Lk 22,42
C.Eichhorn
Nicht erhört und doch erhört
Jesus sprach: Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir;
doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe! Es erschien
ihm aber ein Engel und stärkte Ihn. Luk. 22, 42.43
Der Vater konnte dem Sohn diese Bitte nicht gewähren. Er
muß den Kelch trinken. Es gab keinen andern Weg zu unserer
Erlösung als den einzigen, vor dem es den Heiland schauderte.
Und doch wurde die flehentliche Bitte Jesu erhört. Er bekam
eine himmlische Erscheinung. Ein Engel stärkte ihn. Schon
die Lichterscheinung war eine Stärkung. Dies war die Antwort
auf sein Gebet. Die Jünger sollten mit ihm wachen. Aber sie
schliefen ein. Der Heiland mußte den schwersten Kampf allein
durchkämpfen. Aber er war nicht allein. Der Vater ließ ihn
nicht stecken. Er konnte ihn vor dem Leiden nicht
verschonen, aber er gab ihm Kraft, daß er den schweren Weg
vollbringen konnte. Der Druck auf die Seele war so furchtbar
und die körperliche Anspannung so heftig, daß mit dem Schweiß
Blut aus den Poren drang. Sein schon ganz erschöpfter Leib
wurde von oben neu belebt. Der Heiland hätte den Leidensweg
nicht antreten können, wenn er nicht leibliche Stärkung durch
das "verborgene Manna" (Offb. 2, 17) empfangen hätte.
Sodann befreite ihn der Vater von Angst und Grauen. Nicht
der Tod als solcher war dem Heiland so schrecklich. Aber
dieser Tod, der Verbrechertod am Kreuz, und der Gedanke, daß
er in die Hände der Gottlosen übergeben werde, daß sie ihr
Spiel mit ihm treiben dürfen, diese Aussicht legte sich
zentnerschwer auf seine Seele, so daß er betrübt ward bis
an den Tod. Doch er wurde von der Furcht befreit. Sie
wich aufs Gebet ein wenig. Aber dann kehrte sie wieder. Er
betete zum zweitenmal. Wieder wurde ihm leichter. Aber dann
fiel die Angst ihm nochmals auf die Seele. Er flehte zum
drittenmal. Dann war er ganz befreit. Er konnte getrost
sprechen: "Laßt uns aufstehen und von hinnen gehen! Er ist
da, der mich verrät!" Er floh nicht, er ging den Feinden
entgegen wie ein Sieger.
So ist Jesus erhört worden, als er Gebet und Flehen mit
starkem Geschrei und Tränen zu Gott opferte, der ihm vom Tode
aushelfen konnte, aber nicht durfte. Er ist errettet worden
von der Todesfurcht. Er mußte des Todes Bitterkeit schmecken
für uns. Er bekam aber die nötige Kraft von oben zu diesem
schwersten Werk. Wie anbetungswürdig ist diese Erhörung
Gottes! Unzählige erlöste Sünder preisen ihn nun, daß er den
eingeborenen Sohn diesen Schmerzensweg gehen ließ, aber ihm
auch durchhalf. Jesus selbst aber wurde auf diesem Weg
vollendet und zur Rechten Gottes erhöht. Eben weil er sich
bis zum Verbrechertod am Kreuz erniedrigte, wurde er erhöht
über alles und erhielt eine unvergleichliche Machtstellung.
So erhörte Gott nicht, um überschwenglich herrlich zu
erhören.
C.O.Rosenius
Vater, willst Du, so nimm diesen Kelch von Mir; doch nicht
Mein, sondern Dein Wille geschehe! Luk. 22, 42.
Wenn mir einmal meine Augen geöffnet werden, so daß ich
die wichtigste Herzenssache Gottes und Seinen Eifer um die
Errettung der Seele recht sehen und erkennen kann, daß Er
für uns ein Mensch, ein Opferlamm wird, Blut schwitzt,
sich geißeln, kreuzigen und töten läßt, welch ein
unaussprechlicher, großer Trost liegt dann in dem Gebet:
,,Nicht Mein, sondern Dein Wille geschehe!" Es ist vor allen
Dingen notwendig zu wissen und in Wahrheit zu glauben, ja, im
tiefsten Herzensgrund davon überzeugt zu sein, daß Gott will
- und in Ewigkeit nie etwas anderes will -, daß wir selig
werden sollen. Heute und morgen und alle Tage wird Er nichts
anderes wollen.
Wegen dieser Seiner wichtigsten Herzensabsicht kann Er dich
viel bitteres Leiden treffen lassen. Nur zum ewigen Heil
deiner Seele läßt Er deinen ,,äußeren Menschen" umkommen,
läßt Er dich viel zeitliche Trübsal treffen, ja, zuweilen die
bittersten Erfahrungen machen, z. B. den Verlust deiner dir
liebsten Dinge, mit denen dein Herz verwachsen war. Hier
reißt der Tod einen lieben Herzensfreund, vielleicht die
teure Gattin oder ein Kind hinweg; dort verliert ein anderer
auf einmal sein ganzes Hab und Gut. Hier rauben böse
Menschen dir noch etwas Kostbareres, deinen guten Namen; dort
wird ein anderer von einer unheilbaren Krankheit befallen.
Welch unendlich bittere Erfahrungen hat doch das Jammertal
für seine Wandersleute! Da könnte ein Mensch ganz
verzweifeln, wenn er nur auf das blickt, was vor Augen ist.
