Lk 19,10
C.Eichhorn
Jesu suchende Liebe
Des Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und selig zu
machen, was verloren ist. Luk. 19, 10
Die Bibel kann man das Buch der suchenden Liebe Gottes
nennen. Schon gleich nach dem Sündenfall geht er dem
Verirrten nach mit der Frage: Adam, wo bist du? Immer macht
Gott den Anfang. Er, nicht der Mensch, knüpft die Verbindung
an. Durch die Reden aller Propheten hören wir die
Aufforderung: "Kehret wieder, ihr Abtrünnigen, so will ich
euch annehmen." Dann erschien Gott selbst in seinem Sohn.
Jesus bezeichnet es als seine eigentliche Aufgabe, zu suchen,
was verloren ist.
Man sucht nicht wertlose Dinge. Wer läßt sich's Mühe und
Zeit kosten, einen verrosteten Schuhnagel zu suchen? Eine
Menschenseele ist ein kostbares Ding. Sie wiegt an Wert eine
ganze Welt auf. Man scheut die Berührung mit dem Schmutz
nicht, wenn ein Goldstück darin liegt. So hat der Sohn
Gottes die lichten Auen verlassen und sich in die dunklen und
dornigen Erdgründe begeben, um die verlorenen Juwelen zu
suchen. Ein Hirte, auch wenn er hundert Schafe hat, bietet
doch alles auf, das eine verlorene zu suchen. Denn die
Schafe sind sein eigen. Dem Mietling, dem sie nicht zu eigen
gehören, ist nicht soviel daran gelegen, wenn eins
verlorengeht. Ein Weib, das nur zehn Groschen besitzt, sieht
es als großen Verlust an, wenn es einen verliert. So
betrachtet es auch die ewige Liebe als empfindlichen Verlust,
wenn ihr auch nur eine Seele abhanden kommt. Denn wie der
Groschen das Bild des Königs trägt, so ist dem Menschen das
Bild Gottes aufgeprägt, wenn die Züge auch verwischt,
beschädigt, durch Staub und Schmutz entstellt sind.
Sobald eine Seele anfängt, den Herrn zu suchen, hat er sie
schon zuvor gesucht. Er geht nicht mit auf den Wegen des
Eigenwillens und des Ungehorsams. Aber er geht nach auf
diesen Irrwegen. Er sucht durchs Wort und läßt seine Stimme
immer wieder erschallen. Er bedient sich so mancher
Schickungen, durch die er den verlorenen Sünder so in die
Enge treibt, daß er zuletzt nicht anders kann, als in die
Hände des Guten Hirten sich zu geben, dem er solange
ausgewichen war.
Eine Seele, die sich zur Umkehr entschlossen hat, meint, sie
müsse alles aufbieten, den Herrn zu finden. Derweilen hat er
alles aufgeboten, die Seele wiederzugewinnen. Er hat es sich
das Leben kosten lassen. Er hat Tränen geweint über die
Verblendeten, die in ihr Unglück rannten, weil sie seiner
Lockstimme nicht Gehör gaben. Den Herrn finden, heißt im
Grunde: sich von ihm finden lassen. Anbetung sei dieser
suchenden Liebe des Herrn!
Du hast dich unser angenommen, dich jammert unser gar zu sehr.
Weil wir zu dir nicht konnten kommen, kamst du zu uns von oben her.
Es war die wundervollste Lieb', die dich zu uns ins Elend trieb.
D.Rappard
Des Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen . . . . was
verloren ist.
Luk. 19,10.
Der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und
suchet, welchen er verschlinge.
1. Petr. 5,8.
Von zwei S u c h e r n ist in diesen Worten die Rede. Der
Eine ist unser treuer Heiland, Jesus, der es selbst bezeugt,
wie er die Verlorenen sucht. Der andere ist unser Widersacher,
der Teufel, der in der Finsternis herumschleicht und
sucht, welchen er verschlinge. Und zwischen diesen beiden
Mächten ist die Menschenseele, und von dem Erfolg dieses Suchens
hängt die Ewigkeit ab: ewige Seligkeit oder ewige Gottferne.
Auch wenn der Gute Hirte ein verlorenes Schäflein im
Dorngestrüpp der Sünde gefunden und es auf seinen Achseln
heimgetragen hat, hört sein zartes, ernstes Suchen nicht auf.
Er sucht es näher zu ziehen an sein Herz. Denn leicht irrt
das Lamm wieder hinweg von der schützenden Hürde, und
solche unbewachte Augenblicke sind voll Gefahr.
O laßt uns wachen allezeit und beten! Je sorgfältiger wir
auf des Heilands Stimme achten, desto früher merken wir
das Herannahen des Feindes, ob er nun als brüllender Löwe
kommt, oder als gleißende Schlange, oder gar in Lichtengels-Gestalt.
- Möge dies Wort vom s u c h e n d e n Hirten und
vom s u c h e n d e n Löwen uns heute im Herzen klingen,
lockend, mahnend, bewahrend!
O Du guter Hirte, der Du mich gesucht und
gefunden hast, Dein Stecken und Stab beschütze
mich vor den Nachstellungen des Feindes. Halte
mich bei Dir!