Lukas

Lk 11,4 C.H.Spurgeon ,,Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel." Lk. 11, 4.

Was wir in unserm Gebet suchen oder fliehen sollen, das sollen wir gleichermaßen in unserm Tun anstreben oder meiden. Darum sollten wir so sehr als möglich aller Versuchung aus dem Wege gehen und trachten, daß wir vorsichtig wandeln auf dem Pfade des Gehorsams, auf daß wir dem Teufel nicht Gelegenheit bieten zu unsrer Versuchung. Dringen wir nicht ins Dickicht ein, um den Löwen zu suchen, wir möchten sonst unsre Verwegenheit teuer bezahlen. Der Löwe kann ohne unser Zutun unsern Weg kreuzen, oder uns vom Busch aus überfallen; aber machen wir uns nichts zu schaffen mit seiner Jagd. Wer ihm begegnet, hat einen schweren Kampf zu bestehen, ob er auch den Sieg gewinne. Der Christ soll beten, daß er mit solcher Begegnung möge verschont bleiben. Unser Heiland, welcher wohl wußte, was es um die Versuchung ist, ermahnte seine Jünger dringend: ,,Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet." Aber wie wir uns auch verhalten, die Versuchung kommt über uns; darum die Bitte: ,,Erlöse uns von dem Übel." Gott hatte einen einigen Sohn ohne Sünde; aber Er hat keinen Sohn ohne Versuchung. Der natürliche Mensch ist zur Trübsal geboren, gleichwie die Funken in die Höhe fliegen; und nicht minder gewiß ist es, daß der Christ zur Versuchung geboren ist. Wir müssen allezeit auf unsrer Hut sein wider Satan, weil er gleich einem Diebe unerwartet einbricht. Gläubige Seelen, welche des Satans Ränke erfahren haben, wissen wohl, daß es gewisse Zeiten gibt, wo er seine Angriffe versucht, gerade wie zu gewissen Jahreszeiten stürmische Winde zu erwarten sind; so muß der Christ doppelt auf der Hut sein, einmal aus Furcht vor Gefahr, und dann, um der Gefahr, wenn sie hereinbricht, kampfgerüstet begegnen zu können. Vorsicht ist besser denn Heilung des Schadens; besser, man sei so gut bewaffnet, daß der Teufel keinen Angriff wagt, als daß man die Gefahren des Kampfes besteht, und ginge man auch als Sieger aus dem Kampfe hervor. Bitte heute abend vor allem, daß du bewahrt bleibest vor der Versuchung; wenn aber die Versuchung komme, daß du mögest erlöst werden von dem Bösen.





C.O.Rosenius Erlöse uns von dem Übel! Luk. 11, 4.

Wenn ein gottesfürchtiger Mensch, der gelernt hat, seinem eigenen hinterlistigen Herzen zu mißtrauen, und der des Feindes große List und sein Bezauberungsvermögen erfahren hat, sich auch vor solchem Übel fürchtet, das er noch nicht klar sieht oder kennt, ja, sich vor den ,,listigen Anläufen" des Teufels und der mannigfachen Falschheit seines Herzens fürchtet, dann hat er hier den tröstlichen Ausweg, mit seinem Gebet zu dem allsehenden und getreuen Gott fliehen zu können, daß Er wachen und alles Böse abwenden möge. Ein solches Gebet drücken wir passend mit dem vielsagenden Wort ,,das Übel" (oder ,,das Böse") aus. ,,Erlöse uns, Du treuer, mächtiger Gott, von allem Bösen, auch dem, das wir nicht verstehen. Du, der Du alle verborgenen Netze und Schlingen des Teufels, der Welt und unseres eigenen Fleisches siehst und uns befohlen hast, Dich in aller Not anzurufen, erlöse Du uns!"

Es ist eine der allgemeinsten Besorgnisse der Kinder Gottes, daß sie sagen: ,,Ich weiß zwar nicht, daß ich vorsätzlich falsch sein oder etwas Bösem huldigen will, aber ich befürchte, daß mein Herz mich betrügt. Ich bin mir bewußt, daß diese oder jene Kraft fehlt, ich weiß aber nicht, worin der Fehler besteht." Welch ein unaussprechlicher Trost ist es in einer solchen Finsternis, in einer solchen Furcht vor einem unerkannten Übel, die ganze Sorge auf den treuen Herrn werfen zu dürfen, der uns beten gelehrt hat: ,,Erlöse uns von dem Übel", und zu Ihm sprechen zu dürfen: ,,Erlöse mich gerade von dem Bösen, das Du bei mir siehst und weißt, das mir aber verborgen ist! Entferne Du, was Dir mißfällt, Du getreuer, allmächtiger Gott, und gib mir das, was mir fehlt."

