Lk 19,7
C.H.Spurgeon
Da sie das sahen, murrten sie alle, daß er bei einem Sünder
einkehrte. Luk. 19, 7.
Jesu Ruf ist ein zärtlicher und liebevoller Ruf.
Der Heiland sagt zu Zachäus: "Ich muß heute in deinem Hause
einkehren." Man kann sich leicht vorstellen, wie sich die
Gesichter der Weisen verändert haben mögen. Sie hatten Christus
für den heiligsten Menschen gehalten, und waren bereit, Ihn zum
König zu machen. Aber Er sagt: "Heute muß ich in deinem Hause
einkehren." Da war ein armer Jude, der vormals von Zachäus vor
Gericht gezogen worden war, und der sich noch wohl erinnerte,
wie es ihm in diesem Hause zumute war. Da war ein anderer Jude,
der beinahe seines Vermögens beraubt worden war. Diesem war der
Gedanke an das Haus des Zachäus, wie wenn er in eine Löwengrube
hätte gehen sollen. "Was!" sagten sie, "geht dieser heilige
Mann in eine solche Höhle, in der wir armen Leute beraubt und
mißhandelt worden sind? Es war arg genug für Christus, daß er
ihn auf dem Baum anredete, aber der Gedanke, nun auch vollends
in sein Haus zu gehen, ist uns unerträglich." So murrten die
Juden über Jesus, als er ein Gast sein wollte bei einem Mann,
der ein Sünder war. Manche von seinen Jüngern dachten: es sei
sehr unvorsichtig; es könnte dem Charakter und Ansehen Christi
schaden, und Er möchte das Volk beleidigen. Sie dachten, Er
hätte zu Zachäus bei Nacht gehen sollen, wie Nikodemus, wo es
niemand gesehen hätte; aber öffentlich sich zu einem solchen
Manne bekennen, sei doch eine sehr unvorsichtige Tat. Aber
warum handelte Jesus auf die Weise, wie er tat? Antwort: weil
Er dem Zachäus einen liebreichen und herzlichen Ruf geben
wollte. "Ich will nicht kommen und auf deiner Türschwelle
stehenbleiben, oder nur zu deinem Fenster hineinsehen, sondern
ich will in dein Haus kommen - in das Haus, wo das Geschrei
der Witwen zu deinen Ohren gedrungen ist, du aber sie nicht
beachtet hast; ich will in dein Amtszimmer kommen, wo das
Weinen der Waisen dich nie zum Mitleid bewogen hat; ich will
dahin kommen, wo du, wie ein gefräßiger Löwe, deine Beute
verzehrt hast; ich will an den Ort kommen, von wo zum Himmel
ein Geschrei aufgestiegen ist von den Lippen der Menschen,
die du unterdrückt hast; ich will in dein Haus kommen, und
dir einen Segen geben."
O! welche Liebe und Zärtlichkeit war in dieser Handlung des
Herrn Jesu! Armer Sünder, siehe, wie zärtlich mein Meister
gesinnt ist! Er will in dein Haus kommen. Was für ein Haus
hast du? Ein Haus, das du unglücklich gemacht hast durch
Trunkenheit - ein Haus, das du mit Unreinigkeit und Wollust
befleckt hast - ein Haus, das du mit Fluchen und Schwören
verderbt hast - ein Haus, darin du ein schlechtes Gewerbe
getrieben hast, von dem du gerne los sein möchtest? Christus
sagt: "Ich will in dein Haus kommen." Und ich kenne manche
Häuser, welche einst Höhlen der Sünde waren, wohin jetzt
Christus alle Tage kommt; wo der Hausvater und die Hausmutter
einst miteinander zankten und sich schlugen, wo beide aber
jetzt miteinander ihre Knie beugen vor dem lebendigen Gott.
Christus kommt jetzt zu ihnen bei ihren Mahlzeiten und
Arbeiten, wo sie zu Ihm beten und sein Wort lesen und
betrachten. Wo einst die Mauern mit lustigen Liedern und
schlechten Bildern überzogen waren, da hängt jetzt ein
christlicher Kalender, da liegt eine Bibel; und obgleich die
armen Leute nur ein Zimmer zum Bewohnen haben, so würde doch,
wenn ein Engel käme und Gott fragte: "was hast du in dem Hause
gesehen?" die Antwort lauten: "Ich habe guten Hausrat gesehen,
denn es ist eine Bibel da, auch hier und da ein gottseliges
Buch; die schmutzigen Bilder sind weggerissen und verbrannt;
die Spielkarten sind auch hinweggetan; Christus ist in das Haus
eingezogen." O! welch ein Segen, daß wir auch unseren Hausgott
haben dürfen, und zwar den lebendigen, persönlichen, in Jesus
Christus uns versöhnten Gott, wie Ihn einst die heidnischen
Römer nicht hatten, als sie ihre steinernen Hausgötter in ihren
Wohnungen aufstellten. Unser Gott ist ein Hausgott, er kommt
und lebt bei seinem Volk; er liebt die Zelte Jakobs.