Joh 11,44
Ch.Spurgeon
"Und der Verstorbene kam heraus, an Händen und Füßen mit
Grabtüchern umwickelt und sein Angesicht mit einem
Schweißtuch umhüllt. Jesus spricht zu ihnen: Bindet ihn
los und laßt ihn gehen!" Johannes 11,44
Dieser Mann war auferweckt, aber noch nicht befreit. Er
war ein lebendiger Mensch in den Gewändern des Todes. Das
Schweißtuch und die anderen Grabtücher waren für den Tod
angemessen, aber sie waren am unrechten Ort, als Lazarus
wieder zu leben begann.
Es ist ein jämmerlicher Anblick, einen lebendigen Menschen
sein Leichentuch tragen zu sehen. Trotzdem haben wir
Hunderte von Leuten gesehen, die durch die göttliche Gnade
lebendig gemacht wurden, aber noch immer ihre Grabgewänder
trugen. Ihr Zustand war so, daß man sie noch für tot halten
mußte, wenn man sie nicht sorgfältig beobachtete. Und doch
brannte in ihrem Innern die Lampe des göttlichen Lebens.
Einige sagten: "Er ist tot; seht seine Gewänder an!" Nur die
geistlich Gesinnteren riefen: "Er ist nicht tot, aber seine
Bande müssen gelöst werden!"
Er war ein an Füßen und Händen Gebundener, der sich bewegte.
Wie er sich bewegte, weiß ich nicht. Ebenso habe ich
gebundene Seelen gesehen, die sich nur mit Mühe bewegen
konnten. Mit großer Kraftanstrengung bewegten sie sich in
eine bestimmte Richtung; aber sie waren nicht fähig, auch
nur einen Zoll breit von dieser Richtung abzuweichen.
Habt ihr nicht einen Menschen so lebendig gesehen, daß er
über seine Sünden trauerte und weinte? Und doch konnte er
nicht an Christus glauben, sondern schien, soweit es den
Glauben betraf, an Füßen und Händen gebunden. Ich habe ihn
mit Entschlossenheit seine Sünde aufgeben sehen und auch
erlebt, wie er eine schlechte Gewohnheit unter die Füße
trat. Dennoch war er nicht fähig, eine einzige Verheißung
zu ergreifen.
Lazarus war in einer Beziehung frei, denn er kam aus dem Grab
heraus. Aber sein Kopf war noch mit dem Schweißtuch umhüllt,
so daß er nicht sehen konnte. Ähnlich ist es mit manchen
lebendig gemachten Sündern. Wenn ihr versucht, ihnen eine
ermutigende Wahrheit zu zeigen, so können sie diese nicht
sehen und erfassen.
Ch.Spurgeon
"Bindet ihn los und laßt ihn gehen!" Johannes 11,44
Welche Tücher sind es, die oft eben erst wiedergeborene
Sünder binden? Einige von ihnen sind durch das Schweißtuch
um ihren Kopf gebunden. Sie sind sehr unwissend. Es mangelt
ihnen in trauriger Weise an geistlichem Wahrnehmungsvermögen,
und außerdem ist das Glaubensauge verdunkelt. Das Auge ist
da, und Christus hat es aufgetan. Aber dann ist es die
Aufgabe der Diener Gottes, das Schweißtuch dadurch zu
entfernen, daß sie die Wahrheit lehren, sie auslegen und
die Schwierigkeiten hinwegräumen. Ein einfacher, aber
sehr notwendiger Dienst!
Außerdem sind diese Gläubigen an Füßen und Händen gebunden,
so daß sie zur Untätigkeit gezwungen sind. Als Diener Gottes
sollten wir ihnen zeigen, wie sie für unseren Herrn arbeiten
können.
Andere wieder sind durch Sündenschmerz gebunden. Sie
empfinden furchtbare Angst wegen ihrer Vergangenheit. Da
haben wir sie zu lösen, indem wir ihnen zeigen, daß das
Vergangene ausgetilgt ist. Sie sind mit mancher Elle von
Zweifel, Mißtrauen, Angst und Gewissensbissen umwickelt.
"Bindet sie los und laß sie gehen!"
Ein anderes Hindernis ist das Band der Furcht. "Oh", sagt
einer, "ich bin ein solcher Sünder, daß mich Gott für meine
Sünden strafen muß." Erklärt ihm die großartige Lehre von der
Stellvertretung. Löst diese Binde durch die Versicherung,
daß Jesus unsere Sünden auf sich nahm und wir "durch seine
Wunden geheilt sind".
Gläubige Seelen sind auch sehr oft noch durch die
Grabgewänder des Vorurteils gebunden. Sie pflegten vor ihrer
Bekehrung so und so zu denken und sind geneigt, ihre toten
Gedanken auf ihr neues Leben zu übertragen. Sagt ihnen:
"Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden!"
Einige von ihnen tragen noch die Grabtücher schlechter
Gewohnheit. Es ist ein gutes Werk, einem Trunkenbold zu
helfen, die verfluchten Bande zu lösen, die ihn an dem
geringsten Fortschritt auf geistlichem Gebiet hindern.
Laßt uns vor allem alle Grabtücher von uns selbst entfernen,
damit wir anderen um so besser helfen können, frei zu werden.