Lk 11,27
C.H.Spurgeon
,,Und es begab sich, da Er solches redete, erhob ein Weib die
Stimme, und sprach zu Ihm: Selig ist der Leib, der Dich getragen
hat, und die Brüste, die Du gesogen hast. Er aber sprach: Ja,
selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren."
Lk. 11, 27. 28.
Es hegen manche mit einer großen Vorliebe die Vorstellung, es
müsse für Maria etwas ganz besonders Erhebendes und Seliges
gewesen sein, zu wissen, sie sei die Mutter des Herrn, weil sie
voraussetzen, sie habe das herrliche Vorrecht genossen, in das
Innerste seines Herzens hineinzublicken in einer Weise, wie
wir's nie hoffen und erwarten können. Es ist ein gewisser Schein
von Wahrheit in dieser Voraussetzung, aber ohne triftigen Grund.
Es ist uns nicht bekannt, daß Maria mehr gewußt hätte als andre;
was sie wußte, das bewegte sie in ihrem Herzen; aber aus allem,
was wir im Neuen Testament lesen, scheint nicht im geringsten
hervorzugehen, daß sie eine tiefere Glaubenserkenntnis besessen
habe, als die übrigen Jünger Christi. Alles, was sie wußte,
können wir ebensogut erfahren. Wunderst du dich etwa darüber,
daß du dies hörst? Hier ist eine Stelle, die es bezeugen kann:
,,Das Geheimnis des Herrn ist unter denen, die Ihn fürchten; und
seinen Bund läßt Er sie wissen." Dabei denkt an des Meisters
Worte: ,,Ich sage hinfort nicht, daß ihr Knechte seid; denn ein
Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich
gesagt, daß ihr Freunde seid; denn alles, was ich habe von
meinem Vater gehört, habe ich euch kund getan." So seliglich
enthüllt uns dieser göttliche Offenbarer aller Geheimnisse sein
Herz, daß Er mit nichts zurückhält, was uns zum Segen dienen
kann, und Er fügt noch die Versicherung hinzu: ,,Wenn es nicht
so wäre, so wollte ich es euch sagen." Offenbart Er sich uns
heute nicht auf eine Weise, wie Er sich der Welt nie offenbart?
Gerade so ist's; und darum wollen wir nicht in Unwissenheit
ausrufen: ,,Selig ist der Leib, der Dich getragen hat," sondern
wir wollen mit klarem Bewußtsein Gott dafür danken, daß wir, die
wir das Wort gehört haben und es bewahren in einem verständigen
Herzen, vor allem eine ebenso innige Gemeinschaft mit dem
Heiland haben, wie seine Mutter Maria, und daß wir zweitens
ebenso genau vertraut sind mit den Geheimnissen seines Herzens,
als es nur je möglich ist, es zu erreichen. Glückliche Seelen,
die so bevorzugt sind!