Lk 15,5
S.Keller
Luk. 15, 5: «Und wenn er's gefunden hat, so legt er es auf
seine Achseln mit Freuden.»
An diesem Vers, den ich vielleicht hundertmal in meinem Leben
gelesen, fiel mir heute abend zum erstenmal der Gedanke auf:
wie schwer so ein erwachsenes Schaf zu tragen ist und wie
weit es sich von der Herde weg verirrt haben konnte, so daß
es galt, diese Last vielleicht eine oder zwei Stunden weit zu
tragen. Notwendig wird es gewesen sein, denn das arme Ding
hatte sich auf Steingeröll beim sinnlosen Fortspringen die
Füße müde und wund gelaufen. Und dann steht noch dabei, daß
er das nicht mit Seufzen tat, sondern mit Freuden! Mit einem
Schlag ward ich tief beschämt. Nicht nur, daß Jesus mich
überhaupt so geduldig gesucht, so lange, bis er mich fand.
Nein, vielmehr, daß er nachher noch so viel Last mit mir
gehabt hat und ich ihm vielleicht außer der natürlichen
Schwere noch so viel Not mit meinem ungeduldigen Zappeln
gemacht habe! Und das alles mit Freuden! Wie beugt mich
solche Vorstellung! Meine Hirtenpflicht habe ich sehr oft
mit Seufzen, sehr, sehr selten wirklich mit Freuden getan!
Und er? Soll nun solch eine kleine Beobachtung nicht heißen,
demütige Liebe in der Seele anfachen zu einem solchen Jesus!
Es töne fort das Wort: Mit Freuden!
Herr Jesus, großer Menschenherden guter und getreuer Hirt,
was soll ich zu solcher überwältigenden Liebe sagen? Ich
beuge mich und bete drüber an und staune über dich! Ach, laß
mich noch leben und arbeiten für dich, damit ich noch etwas
mit Freuden für dich tun kann! Amen.