Lk 12,39
C.O.Rosenius
Wenn ein Hausherr wüßte, zu welcher Stunde der Dieb käme,
so wachte er und ließe nicht in sein Haus brechen.
Luk. 12, 39.
Mit diesem Gleichnis vom Dieb will der Herr Jesus uns die
Gefahr zeigen, für Seine Ankunft nicht bereit zu sein.
Zugleich macht er uns aber auch deutlich, daß, da wir doch
sicherlich wachen würden, wenn wir die Stunde Seiner Ankunft
wüßten, Grund vorhanden ist, alle Stunden bereit zu sein.
Das ist der Zweck des Gleichnisses, das sehen wir aus der
eigenen Anwendung des Herrn: ,,Darum seid ihr auch bereit;
denn des Menschen Sohn wird kommen zu der Stunde, da ihr es
nicht meint."
Diese Rede Christi macht den Traum ganz zuschanden, daß mit
Seiner sichtbaren Ankunft eine neue, herrlichere Gnadenzeit
auf Erden und nicht das jüngste Gericht anfangen werde. Eine
solche Ankunft Christi wäre ja nicht gefährlich wie die
des Diebes. Der Herr aber sagt, daß Er, wenn Er in Seiner
Majestät kommen wird, alle Völker richten wird, und zwar
sollen die Gerechten eingeladen werden, das Reich zu ererben,
das ihnen bereitet ist von Anbeginn der Welt, die anderen
aber werden in das ewige Feuer gewiesen werden. So ist auch
der apostolische Glaube von Anfang an gewesen: ,,Aufgefahren
gen Himmel, von dannen Er kommen wird, zu richten die
Lebendigen und die Toten." Wie gelehrt, fromm und wohlmeinend
jene Ausleger auch sein mögen, die den vielen deutlichen
Erklärungen des Herrn Jesus hierüber widersprechen - daß
Er, wenn Er einst sichtbar in den Wolken kommen wird, dann
zum großen Gericht kommt -, so müssen wir freimütig ihre
Auslegung wie auch jeden anderen Einspruch gegen die
deutlichen Worte Christi verwerfen und von uns weisen.
Ebenso schlägt dieser Text den anderen Traum zu Boden, mit
dem eitle Menschen sich trösten, daß, wenn man im Leben nicht
in ein gutes Verhältnis zu Gott gekommen ist, dies noch nach
dem Tod geschehen könnte, weil es auch in der Geisterwelt
eine Gnadenzeit gäbe. Wäre dies Wahrheit, dann brauchte
Christus es nicht so wichtig zu machen, bereit zu sein, wenn
Er kommt. Ja, dann würden es lauter nichtige Worte sein,
wenn die Schrift sagt: ,,Heute, heute, so ihr Seine Stimme
hört" - ,,jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des
Heils."
Christus lehrt: Wenn Er entweder im Tod oder in Seiner
eigenen sichtbaren Erscheinung kommt, ist es mit der
Gnadenzeit vorbei, und dann sind nur das entscheidende
Gericht und die bange Ewigkeit zu erwarten. ,,Seid darum
bereit, wenn des Menschen Sohn kommt", sagt Er, bereit und
fertig, mit Ihm in den Hochzeitssaal einzugehen. Wer dann
nicht bereit ist, wer dann kein Öl für seine Lampe hat,
sondern es sich noch verschaffen will, wird auf ewig
ausgeschlossen. So lehrt der Herr Matth. 25, 1-12. Und die
Jungfrauen riefen und baten: ,,Herr, Herr, tue uns auf!"
Aber nein, hier gab es keine Gnade mehr, - die Gnadenzeit
war vorbei. So lehrt der Herr. Deshalb fügt Er dort auch
hinzu: ,,Darum wachet, denn ihr wisset weder Tag noch
Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird."
O, ist es wahr, was der Herr hier verkündigt hat, daß es für
ewig mit aller Gnade vorbei ist, daß also die Seligkeit
derjenigen Menschen verloren ist, die nicht bereit sind,
wenn Er kommt oder wenn Er sie durch den Tod abruft? Wie
es unserer blinden Vernunft auch erscheinen mag, so hat Er
es doch gesagt, der der ewige Richter ist. Wem sollte
ich glauben, wenn nicht Ihm? Dann aber ist es ja ganz
erschrecklich, auch nur eine einzige Stunde nicht bereit zu
sein, einen einzigen Abend einzuschlafen, ohne bestimmt zu
wissen, daß man in der Freundschaft Gottes steht. Bedenke,
wenn der Tod dich überrascht (er kommt ja oft wie ein Dieb
in der Nacht), so daß du hier nicht mehr aufwachst, und du
bist unselig in die Ewigkeit eingegangen! Hier gibt es keine
Worte, das Furchtbare eines solchen Falles auszudrücken.
Auf ewig unselig - auf ewig verloren! Vor diesem ewigen
Verderben warnt Jesus Christus uns.
Und welchen Rat gibt Er uns, diesem furchtbaren Ende zu
entgehen? ,,Seid bereit", spricht Er, ,,wachet!" Und was
heißt ,,bereit zu sein"? Es kann ja nur bedeuten, daß wir in
einem solchen Verhältnis zu Gott stehen, wie es das Wort des
Herrn von dem für die Seligkeit durchaus Notwendigen lehrt.
Und dies ist, daß wir ,,bekleidet sind und nicht nackt
erfunden werden", daß wir mit ,,dem hochzeitlichen Kleid"
bekleidet sind. Es ist eine überaus bedenkenswerte
Verkündigung, wenn Jesus sagt, daß auch unter denen, die die
Hindernisse der Hantierung und des Ackers überwanden, sich
solche befinden, die schließlich in die äußerste Finsternis
geworfen werden sollen! Und das nur deshalb, weil sie nicht
diese Erfahrung, diese Art Bekehrung hatten, durch die man
allen Trostes in seiner eigenen Frömmigkeit so entkleidet und
beraubt wird, das man Christi Gerechtigkeit und das Wort des
Evangeliums von Ihm nicht entbehren kann. Wenn du nicht
,,einen Bund mit dem Tod und mit der Hölle einen Vertrag"
gemacht hast, dann mußt du diese Worte des Herrn zu Herzen
nehmen und dich vor Ihm fragen:
,,Stehe ich in einer so beschaffenen Erfahrung? Ist
Christus, Seine Versöhnung und Seine Gerechtigkeit mein
Lebensbedürfnis, so daß ich nicht nur verstehe und weiß,
daß es so sein soll, sondern daß ich wirklich darin lebe,
wirklich von meiner Sündennot gezwungen werde, ,,meine
Kleider im Blutdes Lammes zu waschen"? Sieh, ist es so mit
dir bestellt, dann beuge dich vor Gott und bete an! Denn
dann bist du gewiß ,,in das hochzeitliche Kleid gekleidet".
Der Herr bricht ein zur Mitternacht,
Jetzt ist noch alles still;
Wohl dem, der sich nun fertig macht
Und ihm begegnen will.
Er hat es uns zuvor gesagt
Und einen Tag bestellt;
Er kommt, wenn niemand nach Ihm fragt,
Noch es für möglich hält