Lk 13,24
C.O.Rosenius
Ringet danach, daß ihr durch die enge Pforte eingehet.
Luk. 13, 24.
Welches ist wohl das letzte Ziel für all unsere geistlichen
Bestrebungen, für unser Forschen und Lesen? Ist es nicht
dieses, daß wir selig werden, daß wir hier in einem guten
Verhältnis zu Gott stehen und im Tod zu Ihm heimgehen und
allezeit bei Ihm sein werden? Müßten wir darum nicht
stillhalten und untersuchen, ob unsere geistlichen Bemühungen
auch von der Beschaffenheit sind, daß sie uns wirklich zu
diesem seligen Ziele führen, damit wir weder ,,als aufs
Ungewisse laufen, noch fechten, als die in die Luft
streichen"? Es ist notwendig, erst zu untersuchen, ob auch
alle geistlichen Bestrebungen ans Ziel führen, und ob ein
jeder, der in irgendeiner Weise nach dem Reiche Gottes
trachtet, auch wirklich hineinkommen wird, oder ob es im
Gegenteil nur einen Weg zum Leben gibt. Dann bleibt zu
untersuchen, ob wir uns auf diesem allein selig machenden Weg
befinden, so daß wir mit Freuden die Jahre zu Ende eilen
sehen können, oder ob wir zuvor noch zu einem anderen Leben
kommen müssen, bevor wir selig sterben können. - Traurig,
schrecklich, wenn man nicht Gnade zu einer solchen Besinnung
erhält! Traurig, schrecklich, wenn man die Sache mit dem
Leichtsinn seiner fleischlichen Sicherheit abmachen kann,
ohne Prüfung vor dem Herrn! Wer aber Gnade zur Besinnung
erhält und wer gegen seine Seele aufrichtig sein will, der
hüte sich davor, die Antwort auf seine Fragen aus der Luft
zu holen oder sich niederzusetzen, um nur zu denken oder
nachzusinnen und unmittelbare Antwort im Herzen zu erwarten.
In so wichtigen Fragen darfst du auch nicht nach den
Meinungen eines Menschen fragen, sondern mußt nur auf das
Wort des Herrn achten, der am Jüngsten Tag richten wird.
Deshalb führen wir einige bedenkenswerte Worte aus dem Mund
Jesu an. Gott gebe uns Gnade, sie recht zu beachten!
Jesus sagt: ,,Ringet danach, daß ihr durch die enge Pforte
eingeht; denn viele werden, das sage Ich euch, danach
trachten, wie sie hineinkommen, und werden es nicht tun
können." Hier wird die wichtigste Frage diese sein: Was
bedeutet dies? Wie geschieht es, daß auch solche, die danach
trachten, durch die enge Pforte einzugehen, es nicht werden
tun können? Glücklicherweise hat der Herr auch dies erklärt.
Und die Erklärung der Schrift darüber ist eine zweifache.
Die erste lautet so:
Viele trachten nach dem Reiche Gottes, tun es aber nicht
mit genügendem Ernst, um durch die enge Pforte eingehen
zu können. Sie sind erweckt, aber nicht ganz wach; sie
wollen Gott und Seine Gnade, aber auch die Welt und ihre
Freundschaft haben. Sie wollen zwei Herren dienen und nicht
alle Sünden fahren lassen.
Christus sprach: ,,Wer zu Mir kommt und haßt nicht sein
eigenes Leben, wer nicht um Meinetwillen alles fahren lassen
kann - Vater, Mutter, Bruder, ja, sein eigenes Leben -, der
kann nicht Mein Jünger sein. Er ist gleich einem Menschen,
der einen Turm baute, aber nicht hatte, es hinauszuführen."
Er hat dann gewiß Mühe und Kosten daran gewandt, hat aber
nichts davon. Es war ein reicher Jüngling, der Jesus
nachfolgen wollte, es ließ sich aber nicht tun mit
Beibehalten des Reichtums; und als er hörte, daß er diesen
fahren lassen müßte, ging er betrübt von dannen.
So geht es vielen. Welch herzzerreißender Umstand, daß sie
dann betrübt von dannen gehen! Sie waren der Pforte des
Himmels so nahe. Sie sahen den Herrn und liebten Ihn in
gewisser Weise, waren aber gezwungen, von Ihm wegzugehen,
denn sie konnten nicht alles um Seinetwillen verlassen. Sie
trachteten also danach, hineinzugehen, konnten es aber nicht
tun. - Andere gehen unwissend, in falschem Troste fern vom
Herrn; sie meinen, daß sie Ihm angehören, obwohl ihnen die
Kennzeichen der Neugeburt und der neuen Kreatur fehlen. -
Noch andere wollen wohl um alles in der Welt das Suchen
nicht aufgeben, meinen auch nicht, daß mit ihnen alles schon
gut stehe; das eigentliche Eingehen durch die Pforte aber
schieben sie fortwährend auf. Sie denken an die Bekehrung
und den Glauben, ihre eigene Bekehrung aber vorzunehmen, oder
jetzt Gnade und Versöhnung mit Gott zu suchen und die Gabe
des Glaubens, das Leben und den Frieden des Glaubens zu
suchen, daraus wird nichts, weil sie zögern und warten, bis
es zu spät ist. Sie zögern ein Jahr nach dem anderen und
meinen, daß der Herr immer auf sie warten und ihnen die Tür
nicht zuschließen würde, bevor sie hineingegangen sind; so
werden sie betrogen, daß sie schließlich nicht hineingehen
können.
Die andere Ursache ist viel schwerer zu fassen, sie ist ,,der
eigentliche Stein des Anstoßes und der Fels des Ärgernisses.
Viele werden so ernstlich danach trachten, durch die enge
Pforte einzugehen, daß sie deshalb Vater, Mutter, Brüder
verlassen, ja, daß sie ihr eigenes Leben drangeben können,
sie werden aber nur deshalb nicht eingehen können, weil sie
nicht einer Sache entsagen wollen, an der sie noch mehr als
an ihrem Leben hängen, nämlich an ihrer eigenen Meinung und
dem Ansehen ihrer eigenen Bekehrung und Entsagung. Mit
anderen Worten: Sie trachten danach, durch die enge Pforte
einzugehen, lassen sich aber nicht sagen, wo diese ist,
sondern gehen darauf los und stoßen mit dem Kopf gegen die
Mauer, wo keine Pforte ist. Das sind die Leute, die Jesus
mit dem Manne auf der Hochzeit beschreibt, der kein
hochzeitliches Kleid anhatte, und mit den Jungfrauen, die
ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen, aber
kein Öl in ihren Gefäßen mit sich nahmen. Sie haben Christus
und den Glauben zwar in der Lehre, im Verstand und im Mund,
im Herzen aber ist etwas anderes ihr Weg, etwas anderes ihnen
wichtiger - nämlich das, was sie selbst ,,durch Gottes Hilfe"
sein und tun sollen.
Geht drum hin und fallet nieder,
Bittet: Herr, erforsche mich
Sucht das Wort, durchsucht es wieder,
Prüft euch doch ganz ernstiglich
Laßt euch sagen und zerschlagen,
Wenn euch Gott im Worte lehret,
Daß ihr Ihm nicht angehöret.