Lk 13,3
C.O.Rosenius
Wenn ihr euch nicht bessert, werdet Ihr alle auch also
umkommen. Lukas 13, 3.
Du sagst: ,,Ganz unmißverständlich steht hier: Wenn ihr euch
nicht bessert, werdet ihr umkommen. Wenn nun diese Besserung
auch nicht dasselbe wie Verbesserung, Erneuerung und
Heiligung oder Reinigung vom Bösen bedeutet - wozu man keine
Kraft haben kann, bevor man nicht in Christus eingepfropft
ist und den Heiligen Geist empfangen hat -, so ist doch das
erforderlich, was sie eigentlich beinhaltet, nämlich Reue,
Zerknirschung, Sündennot. Ich befürchte, daß diese bei mir
nicht so sind, wie sie sein müßten; ich bin vielmehr hart
und verstockt, wie kann ich dann glauben?"
Antwort: ,,Es ist wahr, daß Bekehrung (Besserung) notwendig
ist, die mit irgend welchem Sündengefühl anfängt und nachher
unter den Besserungsversuchen zur Sündenerkenntnis, zur
geistlichen Armut oder zur Entblößung alles eigenen Trostes
übergeht. Um aber zu wissen, ob diese Bekehrung so ist, wie
sie sein soll, mußt du den Zweck derselben kennen und
bedenken; denn das, was seinen Zweck erreicht, ist so, wie
es sein soll.
Jetzt fragt es sich: ,,Was ist der eigentliche Zweck der
Bekehrung?" Du sollst durch sie nicht Gott angenehm und
begnadigt, sondern zu Christus getrieben werden. Paulus
bezeugt es so: ,,Das Gesetz ist unser Zuchtmeister gewesen
auf Christus, daß wir durch den Glauben gerecht würden." Wenn
du darum noch eine Zeitlang fern von Christus in der Welt und
der Sicherheit ohne Gewißheit deiner Begnadigung bei Gott
dahinleben kannst, dann ist dein Sündengefühl wahrlich
zu klein. Kannst du deine Seligkeit noch in eigener
Bekehrungsarbeit, in Reue, Gebet usw. suchen, dann ist deine
Sündenerkenntnis noch nicht rechter Art. Sobald du aber gar
keinen Frieden erhältst und in Ungewißheit über die Gnade
Gottes in der Welt nicht leben kannst, oder sobald du gar
keinen Trost in dir, deiner eigenen Bekehrung, deiner Reue,
deinem Gebet erhalten kannst, sondern so, wie du bist, zur
freien Gnade in Christus fliehen mußt, dann ist deine
Bekehrung rechter Art; denn sie erfüllt ihren Zweck, der
darin besteht, dich zu Christus zu treiben. In ihm bist
du errettet und selig, - du bist in der Freistadt. ,,Wer
den Sohn Gottes hat, der hat das Leben."
Wenn deine Sündenerkenntnis rechter Art ist, wirst du sie
nicht so finden, wie du es möchtest; denn dann erhieltest du
Trost in derselben, dann erhieltest du Trost in etwas in dir
Vorhandenem, und all solcher Trost sollte dir ja genommen
werden. Die rechte Bekehrung ist also, unzufrieden mit
seiner Bekehrung zu sein, ja, ein solches Gefühl der Härte,
der Sicherheit, des innersten und tiefsten Verderbens zu
haben, daß du gründlich genötigt wirst, nicht dem flüchtigen
Gefühl, sondern deiner vollen Überzeugung nach dich selbst
als hart, sicher, gottlos, verloren und verdammt zu richten.
Dann erst erhält Christi Blut allein die Ehre, dich zu erretten.
Wenn du also fragst, wieviel Sündengefühl erforderlich ist,
dann kann man dir nur antworten: ,,Es ist nicht viel, nämlich
nur so viel, daß du nicht ohne Christus leben und keine Ruhe
erhalten kannst, bevor du nicht in Ihm selig bist. Mehr
braucht es nicht, aber auch nicht weniger." Es ist auch ein
Irrtum, zu glauben, daß die Sündennot zuerst ihre Zeit vor
dem Glauben haben solle, und darauf käme dann die Zeit für
Glaube, Friede, Freude und lauter Heiligkeit. Fange nur an,
an Christus zu glauben und folge ihm in der täglichen
Bekehrung, dann wirst du die Sünde wahrlich mehr fühlen
müssen als zuvor.
Einer der feinsten und stärksten Kunstgriffe des Teufels ist
darum folgender: Einem Menschen, der im allgemeinen dem
ganzen Wort Gottes glaubt und außerdem ernstlich die Kraft
desselben im Herzen und im Wandel sucht, der aber eine
schwere Sünde auf dem Gewissen hat, flößt der Teufel folgende
Gedanken ein: ,,Zwar ist das Evangelium wahr und die Gnade
groß, und die Sünden sind getilgt, so daß Sünder im
allgemeinen Gnade erhalten können; aber - mit dir verhält es
sich ganz anders, denn du bist dir ja selbst dessen bewußt,
was du getan hast. Wenn nur dies oder jenes nicht gewesen
wäre (zum Beispiel eine der stummen oder rufenden Sünden
gegen das fünfte, sechste oder siebente Gebot), dann hättest
du Gnade erhalten können, jetzt aber ist bei dir eine
besondere Ausnahme." Gerade dies ist der giftigste Kunstgriff
der alten Schlange, des Teufels, der ein ,,Lügner und Mörder
von Anfang" ist. Denn die Wahrheit ist doch, daß es keine
Ausnahme, kein besonderes Verhältnis gibt, wo Christi Blut
nicht reichlich und mächtig versöhnt, wenn es von einem
notleidenden Sünder mit dem Glauben umfaßt wird. Es ist
gerade der vornehmlichste Inhalt des Evangeliums, der sowohl
mit Worten als auch mit Beispielen durch das Alte und Neue
Testament hindurch bestätigt wird, daß, ,,wenn deine Sünden
auch blutrot sind, so sollen sie doch schneeweiß werden, und
wenn sie gleich sind wie Rosinfarbe, sollen sie doch wie
Wolle werden." König David, der Ehebruch und Mord beging,
Manasse und der Übeltäter am Kreuz, die große Sünderin, der
verleugnende Petrus und viele andere sind überzeugende
Beispiele dafür. Ja, gerade für solche schrecklichen Fälle,
denen niemand weder im Himmel noch auf Erden abhelfen kann,
ist Gottes Sohn Mensch geworden, hat Er geblutet und ist Er
gestorben, auf daß ein jeder, der an Ihn glaubt, nicht
verloren werden, sondern das ewige Leben haben soll.
Im Evangelium Vergebung nur erschallet,
Wird's Herz darüber froh, so daß es widerhallet
Mit Amen, Lob und Freud', ist die Bekehrung wahr,
Und Fluch und Not und Leid verschwand auf immerdar.