Apg 6,15
C.Eichhorn
Ein Vorspiel der künftigen Verklärung
Sie sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht.
Apg. 6, 15
Welch eine Wunderkraft des Geistes der Herrlichkeit, der auf
Stephanus ruhte (1. Petr. 4, 14)! Mit diesem Leuchten auf
dem Angesicht zeigt der Heilige Geist an, daß dieser Zeuge
Jesu über die falsche Anklage nicht verbittert und entrüstet
war, sondern mit einer großen inneren Freudigkeit vor dem
Hohen Rat stand. Die leuchtete aus seinem Angesicht hervor.
Mit diesem Leuchten bezeugte Gott den Feinden auch klar
vernehmlich die Unschuld seines treuen Knechtes; er
verschaffte ihm ein großes Ansehen. Was muß das für einen
tiefen Eindruck auf den Hohen Rat gemacht haben! Dieses
Leuchten war etwas von der Verklärung, die Jesu auf Tabor
zuteil wurde. Die innere Klarheit brach hervor zum Zeichen,
daß Stephanus vom Licht der Gnade durchdrungen war. Er war
reif für den Himmel; denn er war schon himmlisch hier auf
Erden. Stephanus war noch jung und doch schon eine reife
Garbe. Das Alter macht noch lange nicht reif für die
Ewigkeit. Im Gegenteil, wer nicht die Richtung nach oben
eingeschlagen hat, wurzelt je länger, desto tiefer in die
Erde ein. Wer nicht vom Geiste Gottes sich hat wecken
lassen, wird immer stumpfer, gleichgültiger, kälter und
bewegt sich in den alten und gewohnten Geleisen wie eine
Maschine. Stephanus war herangereift zu einem ganzen Jünger
Jesu und zum vollendeten Wahrheitszeugen. Er verband die
Weisheit des Alters mit dem Feuer der Jugend. Er war los von
aller Menschen- und Todesfurcht, mit einem Wort: los von
dieser Welt, und darum fähig, einzutreten in die obere Welt.
Was ist das doch für eine wunderbare Sache um wahre Jünger
Jesu! So stark, daß sie es mit jedermann aufnehmen könnten,
lassen sie sich willig niederwerfen. So weise, daß niemand
widerstehen kann, und doch haben sie gegen boshafte
Schmähungen nichts einzuwenden. Aber eins kann ihnen nicht
geraubt werden: der innere, selige Friede Gottes, der als
heiliges Glück sie erfüllt und aus ihnen strahlt.
Wie sind wir doch alle von Natur so von Menschenrücksichten
beherrscht! Wir hängen am Leben und fürchten den Tod.
Stephanus fürchtete nichts denn nur Gott; darum sprach er vor
dem Hohen Rat völlig furchtlos. Seine Verteidigung wurde zur
Anklagerede gegen diese oberste Behörde. Als er merkte, wie
sie eine drohende Haltung annahmen und nicht mehr gewillt
waren, ihn anzuhören, sagte er ihnen noch die allerstärksten
und empfindlichsten Wahrheiten, die wie Keulenschläge auf sie
niedersausten.
Laßt uns diesem Vorbild nachtrachten! Sind wir noch gebunden
an irdische Rücksichten? Entscheidet bei uns die Frage: Was
werden die Leute sagen? Werde ich mir Haß und Verfolgung
zuziehen? Am Ende gar mein Leben aufs Spiel setzen? Solange
wir noch Sklaven der Menschen und unseres zeitlichen Lebens
sind, fehlt uns die Reife für die Ewigkeit. Darum los,
völlig los vom sichtbaren Wesen!