Lukas

Lk 19,3 C.Eichhorn Gestilltes Heilsverlangen (I) Zachäus begehrte, Jesum zu sehen. Luk. 19, 3

Dieser Oberzöllner war eine suchende Seele. Früher beherrschte ihn ein anderer Trieb: Er wollte reich werden. Das Geldinteresse erfüllte seine Seele. Der Mammon übte eine unheimliche Anziehungskraft auf ihn aus. Konnte er ein Sümmchen einstreichen, dann lachte sein Herz. Dem Geld zuliebe opferte er sein Gewissen. Er befleckte es durch allerhand Unredlichkeiten. Er dachte nicht an Gott. Wenn er betete oder am Sabbat in der Synagoge war, blieb er innerlich unberührt. Denn der Mammonsdienst versteinert das Herz. Ach, die armen Geldmenschen! - Es wurde anders bei Zachäus. Wie? Er wußte es vielleicht selbst nicht. Der verborgene Zug des Vaters zum Sohn bewirkte in ihm eine Wendung. Das Gewissen fing an, sich zu rühren. Das Geld verlor von seinem Zauber. Er war nicht mehr der alte. Seine Umgebung mochte es wohl spüren, wie sein Wesen etwas Gedrücktes hatte, wie er oft in Gedanken versunken dasaß. - Er hatte von Jesu gehört. Früher hatte ihn dieser von vielen hochgepriesene Rabbi kaltgelassen. Was wollt ihr mit diesem Zimmermannssohn, dem keine Geldmittel, keine Stellung und keine Macht zu Gebote stehen? Aber nun bekam dieser Jesus eine Anziehungskraft für ihn. Hörte er doch, daß Zöllner und sonstige Sünder eine gute Aufnahme bei ihm fanden. "Das ist der Mann, den du brauchst. Der kann das Sehnen deiner Seele stillen und die Fragen lösen, die dich quälen." Nun zog der Heiland durch Jericho. "Ich muß ihn sehen", hieß es in ihm. Das war nicht gewöhnliche Neugier oder Schaulust, sondern Heilsbegierde. - Das Verlangen war so stark, daß er alle Hindernisse durchbrach. Weil er klein von Statur war, bestieg er einen Maulbeerbaum. Er gab sich dadurch dem Spott und dem Gelächter preis. Es mochte wohl mancher mit den Fingern nach ihm deuten; doch danach fragte er nicht. Er beachtete es gar nicht weiter, sein Auge war gespannt auf den Einen gerichtet. Sein Herz schlug stark vor Erwartung. - Wer zu Jesu kommen will, darf keine Rücksichten nehmen. Wie sehr sind wir von Natur durch Menschenrücksichten, Familienrücksichten, Standes-, Geschäfts- und gesellschaftliche Rücksichten gebunden! Wie viele bleiben darin stecken! Sie können diese Ketten nicht zerreißen. Zachäus schob alles auf die Seite. Er mußte unbedingt Jesus sehen. Und wie gut war es, daß es bei ihm hieß: jetzt oder nie! Denn in der Tat, es war die einzige und letzte Gelegenheit, Jesus zu sehen. Es war der letzte Gang des Heilands durch Jericho. Er war auf dem Weg nach Jerusalem zu seinem Todesleiden. Verpaßte Gelegenheiten werden vielen in der Ewigkeit zu schaffen machen.





C.H.Spurgeon Und er begehrte Jesum zu sehen, wer er wäre, und konnte nicht vor dem Volk; denn er war klein von Person. Luk. 19, 3.

Zachäus hatte, wie unser Text zeigt, ein großes Verlangen, den wunderbaren Mann, Jesus Christus, zu sehen, der das ganze jüdische Land in Bewegung setzte; allein diesem Verlangen standen zwei Hindernisse entgegen: erstens, daß er vor der Menge des Volkes dem Heiland nicht nahe kommen konnte; und zweitens, daß er von Person so klein war, daß er nicht hoffen konnte, über die Leute hinwegsehen und Jesus erblicken zu können. Was tat er nun? Er machte es wie die Kinder: er stieg auf einen Baum und setzte sich unter die Kinder auf den Ästen. Die Kinder fürchteten diesen strengen alten Zöllner, sie warfen ihn nicht vom Baum hinab, belästigten ihn auch sonst nicht. Sehnsüchtig blickte er hinab, um Jesus zu sehen, wer Er wäre - denn der Heiland hatte keinen pomphaften Aufzug; kein Gerichtsdiener ging vor Ihm her mit einem silbernen Stab; der Heiland hielt keinen goldenen Krummstab in seiner Hand; Er hatte keine hohepriesterliche Kleidung; Er war bekleidet wie die Leute, die um Ihn her waren. Er trug, wie die gemeinen Leute, einen Rock aus einem Stück von oben bis unten; und daher konnte Zachäus Ihn kaum erkennen. Jedoch, ehe er Christus sah, hatte Christus sein Auge auf ihn gerichtet, und unter dem Baum stehend, sah der Heiland hinauf zu ihm!

Mancher lacht über den Gedanken, daß noch ein frommer Mensch aus ihm werden könnte oder würde. "Was?" sagt er, "glaubt ihr, ich werde mich noch zu den Frommen halten?" Nein, lieber Freund, ich glaube es nicht, wenn du so sprichst, ja ich weiß es gewiß, daß du dich nicht zu den Frommen halten wirst. Aber wenn Gott sagt: "Ich muß bei dir einkehren," so hilft aller Widerstand nichts.