Johannes

Joh 5,28 C.O.Rosenius Es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, Seine Stimme hören werden, und es werden hervorgehen, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Übles getan haben, zur Auferstehung des Gerichts. Joh. 5, 28 u. 29.

Es kann kaum beschrieben werden, welch ein großer Schade, welche Schlaffheit, Schwachheit und Unbeständigkeit in unserem Christentum daher rühren, daß wir diesen Artikel von der Auferstehung der Toten weder recht betrachten noch recht glauben. Aber unser Feind, der Teufel, weiß sehr wohl, was er damit ausrichtet, wenn er eine Decke über die Auferstehung zu ewiger Seligkeit oder ewiger Verdammnis breiten kann. Dadurch wird zunächst alles Geistliche weniger wichtig; es liegt einem dann weniger am Herzen, beständig der Freundschaft seines Gottes gewiß zu sein. Man kann noch essen, trinken und schlafen, obwohl man nicht weiß, ob man in den Himmel oder in die Hölle kommt, falls man in dieser Nacht stürbe. Wenn nun das letzte Ziel beiseite geschoben und der Seele ungewiß und dunkel ist, dann ist es nicht so wichtig, das Wort zu beachten oder zu Gott zu beten oder sich mit dem Widersacher zu versöhnen oder seinem Nächsten ein erweckendes Wort zu sagen usw.

Wenn man nun nicht fest an ein seliges Ende glaubt und es fest im Auge behält, dann hat man wenig Kraft in solchen Fällen, in denen es gilt, etwas um Christi willen zu leiden und zu tun, vielleicht die irdischen Bequemlichkeiten oder das irdische Wohlsein eines ganzen Lebens zu opfern, um dem Herrn Christus nachzufolgen, oder wenn es gilt, ein dem Herzen teures Opfer zu bringen oder einen schmerzlichen Verzicht auf etwas zu leisten. Der Apostel nennt die Hoffnung der Seligkeit einen Helm. Wie der Helm bewirkte, daß der Krieger mit größerer Kühnheit im Kampfe vorwärts eilte und vor den Schwerthieben nicht so bange war, so bewirkt auch eine feste Hoffnung der Seligkeit, daß man nicht so genau darauf achtgibt, was uns in diesem Streite treffen kann, weil wir Christus folgen. Wir blicken mit einfältigem Auge nur auf Sein Wohlgefallen, weil wir wissen, daß nach diesem Streit unser so herrliche Dinge warten, daß alle ausgestandenen Leiden denselben gegenüber gar nicht zu achten sind.

Es ist also erforderlich, auf diese Hoffnung der Seligkeit fest gegründet zu sein, wenn unser Weg durch dieses Leben nur finster und öde ist, wenn ein Christ schließlich seltener etwas von der Nähe und der Lieblichkeit seines Heilandes empfindet und zuweilen von Überdruß und Ungeduld angefochten wird. Der allgemeine Durst nach Glückseligkeit bringt ihn zu einer verzehrenden Sehnsucht nach einer fühlbaren Freude, deren er jetzt ermangelt. Er hat vielleicht gehofft, auch in diesem Leben glücklicher zu werden; er sieht aber ,,das ganze Glück seines Lebens verscherzt". Dann geschieht es oft, zur Schande unseres alten Herzens bekennen wir es, daß ein

solcher Christ sich geradezu unglücklich fühlt, wenn er keine andere Freude auf dieser Erde hat, als ,,nur Gott allein"! Wenn er nur die Freundschaft und die Nähe seines Gottes fest glaubte oder besonders fühlbar empfände, würde er sich gewiß nicht unglücklich, sondern überaus reich, ja, selig fühlen. Aber alles das fehlt, und er wird außerdem vielleicht von einem Kreuz bedrückt, das ihm sein ganzes Leben lang folgt und das seine ganze Welt finster macht; dann wird es oft vor den Augen schwarz, er wird schwach und elend.

Welch ein Trost und welch eine Kraft wäre es dann, wenn sein geistliches Auge genügend geöffnet würde, in den geheimen, aber treuen Ratschluß des Wunderbaren hineinzublicken! Dann würde er sehen, daß sein Glück und seine Freude keineswegs verscherzt, sondern nur auf eine andere Zeit, auf eine andere Welt aufgehoben sind; dort wird es besser glücken. Schon durch dieses Bewußtsein würde er mit Gott und dessen wundersamer Haushaltung so vergnügt werden, daß er sich nur Ihn allein wünschen würde und so höchst glücklich und reich wäre mit seinem ,,Gott allein".

Wir haben hierfür ein Beispiel im 73. Psalm. Da bekennt Asaph zuerst, wie geplagt er dadurch war, daß er sah, wie der Gottlose Glück und Wohlergehen hatte, während es ihm und den Gerechten übel erging. Er sagt: ,,Ich hätte schier gesagt wie die Gottlosen: Soll es denn umsonst sein, daß mein Herz unsträflich lebt und ich meine Hände in Unschuld wasche?" Beachte aber, wie er aus dieser Versuchung herauskam! Er sagt: ,,Ich dachte ihm nach, daß ich es begreifen möchte; aber es war mir zu schwer, bis daß ich ging in das Heiligtum Gottes und merkte auf ihr Ende. Wie werden sie so plötzlich zunichte! Sie gehen unter und nehmen ein Ende mit Schrecken! Aber Du leitest mich nach Deinem Rat und nimmst mich endlich mit Ehren an." Dadurch wurde sein Herz so vollauf vergnügt mit ,,Gott allein", daß er in die Worte ausbricht: ,,Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil." Erkenne hieran, was das mit sich bringt, wenn wir in das Heiligtum Gottes gehen und in das Geheimnis der Regierung Gottes hineinblicken und sehen, was unter der Decke des gegenwärtigen Lebens verborgen liegt: Einerseits das große, ewige Unglück, das sich unter dem kostbaren Kleid und dem schwelgerischen Leben des reichen Mannes verbirgt, andererseits aber das große, ewige Glück, das unter den Lumpen und Schwären des armen Lazarus verborgen ist.

O, welche Freud' und welche Wonne, Welch unaussprechlich heller Schein Von aller Himmel Himmel Sonne Wird über unserm Haupte sein, Wenn wir das neue Lied mitsingen, Wo Gott sich sichtbar offenbart, Und Ruhm und Preis und Ehre bringen Dem Lamme, das geschlachtet ward.