Lukas

Lk 23,40 A.Christlieb Die Erlösung des Schächers am Kreuz Lukas 23, 40 - 43

»Da antwortete der andere, strafte ihn und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Und wir sind zwar billig darin, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Ungeschicktes getan. Und er sprach zu Jesus: Herr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahlich ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.«

Die Geschichte von der Errettung des bußfertigen Schächers kann auch dem verzagtesten Herzen Mut machen. Wenn jemals der Bekehrung eines Menschen Schwierigkeiten im Wege standen, so war es bei diesem Mann der Fall. Laßt uns drei Hindernisse anschauen, die seinem inneren Zurechtkommen im Wege standen!

1. Das Hindernis in der äußeren Lage

Seine äußere Lage konnte den Schächer von jeder Sammlung und Einkehr abziehen. Wenn jemand mit Gott ins Reine kommen möchte, dann sucht er am liebsten ein stilles, verborgenes Plätzchen auf, wo er ungestört mit Gott reden kann. Für den Schächer war das alles unmöglich. Er war mitten in der breitesten Öffentlichkeit. Er hing, den Blicken zahlloser Menschen ausgesetzt, am Kreuz. Man kann wohl sagen: Wenn irgendeine Lage einer bußfertigen Gesinnung ungünstig war, so ist es die seinige gewesen. Leibliche Qualen störten ihn, das Angaffen der Leute konnte ihn verwirren. Dennoch kam er zu einer echten Erneuerung seines Sinnes. Das kann uns Mut machen. In unserer Zeit mag mancher denken: »Wäre meine Umgebung anders, könnte ich aus dem Getriebe der Menschen herauskommen, das mich umgibt, so wollte ich mich gewiß bekehren. Aber meine Lage macht mir das unmöglich.« Wer so spricht, der sehe doch den Schächer an! Er konnte sich seiner Umgebung und Lage nicht entziehen, und dennoch wurde er errettet. Christi Erlösungskraft ist viel größer als die Schwierigkeiten unserer Verhältnisse.

2. Das Hindernis in der mangelnden Erkenntnis

Eine zweite Schwierigkeit für die Bekehrung des Schächers lag in der Unmöglichkeit, Unterweisung zu bekommen. Kein Mensch konnte mit ihm über seinen Seelenzustand reden und ihm den Weg zur Errettung zeigen. Die Erkenntnis des armen Schächers war doch gewiß recht mangelhaft! Niemand konnte sich zu ihm stellen und ihm das Nötige sagen. Die Menschen-stimmen um den Schächer waren rohe Soldatenworte, spöttische Bemerkungen der Priester und Schriftgelehrten, Lästerreden des andern Schächers. Das alles war wohl geeignet, ihn auf den Höllen-, aber nicht auf den Himmelsweg zu bringen.

Kein Mensch sagte ihm, daß er sich zu dem, der neben ihm hing, wenden sollte. Ihm fehlte jede menschliche Belehrung, die ihm den rechten Weg zeigte. Dennoch kam er zurecht. Ein anderer Lehrer ließ ihn nicht ohne Unterweisung. Gottes Gnadenwirken fing bei ihm an, Gottes Geist begann, ihm Licht zu geben, sowohl über sein eigenes sündiges Leben, wie auch über den, »der nichts Ungeschicktes getan hatte«. Jesu Fürbitte für seine Peiniger (Luk. 23, 34) traf sein Ohr und sein Herz. Dieser Unterricht führte ihn auf den richtigen Weg. So schlicht und einfach seine Erkenntnis auch war, so genügte sie doch zum Seligwerden und zum Erlangen völliger Gnade.

Diese Tatsache wollen wir als einen Trost ergreifen. Auch wir hören in unserer Zeit ein Stimmengewirr von Spöttern und Verächtern des Kreuzes Jesu. Auch wir haben nur Stückwerk in der Erkenntnis. Aber wir dürfen den Mann mit der Dornenkrone im Glauben anschauen. Wir dürfen sein Wort hören. Das genügt zur Errettung. Niemand kann uns das streitig machen.

3. Das Hindernis in der Größe der Schuld

Das größte Hindernis aber war in den Augen des Schächers selbst ganz gewiß die Größe seiner Schuld. Er war nicht nur ein Sünder, wie eben alle Menschen es sind. Auf seinem Leben lag ein besonders dunkler Flecken. Er hatte eine Übeltat (Empörung und Mord) begangen, die das Todesurteil zur Folge gehabt hatte. Er konnte seine Tat nicht mehr gut machen. Er konnte niemand um Verzeihung bitten. Er konnte auch nicht durch einen neuen Anfang die Besserung seines Lebens beweisen. Zu dem allen war es zu spät. Konnte da nicht die Verzweiflung Kains ihn erfassen, der gesagt hatte: »Meine Sünde ist größer, denn daß sie mir vergeben werden möge« (1. Mose 4, 13)?

Dennoch kam er völlig zurecht. Er konnte zwar seine Tat nicht ungeschehen machen. Aber er konnte durch ein ehrliches Bekenntnis der Wahrheit die Ehre geben: »Wir empfangen, was unsere Taten wert sind.« Er konnte zwar keinen besseren Weg mehr beginnen, er konnte sich aber durch sein Bekenntnis von dem bisherigen Weg lossagen. Er konnte nicht, wie eine Hanna, lange beten (1. Sam. 1, 12), aber er konnte einen Seufzer zu dem, der neben ihm hing, senden. Dies wenige genügte! Er wurde gerettet. Das Fünklein von Buße und Glaube reichte aus.

Sollte dies nicht allen denen Mut machen, die in ihrer Vergangenheit auch dunkle Flecken sehen? Die Macht der Gnade ist noch größer als unsere Schuld. Der den Schächer über Bitten und Verstehen erhört hat, der wendet sich auch heute noch zum Gebet der Verlassenen. Er spricht noch heute sein Erlösungswort, das völlige Hilfe bringt. Welch eine Gnadenmacht, die alle Hindernisse überwindet, zeigt sich doch in dieser Geschichte vom Schächer! Sein Heiland will auch der unsrige sein.