Joh 14,13
C.O.Rosenius
Was ihr bitten werdet in Meinem Namen, das will Ich tun, auf
daß der Vater in dem Sohn geehrt werde. Joh. 14, 13.
Hier müssen wir beachten, was das heißen will, in Jesu Namen
zu beten. Es bedeutet eigentlich, auf Grund des
Mittlerverdienstes Jesu zu beten und sich im Gebet gläubig
auf den Mittler zu berufen. In eines anderen Namen zu bitten
ist uns bekannt durch das, was täglich im Leben vorkommt,
wenn z. B. ein reicher und zuverlässiger Mann einem armen
Hilfsbedürftigen seinen Namen und seine Empfehlung an den
gibt, der die Mittel hat, deren der Arme bedarf. Mit dem
Namen und der Empfehlung dieser Person geht der Arme mit
großer Zuversicht zu dem, der die Hilfe geben soll. Und
dieser Helfer ist dabei so ruhig und so bereit, die Hilfe
zu geben, daß er nicht einmal nach der Versicherung des
Bedürftigen fragt, wie es mit der späteren pünktlichen
Rückzahlung bestellt sei, sondern er antwortet: ,,Ich
brauche nur diesen Namen."
So geht es, wenn man in eines anderen Namen kommen darf.
Hieraus können wir sehen, was es bedeutet, in Jesu Namen
zu beten. Das wird in unseren Kirchengebeten gewöhnlich mit
den Schlußworten ausgedrückt: ,,Durch Deinen Sohn, Jesus
Christus, unseren Herrn." Wenn wir aber auf den Zusammenhang
sehen, in dem unser Textwort vorkommt, dann liegt in
demselben wohl auch ein Grund für die Meinung derjenigen,
die das Beten in Jesu Namen so erklären, daß man in
Übereinstimmung mit Jesu Sinn betet.
Um nun recht auf das Verdienst Jesu hin und im Sinne Jesu
beten zu können, ist unbedingt das Geisteswerk in der Seele
erforderlich, durch das wir wahre Jünger Jesu und Gottes
Kinder werden. In jeder Menschennatur lebt die irrige
Vorstellung, daß Gott auf uns und unsere Würdigkeit blicken
und uns gnädig sein werde, wenn wir recht fromm und gehorsam
gewesen sind, während wir dagegen wirklich nicht erwarten
könnten, daß Er in Gnaden auf uns blicken und unsere Gebete
erhören würde, wenn wir im Gewissen wegen unserer Sünde
und Unwürdigkeit angeklagt werden. - Die Seuche der
Selbstgerechtigkeit liegt tief in unserer Natur. Wahre
Kinder Gottes waren vom Gesetz so zerschlagen, daß sie nur
mit großer Not - auf Jesu Verdienst allein - durch die enge
Pforte des Glaubens an die freie Gnade gekommen sind. Durch
diesen Glauben aber sind sie vollkommen selig in Christus
geworden. Diese nun fallen immer aufs neue in denselben
Irrtum, daß Gott ihnen nur in dem Grade gnädig sein und ihr
Gebet erhören werde, wie sie gehorsam und fromm waren, daß Er
ihnen aber zürnen und nicht erhören wolle, wenn sie von der
Sünde übereilt werden und große Unwürdigkeit empfinden. Wenn
wir bei unserem Gebet denken, daß Gott uns erhören werde,
wenn wir selbst würdig sind, dann steht das in Gegensatz zu
dem Beten ,,in Jesu Namen" oder im Vertrauen auf Sein
Mittlerverdienst allein. Wieviel Not und demütigende
Erfahrungen sind doch erforderlich, damit wir schließlich
ganz wahr und rein meinen: ,,Nur auf Jesu Würdigkeit hin, nur
in Jesu Namen, nur um Jesu willen sei mir gnädig und gib mir
das Gute, obwohl ich nur das Böse verdient habe." Ist dies
aber sogar für wiedergeborene Kinder Gottes die schwerste
Kunst, wie unmöglich ist es dann den Unbekehrten, ein
einziges Gebet beten zu können, das allein auf Jesu Verdienst
ruht.
Ebenso unmöglich ist es, in dem unwiedergeborenen Zustand
übereinstimmend mit dem Sinn Jesu beten zu können und von
Herzen dieselben Anliegen und Bitten wie Er zu haben. Denn
zum Gebet gehört das Begehren und Bedürfnis des Herzens.
Welch ein Wunderwerk der Gnade, wenn ich entdecke, daß ich
durch den Glauben ein solches Herz erhalten habe, daß ich,
auch wenn ich hinsichtlich des Gebets nicht an die Vorschrift
oder das Beispiel Jesu denke, sondern in meiner täglichen
Arbeit stehe, in meinem Herzen doch dieselben Besorgnisse,
Wünsche und Seufzer habe, die ich im Gebet des Herrn und in
anderen Bekundungen des Sinnes Jesu wiederfinde! Ich gehe
und denke und seufze, daß Gott Seine Gnade zur Vermehrung
Seines Reiches in meinem und anderer Herzen geben möge. Ich
habe einen solchen Sinn, daß keine größere Freude mir
widerfährt, als wenn ich Gottes Werk in einem Menschen spüre
und merke, daß Gottes Reich wächst und Gottes Name erkannt
und geehrt wird. Dann wird wahr, was die zwei ersten Bitten
des Vaterunsers enthalten: ,,Geheiligt werde Dein Name! Dein
Reich komme!" Das war auch die Summe alles dessen, was Jesus
hier suchte. Dessentwegen schmeckte Er den Tod und wandte
alle Kräfte an, um Menschen zu erretten und das Reich der
Seligkeit auf Erden zu verbreiten.
Du, der du jetzt ängstlich und seufzend einhergehst und an
die Errettung und die Seligkeit der Menschen denkst, staune
und freue dich über die Gnade, die dir widerfahren ist, daß
in dir derselbe Sinn ist wie in Jesus. Mag die ganze Welt
dir dann im übrigen finster und eng sein, es ist ein
Gnadenwunder in deiner Seele bewirkt, das tausendfach alles
überwiegt, was sonst auf Erden gedacht werden kann. Wenn du
ohne einen Gedanken an die Vorschrift Jesu oder an die Bitten
im Vaterunser vielleicht Tag und Nacht mit dem Seufzer
umgehst: ,,Ach, daß Gott Seinen Willen mit mir durchsetzen
möchte - auch wenn Sein Wille meinen eigenen Willen hindern
und töten würde -, nur daß Sein Wille geschehe! Ach, daß ich
den Willen Gottes tun könnte!" Erwache mit Freuden über
dieses Wunderwerk in deinem Herzen. Welche Gnade, welche
Herrlichkeit, daß derselbe Geist in uns wie in Gott wohnt!
Ist das nicht ein Beweis der ,,Teilhaftigkeit der göttlichen
Natur"?