüllung jenes Heilandswortes durch Ananias. Das war
eine Geduldsschule für ihn.
In der Schule Jesu lernt man zunächst nicht große Kenntnisse,
sondern Stille, Demut und Geduld (Sprüche 16, 32; 14, 29;
Prediger 7, 8; Klagelieder 3, 26). Das ist die beste
Hochschule.
A.Christlieb
Das dreitägige Fasten des Saulus.
Apostelgeschichte 9, 9 b.
W a s b e d e u t e t das dreitägige Fasten des Saulus?
Jesus hat einmal das Fasten mit Leidtragen zusammengestellt
und beides als zusammengehörig bezeichnet. Auf die Frage,
warum seine Jünger weniger als die Johannesjünger fasteten,
antwortete er: Wie können die Hochzeitsleute L e i d
t r a g e n? (Matthäus 9, 14. 15). Das Fasten bedeutete
ein bußfertiges Leidtragen und Betrübtsein über die Sünde.
So haben wir uns auch den Saulus in jenen drei Tagen
vorzustellen, als einen Menschen, der bußfertig Leid trug.
Wie unterschied sich doch sein jetziges von allem bisherigen
Fasten! Als ein strenger Pharisäer hatte er ohne Zweifel
häufig gefastet. Aber es war weniger ein Leidtragen, als
vielmehr der Versuch, sich ein Verdienst zu erwerben und
seine Frömmigkeit zu beweisen. Jetzt aber war es ein
wirkliches Fasten und Leidtragen geworden. Jetzt trug er
Leid, daß er so lange in der Verblendung gelebt hatte, daß er
so viel Schaden angerichtet hatte, daß er den Herrn, der ihm
erschienen war, betrübt hatte. Ja, es gab viel Ursache für
Saulus zum Leidtragen.
Auch wir werden - wenn wir auch nicht so wie Paulus Christen
verfolgt haben - bekennen müssen:
,,Ach, daß ich dich so spät erkennet, du hochgelobte
Schönheit du, und dich nicht eher mein genennet, du höchstes
Gut und wahre Ruh! Es ist mir leid, ich bin betrübt, daß ich
so spät geliebt."
Wohl allen Herzen, bei denen solches Fasten und Leidtragen
gefunden wird! (Matthäus 5, 4; 1. Könige 21, 27 - 29; Jona
3, 5 - 10; Jesaja 58, 2 - 8).
C.Eichhorn
Die Gnade im Leben des Paulus (II)
Saulus war drei Tage nicht sehend und aß nicht und trank
nicht. Apg. 9, 9
Gebrochen lag der grimmige Verfolger zu Jesu Füßen. Er hatte
andere zittern gemacht und zitterte nun selbst. Doch war er
noch nicht innerlich zerbrochen. Entschlossen war er, den
Widerstand aufzugeben. Er nennt Jesus seinen Herrn. "Herr,
was willst du, daß ich nun tun soll?" Er will Jesu gehorsam
sein. Die Bekehrung besteht nicht im Gefühl, sondern in der
Auslieferung des eigenen Willens. Die Gefühle wechseln. Der
Wille aber ist etwas Stetes und Beharrliches. Saulus war des
Augenlichts beraubt und mußte geführt werden. Der starke
Mann, der die armen Christen als Schlachtopfer weggeschleppt
hatte, wurde nun selbst wie ein schwaches Kind an der Hand
geführt. Als Besiegter zieht er in Damaskus ein. Der für
ihn so wertvolle Empfehlungsbrief des Hohenpriesters wurde
zum wertlosen Papier. Drei Tage war es finster um ihn. Die
Blindheit wurde ihm zum Denkzettel. Er sollte sich diese
Begegnung mit Jesus nicht schnell wieder aus dem Kopf
schlagen. Durch die äußere Blindheit sollte ihm auch
die Finsternis seines Herzens zum Bewußtsein gebracht
werden. Endlich führte ihn Jesus dadurch in gänzliche
Abgeschiedenheit. Nun ging ein Gebetskampf an, durch den
Saulus erst zum Durchbruch gelangte. Er aß nicht und trank
nicht während der drei Tage. Alles, auch das Notwendigste,
mußte zurückstehen hinter der großen Hauptsache. - Was für
ein Kampf war es wohl, der in diesen Tagen in Sauls Seele
tobte! Das Schwerste war ihm der Gedanke: Was werden die
Obersten meines Volkes dazu sagen, wenn ich nun ein Jünger
Jesu werde? Er war ja ihr Liebling und ihr Stolz! Und
welche Beschämung lag für ihn darin, bekennen zu müssen: Ich
war bis dahin ein verkehrter Mensch! Er sollte sein ganzes
bisheriges Leben verurteilen und alles, was ihm bis dahin
wertvoll war, darangeben. Der alte Saulus sollte untergehen
und sterben. Das ist ein Kampf! Er hat ihn im Gebet
durchgefochten. Zu einer wahren Bekehrung kommt man nur auf
den Knien. Die Bedenken, Rücksichten und Erwägungen müssen
unter Gebet niedergerungen werden. Bis dahin war das Gebet
für ihn eine Gewohnheitssache. Jetzt war es ein Ringen mit
Gott. Wir müssen das Beten zweimal lernen. Zuerst in der
Schule der Mutter und menschlicher Lehrer, dann in der Schule
des Heiligen Geistes. - Der Herr Jesus sah die Kämpfe seiner
Seele und sandte ihm ein Werkzeug in der Person des einfachen
Jüngers Ananias. Der Zuruf des Ananias an Saulus lautet:
"Blicke auf!" (Apg. 22, 13). Daraufhin empfing er das
Augenlicht. Aber zugleich blickte er noch in einem tieferen
Sinn auf. Von jetzt an blickte er auf Jesus. - "Was zögerst
du?" hieß es weiter (Apg. 22, 16). "Laß dich abwaschen von
deinen Sünden!" Und Paulus säumte nicht. Seine Bekehrung war
kein halbes Werk. Er blickte nicht zurück. Wie lassen sich
doch so viele hemmen durch allerlei Rücksichten und bleiben
stecken! - Eine gründliche Bekehrung ist das Fundament im
christlichen Leben. Nur wer von vornherein Ernst macht,
kommt zum Ziel. Er darf feste, gewisse Tritte tun. Er
strauchelt nicht.