Joh 12,36
S.Keller
Joh. 12, 36: «Glaubt an das Licht, dieweil ihr's habt, auf
daß ihr des Lichtes Kinder seid.»
Aus dem Zusammenhang gerissen, dürfte dieser Spruch sehr
befremdlich klingen: wie kann man an etwas glauben, was man
hat, und wie kann man ein Kind dessen werden, was man schon
hat? Aber dort, wo Jesus die Worte sagt, meint er mit dem
Lichte sich selbst und ermahnt seine Hörer, an ihn zu
glauben, wodurch sie erst zur Gotteskindschaft kämen.
Unglaube wäre im Sinn dieser Stelle der geheime Widerspruch
gegen Jesus, die Trägheit, einen starken Schritt auf ihn hin
zu machen, die dreiste Energie, mit dem alten Glauben zu
brechen. Dergleichen Anwandlungen kommen auch an solche
heran, die längst Gotteskinder sind. Innere Verstimmungen,
Unzufriedenheit mit seinen Wegen, Kreuzesscheu und Trägheit
belasten in solchen Augenblicken unsern Glauben, daß der
Versucher Gehör findet für die Flüsterung: Ist Jesus dir
wirklich genug? Ist der Glaube ein entsprechendes Entgelt
für aufgegebene Weltfreude? Man braucht nur noch seelisch
müde oder körperlich krank zu sein, so wird solche Versuchung
gefährlich. Glauben ist dann ein Entschluß, ein Ruck des
Willens, ein die Augenschließen für alles andere. Dennoch!
Wie auf dem Absatz herumgedreht und allen jenen Stimmen und
Stimmungen den Rücken gekehrt!
Herr Jesus, du bist mir genug. Ich will nichts weiter als
dich. Aber auch wirklich dich. Mein angefochtener Glaube
windet sich wie eine Ranke um dein Wort und deine Hilfe und
deine Liebe. Halte selbst dein schwaches Kind! Amen.