Joh 21,18
S.Keller
Joh. 21,18: «... wenn du aber alt wirst, wirst du deine
Hände ausstrecken, und ein andrer wird dich gürten und
führen, wo du nicht hin willst.»
Die Selbständigkeit der Jugend - was war das für ein
zweifelhaftes Glück! Wie stark kamen wir uns vor und wie
frei. Wie wollten wir mit dem Kopf durch die Wand Und wie
viel törichte, vergebliche Anstrengung und wie viel Herzeleid
und wie viel Enttäuschungen trug das alles ein. Nachher
tratst du, Jesus, in unser Leben ein, und nun gab es noch
lange keine völlige Aufgabe der falschen Selbständigkeit.
Stückweise ließen wir uns von dir leiten und wurden dabei
gesegnet, und dann brachten wir es doch wieder fertig, deinen
Armen zu entschlüpfen und auf eigene Faust Törichtes zu
unternehmen. Du aber hattest Geduld und vergabst einmal über
das andere und zogst dann die Seile fester und führtest uns
sicher. Je älter wir werden, desto ängstlicher werden wir
gegen alle Abenteuer, auch fromm scheinende, die hin und her
Mode sind, und desto sorgsamer achten wir auf deine Winke.
Behalte uns in deiner Pflege, behalt uns, Herr, in deiner
Zucht. Kommt es jetzt auch vor, daß du die Seile ganz fallen
lässest und keine Gewalt bei der Führung anwendest, wir
bleiben doch an dir hängen und wollen keinen Schritt in
eigner Weisheit tun. Laß die geheime Anziehungskraft deiner
Liebe den Gürtel sein, damit du uns alte, unselbständige
Leute leise, lose führst, wir wollen uns von deinen Augen
leiten lassen, bis wir nichts mehr können, als uns von
deinen Armen tragen lassen. Amen.