Kannst du aber mit Asaph ,,in das Heiligtum Gottes gehen" und
die wahre Bedeutung dieses Lebens, den Ernst der Ewigkeit und
die zärtliche Meinung des getreuen Gottes gewahr werden, daß
Er nämlich an deine Seele dachte, als Er dir das zusandte,
dann wirst du mit Anbetung dein Herz vor Gott beruhigen und
auch deine bittersten Erfahrungen für die größte Gnade
halten. Oder weißt du, wie viele Leiden zur Errettung deiner
Seele vonnöten sind? Halte hier still!
Hat dein treuer Gott nun eine so zärtliche Absicht mit dir,
daß Er dich ewig selig im Himmel zu machen gedenkt, solltest
du dann darüber mißvergnügt sein, wenn Er so bittere Mittel
anwendet? Vielleicht hast du beim Gefühl deiner jämmerlichen
Trägheit und Schwachheit in der Heiligung und bei der
Kreuzigung des Fleisches aus der Tiefe gerufen: ,,Gott, ich
kann weder wachen noch streiten und mein Fleisch nicht töten,
wie ich soll; tue Du es, O Herr, töte Du mein Fleisch,
fördere Du meine Heiligung!" Hat der Herr dir jetzt die Gnade
erwiesen und deine Bitte erhört, hat Er jetzt angefangen,
dein Fleisch zu töten - und hat Er kein besseres Mittel
dazu gefunden als gerade dieses Leiden, - willst du dann
mißvergnügt sein? Bitte Gott um einen ergebenen und stillen
Geist, so daß du in dem härtesten Todeskampf deines alten
Menschen beten kannst: ,,Vater, nicht wie ich will, sondern
wie Du willst." Es kommt nur darauf an, sich zu ergeben -
sich in den Tod zu geben, Abschied zu nehmen von diesem Leben
und von jeglichem Gedanken an irdische Seligkeit - und seine
Seele der Ewigkeit zuzuwenden. Diese Bitte wird man in
Gethsemane lernen. Als das Grauen vor den Martern und dem
Tod dem frommen Herzen Jesu die Bitte abpreßte: ,,Ist es
möglich, so gehe dieser Kelch von Mir", fügte Er hinzu ,,doch
nicht wie ich will, sondern wie Du willst!" Das war der Sieg!
Darauf sagte Er mit erleichtertem Geist: ,,Soll Ich den Kelch
nicht trinken, den Mir Mein Vater gegeben hat?" Wenn man sich
erst in den Tod gegeben hat, dann wird das Leiden
erleichtert, so schwer es auch immer sein mag.
,,Aber", sprichst du, ,,wenn es nur mein Vater wäre, der mir
mein Leiden zugesandt hat, ich sehe doch, daß der oder jener
Mensch die Ursache daran ist." Antwort: Das ist die Folge
davon, daß du nicht an einen alleinigen Gott glaubst. Es ist
der Heide in deinem Herzen, der mehrere Götter hat; zuerst
den Schöpfer, dann den Teufel, dann einen bösen Menschen usw.
Glaubtest du stattdessen, was die Schrift lehrt, daß es nur
einen Gott gibt, der über alle anderen Mächte im Himmel, auf
Erden und in der Hölle herrscht, daß der Teufel den Hiob
nicht antasten darf, ohne dazu Erlaubnis erhalten zu haben,
daß die Welt ,,kein Haar auf unserem Haupte ohne den Willen
des himmlischen Vaters krümmen" kann, dann würdest du
einsehen, daß auch das, was böse Menschen dir zufügen, der
Art und dem Grad nach von dem weisen Vater bestimmt ist;
dann würdest du nicht auf das Fleisch schauen, sondern allein
Gott in allen Dingen erblicken. Die Schrift lehrt uns, daß
der Herr es ist, der uns das Leiden sendet, selbst wenn es
uns von bösen Menschen zugefügt wird. Das wußte auch David,
als der böse Mensch Simei ihm fluchte. ,,Lasset ihn
fluchen", sagte er, ,,denn der Herr hat es ihn geheißen:
Fluche David. Wer kann nun sagen: Warum tust du also?" Auch
Jesus Christus wurde von bösen Menschen gemartert, dennoch
aber sagte Er, daß ,,der Vater Ihm den Kelch gegeben" habe.
Und wenn Er sagt: Ein Haar von eurem Haupte soll nicht
umkommen ohne euren Vater", was kann dann ohne den Willen
Gottes geschehen? Was kann unwichtiger als ein Haar sein?
Erschrecklicher Unglaube, wenn wir solche Worte aus Christi
eigenem Munde nicht bedenken! Er hat ja damit ausgesprochen,
daß unser himmlischer Vater für unsere kleinsten
Angelegenheiten Sorge trägt und daß uns ohne Seinen Willen
nicht das geringste widerfahren kann. Sollten wir Ihm dann
nicht mit freudiger Ergebung alles anempfehlen und sagen:
,,Dein Wille geschehe!"?
Gottes Kinder säen zwar
Traurig und mit Tränen;
Aber endlich kommt das Jahr,
Wonach sie sich sehnen.
Denn es kommt die Erntezeit,
Da sie Garben machen;
Da wird all ihr Gram und Leid
Lauter Freud und Lachen.