Joh 4,10
S.Keller
Joh. 4, 10: «... Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer
mit dir redet»
Ach, was sind uns doch so oft die Augen so gehalten, daß wir
den Tag und seine Gelegenheit nicht richtig erkennen! War es
Nachwirkung einer Schuld oder natürliche Stumpfheit - aber
wir waren nicht am Ausfallstor unseres Interesses, als Jesus
oder seine Gabe oder seine Aufgabe und die betreffende
Gelegenheit vorüberzog. Bisweilen saß er sogar auf dem
Brunnenrand, wie in unserem Text, und wartete auf uns, daß
wir ihm zu trinken geben sollten, d. h. in einem dieser
Geringsten unter seinen Brüdern. Nie grolle ich mehr mit
mir, als wenn ich zu spät erkannte: Das war eine Gelegenheit
vom Herrn, und du hast sie verträumt! Wenn wir sie aber zur
rechten Zeit erkannt haben, dann müssen wir auch im selben
Augenblick zugreifen; so kommt sie nicht wieder. Ein
Spaziergang mit einem angefochtenen Menschenkind, ein
Briefwechsel, eine Aussprache, eine erwiesene Gefälligkeit -
worin kann Jesus nicht gerade seine Hand nach einem Herzen
ausstrecken, an das er nur durch uns, nur jetzt und nur durch
unsere selbstverleugnende Liebe herankommen kann! Solche
Vollmacht, solche Ehrung, solches Vertrauen von oben - soll
es uns bereit finden zum Nehmen, Geben, Heilen, Segnen und
Helfen?
Vergib, Herr, alle versäumten Gelegenheiten. Gib uns zum
Unterpfand der Vergebung neue Winke und neue Gaben, daß wir's
besser machen können, und segne uns, wenn wir mit den anderen
Seelen reden von dir. Amen.
J.Kroeker
Von der Reichsgottesoffenbarung im Sohn.
"Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die
Gabe Gottes, und wer der ist, der zu dir spricht: Gib mir zu
trinken! Du bätest ihn und er gäbe dir lebendiges Wasser!"
Ev.Joh. 4,10.
Jesus mit seinem Evangelium machte nicht halt vor der
Samariterin am Jakobsbrunnen. Fünf Männer hatte sie bereits
gehabt, den sie jetzt hatte, war nicht ihr Mann. Und dennoch
gab Jesus ihr von dem Wasser zu trinken, das in ihr zu einem
Brunnen lebendigen Wassers wurde, das in das ewige Leben
quillt. Nicht nur sie trank dies Evangelium Jesu, sie führte
auch ihre Heimatstadt zu demselben Retter. Denn nachdem die
Samariter mit Jesus zusammengekommen waren, sprachen sie zur
Frau: "Wir glauben nun hinfort nicht um deiner Worte willen,
wir haben selber gehört und erkannt, dass dieser ist wahrlich
Christus, der Heiland der Welt." Jesu Liebe machte auch nicht
halt vor Zöllnern und Sündern. Er sprach zu einem Zachäus
auf dem Maulbeerbaum: "Steig eilends herunter, denn Ich muss
heute in dein Haus einkehren." Ebensowenig machte Er halt vor
der Verleugnung eines Petrus. Jesus tritt als Auferstandener
neu in das Leben eines Simon und sprach zu ihm: "Simon,
Jonas Sohn, hast du mich lieb?" Das Evangelium in
Jesu Reichsgottesbotschaft erwies sich in seiner
wiederherstellenden Kraft größer als die Verleugnung
eines Petrus.
Es machte auch nicht halt vor einem ungläubigen Thomas. Im
Auferstandenen tritt es in das Zimmer, wo die Jünger aus
Furcht vor den Juden zusammensaßen und spricht: "Friede sei
mit euch!" Vergegenwärtigen wir es uns daher noch einmal,
dass das Evangelium in Jesu Reichsgottesbotschaft weder vor
der ganzen Schwere unseres Falles noch vor der ganzen Tiefe
unserer Ohnmacht stehen bleibt.
Wenn Jesus in seinem Evangelium an unsere Kraft appelliert
oder damit gerechnet hätte, was Er in uns vorfinden würde,
sein Reich wäre mit seiner Person bereits zusammengebrochen.
Die Welt hätte vom Königtum Gottes zwar im Leben und Wirken
Jesu etwas gesehen. Mit dem Tode Jesu wäre es alsdann mit
untergegangen. Nun aber lebt es. Und da es größer ist, als
unsere Schuld und unser Todeszustand, trägt es fort und
fort die Welt Gottes in unser Leben. Christus in seiner
Reichsgottesfülle setzt weder Leben noch Kraft noch Friede
noch Licht in uns voraus. Indem Er jedoch in unser Leben
tritt, durch sein Wort zu uns spricht, mit seiner Kraft in
uns wirkt, mit seinem Frieden uns erfüllt und durch seinen
Geist uns leitet, zieht Er uns in die Welt seines Vaters,
in das Königtum des lebendigen Gottes hinein.