Hier ist es notwendig, tief zu bedenken, daß Gott der Alleinige ist, der die Schleichwege des hinterlistigen Herzens und auch die Tiefen des Satans erforschen und recht erkennen kann. Gott hat nie gesagt, daß wir das Herz sollten erforschen können, sondern Er sagte: ,,Es ist das Herz ein trotziges und verzagtes Ding, wer kann es ergründen? Ich, der Herr, kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen." Damit bekundet Er ausdrücklich, daß kein Mensch, sondern Er allein dies kann. So sehen wir auch, daß David, der einen überaus reichen Geist hatte und in prophetischen Stunden eine Zukunft von tausend Jahren sehen durfte, doch sein eigenes Herz nicht durchschauen konnte, sondern sich deshalb an Gott wandte und flehte: ,,Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz; prüfe mich und erfahre, wie ich's meine."

Zweitens muß man wissen und bedenken, daß der Herr der Alleinige ist, der das Unrichtige bei uns heilen kann. Er hat nie gesagt: ,,Ihr sollt ein neues Herz in euch schaffen; ihr selbst sollt eure harten Herzen weich machen" usw., sondern Er sagt: ,,Ich - Ich will das steinerne Herz aus eurem Leibe wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben." Auch in bezug hierauf wandte David sich an den Herrn und flehte: ,,Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, gewissen Geist!" Da Gott selbst gesagt hat, daß nicht wir, sondern Er der ist, der unsere Herzen erkennen und ihre Gebrechen heilen kann, und da Er uns hier lehrt, Ihn darum zu bitten, müßten wir uns in der genannten Finsternis mit aller Vertröstung an Ihn wenden. Und so wahr Er ein treuer Gott ist und nicht denjenigen täuschen wird, der sich fürchtet und sich selbst richtet und alle Seine Worte, auch die dem Fleische am tödlichsten, beachten will, so gewiß sollen wir dann glauben und wissen, daß Er auch das tun wird, um welches wir gebeten haben. Er wird alle Sorge um unsere Errettung auf sich nehmen und allem abhelfen, was böse und was gefährlich ist, auch dem, was wir nicht verstehen. Er selbst hat uns beten gelehrt: ,,Erlöse uns von dem Übel!"

Aber noch allgemeiner ist es, daß wir in den Versuchungszeiten zwar wissen, worin das Böse besteht, uns aber nicht davon losmachen können. Ich sehe, daß dies oder jenes Sünde ist und der Teufel daran arbeitet, mich in sie hineinzuführen, und ich kann mich trotzdem nicht davon losmachen. Es hat mich ,,gefangengenommen in der Sünde Gesetz, welches in meinen Gliedern ist", es hält mich fest. Obwohl ich weiß, daß es Sünde ist, z. B. Zorn, Haß, unreine Lüste, Begehren nach dem Eigentum des Nächsten usw., und obwohl ich das Gefährliche darin sehe, kann ich doch nicht aufhören, im Herzen und in den Gedanken damit umzugehen. Ja, es kann mich schließlich so ganz und gar ermüden, daß ich nahe daran bin, ganz zu verzweifeln. Ich fühle mich ganz verloren, wenn Gott nicht Seine Barmherzigkeit an mir tut und mich errettet. Hier lerne ich, was es bedeutet: ,,Erlöse uns, Herr, von dem Übel."

Falle dann gleich nieder und bete! Und bedenke, daß wir in solchen Zeiten unter einem Feinde sind, gegen den keine Macht im Himmel und auf Erden gefunden wird, außer der, die einzig und allein der Allmächtige ist, der darum auch so feierlich erklärt: ,,Ich, Ich bin der Herr, und ist außer Mir kein Heiland." Luther sagt: ,,Rühre dich nicht in der Meinung, selbst die Sünde zu überwinden; denn dann wird sie sich so wider dich rühren, daß du ewig verloren bist." Hier gilt es, im Ernst zu dem treuen und allmächtigen Herrn hinzufliehen und zu bitten: ,,Erlöse uns von dem Übel!" Dann wird es uns zum herrlichen Trost gereichen, wenn wir recht bedenken können, was darin liegt, daß der Herr selbst uns gelehrt hat, so zu Ihm zu beten. Wir sollten doch glauben, daß Er mit den notleidenden Kindern nicht scherzen wollte, als Er sie diese Bitte lehrte, sondern daß Er wirklich im Sinn hat, uns zu erlösen. Er sagt ja ausdrücklich: ,,Rufe Mich an in der Not, so will Ich dich erretten, so sollst du Mich preisen."