Joh 3,27
C.Eichhorn
Ein gutes Mittel gegen den Neid
Johannes sprach: Ein Mensch kann nichts nehmen, es werde
ihm denn gegeben vom Himmel. Joh. 3, 27
Der Neid ist eine schlimme Giftpflanze. Er ist ein böser
Spaltpilz, der die Gemeinschaft in Zersetzung und Zerrüttung
bringt. Er ist ein Mehltau, unter dem alles verdirbt, was
noch Gutes in der Seele vorhanden ist. Wer sich vom Neid
beherrschen läßt, der kommt herunter. Denn Gott kann dem
Neidischen nichts geben. Vielmehr nimmt er ihm, was er noch
hat. So ist der Neidische Mörder an andern und Selbstmörder
an sich. Er bringt sich vor allem um die Wahrheit. Er kann
nicht gerecht und unparteiisch urteilen. Er verdächtigt und
sieht alles in einem verkehrten Licht. Er wittert immer etwas
Arges beim Nebenbuhler. Wahrlich, der Neid richtet eine
schauerliche Verwüstung an nach allen Seiten! Eine
vortreffliche Arznei gegen dieses schreckliche Übel ist
das Wort des Johannes:
"Ein Mensch kann nichts nehmen, es werde ihm denn gegeben
vom Himmel." Wie außerordentlich tief und weitgreifend ist
dieses Wort! Bei der Nachricht: "Jesus tauft, und jedermann
kommt zu ihm", gibt Johannes nicht dem Neid Raum, sondern
überwindet ihn mit diesem Wort. Es gibt zweierlei
Standpunkte: Entweder will man sich alles selbst nehmen, oder
man läßt sich als Bittender von oben geben. Weil der Neid
aus der selbstsüchtigen Gier stammt, ist er unausbleiblich
bei denen, die alles an sich raffen wollen. Arme Menschen,
sie kommen doch nie zum gewünschten Ziel! - Wie anders, wenn
ich nach oben blicke! Dann kann der Neid nicht aufkommen.
Wenn ich um mich schaue, schleicht er sich in meine Seele
ein. Wenn ich aber auf den Geber aller guten Gaben schaue,
dann weiß ich, daß er es auch dann mit mir gut meint, wenn er
mir dieses und jenes versagt. Es würde mir gewiß zum Schaden
ausschlagen, wenn ich das hätte, was dem andern zuteil
geworden ist. Jeder bekommt, soviel er tragen kann (Matth.
25, 15). Alles, worin ich hinter anderen zurückstehe, muß zu
meinem Besten dienen. Es ist eine Schule der Demut. - Mit
der Gabe steigert sich die Verantwortung. Wem viel gegeben
ist, von dem wird viel gefordert. Darum beneide den nicht,
der mehr hat! Er hat auch einen schwierigeren Stand am Tag
der Rechenschaft. Zudem kann auch die kleinere Gabe, die dir
zuteil geworden ist, gemehrt werden, wenn du sie treu
verwertest. Werde nicht mißvergnügt und vergrabe dein eines
Pfund nicht im Trotz! So verlierst du alles. Benutze das
dir Gegebene treu, dann wird dir mehr gegeben, bis du die
Fülle habest. - O, wie herrlich ist es, wenn man alles von
oben nimmt und sich geben läßt! An Stelle des finsteren
Neides treten dann erquickender Dank für das, was andern
gegeben ist, und Freude über ihre reicheren Gaben. Man sieht
selbst in den Widerwärtigkeiten eine Gabe. Der ganze Heiland
wird allen zuteil, die von Herzen nach ihm verlangen.