Joh 9,2
J.Kroeker
Vom Geheimnis unserer Leiden.
"Und seine Jünger fragten Ihn und sprachen: Rabbi, wer hat
gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren
ist? Jesus antwortete ihnen: Weder dieser hat gesündigt noch
die Eltern, sondern dass die Werke Gottes an ihm geoffenbart
würden." Joh. 9,2 f.
Seit dem ersten Leid besteht die Frage nach dem Übel in
der Welt. Sie wanderte bisher mit der Menschheit durch die
Zeitalter unserer Geschichte. Sie kam nicht zur Ruhe, welch
eine Lösung man für sie auch fand. Ein Asaph strauchelte
fast, als er sich bewusst mit dem Wohlergehen der Gottlosen
und den Leiden der Gerechten auseinandersetzen musste. Sie
brannte in der Seele der Jünger, als sie angesichts eines
Blindgeborenen den Meister fragten: "Wer hat gesündigt,
dieser oder seine Eltern?" Sie schweigt auch nicht in unserem
Leben.
Für sich selbst haben Einzelne eine Lösung gefunden. Ein
Asaph fand sie, und der Ausklang des 73. Psalms ist von
solcher Tiefe und Schönheit, von solch einer Gewissheit und
Kraft, dass derselbe mit zum Wertvollsten gehört, was wahrer
Glaube je in Gott gefunden hat.
Auch Jesus fand die Lösung, daher schrak Er vor dem Weg
hinauf nach Jerusalem nicht zurück. Auch die Leiden, die
seiner dort warteten, gehörten für ihn zum Leben und zu
seinem Messiasberuf, den Er vom Vater empfangen hatte. Sein
Leben der unmittelbaren Gemeinschaft mit dem Vater hatte das
Diesseits und Jenseits, die Not und den Tod überwunden. Für
Ihn war auch alles Leiden Leben vom Vater, Leben durch den
Vater und Leben zum Vater hin. Daher war sein Leben auch von
jener großen, tiefen Sabbatruhe, die ihn noch am Kreuz beten
ließ: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie
tun."
Ähnlich lösten sich auch für Paulus seine Leiden. Seine
Schwachheiten erkannte er als Gelegenheiten für Gott, indem
sich dessen Kraft in seiner Schwachheit vollendete. Seine
Trübsale erduldete er als einen Gewinn für die Gemeinde
Jesu Christi. Sein Pfahl im Fleisch trug ihm die große
Offenbarung ein: "Lass dir an meiner Gnade genug sein!" Aus
schwersten Leiden und Kämpfen heraus schreibt er daher allen
Gliedern einer werdenden Christus- und Kreuzeskirche ins
Leben hinein: "Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum
Guten mitwirken."
Die Lösung wird uns von Aposteln und Propheten zwar bezeugt,
nicht aber übertragen. Diese weisen uns zwar den Weg zur
Lösung, geben uns aber nicht die Lösung selbst. Die Lösung
liegt einzig und allein in Gott. Nur wer in Gott die Lösung
gefunden, steht alsdann mit seinem Leben nicht mehr unter
der Herrschaft des Leids, des Zufalls und des Lebens
Widerwärtigkeiten. Von Gott aus gewinnt das Leben mit seinen
Widersprüchen, Kämpfen und Leiden dann einen gottgewollten
Zweck und ein göttliches Ziel.