Lk 9,50
S.Keller
Luk. 9, 50: «Wer nicht wider euch ist, der ist für euch.»
(Bessere Lesart.)
Das ist auch eine Lehre der Erfahrung, die ich leider erst
spät gemacht habe. Viel Unruhe und manch törichtes Streiten
wäre mir erspart geblieben, wenn ich das vor mehreren
Jahrzehnten schon verstanden hätte. Es handelte sich im
letzten Grunde gar nicht um die Stellung gewisser Brüder zum
Herrn, sondern zu mir. Sie mochten abgestoßen sein durch
meine Art - den einen war ich zu salzig (Kol. 4, 6) in
meiner schroff zufahrenden Weise, den andern zu süß mit
persönlicher Liebenswürdigkeit im gemütlichen Verkehr. Sie
waren gegen solche Nebensachen, aber gar nicht eigentlich
gegen meine Arbeit oder meine Glaubensrichtung. Dann wäre
eine Aussprache und ein Weg der Verständigung mit ihnen
möglich und Pflicht gewesen. Vielleicht hätte ich ihre
Meinung begriffen und manchen Anstoß vermieden. So aber,
weil ich ihr abfälliges Urteil nicht tragen wollte und sie
meine Art nicht mochten, gingen wir ganz getrennte Wege.
Sie hielten mich für nicht "entschieden", und ich hielt sie
für "übertrieben" - und doch stand keine wesentliche Kluft
zwischen uns, die Stellung zum Herrn war dieselbe und keine
Lehrspaltung trennte uns. Wenn ich manche Fehler, die ich im
Zusammenprall mit fremdartigen Gotteskindern gemacht habe,
weglöschen könnte, würde mein Lebensbild harmonischer.
Herr, vergib mir alles, was ich an deinen Kindern gesündigt
habe, die mich nicht tragen konnten und die ich nicht tragen
konnte. Hier hast du noch viel an mir zu bessern. Erbarme
dich und lehre mich tragende Liebe! Amen.
W.MacDonald
»Denn wer nicht wider euch ist, ist für euch.« Lukas 9,50
Auf den ersten Blick scheint diese Aussage unserem gestrigen
Vers direkt zu widersprechen, aber dem ist natürlich nicht
so. In Matthäus 12,30 (und Lukas 11,23) spricht der Herr zu
den Pharisäern, die nicht glauben wollen, und macht ihnen
deutlich: »Wenn ihr nicht für mich seid, seid ihr gegen
mich.« Aber hier geht es um etwas anderes. Die Jünger
hatten gerade einem Mann gewehrt, der im Namen Jesu Dämonen
austrieb. Ihr einziger Grund war, daß er sich ihnen nicht
angeschlossen hatte. In dem Zusammenhang sagt der Herr
Jesus: »Wehret nicht; denn wer nicht wider euch ist, ist
für euch.«
Wenn es um die Errettung geht, sind diejenigen, die nicht
für Christus sind, gegen Ihn. Aber was den Dienst betrifft,
sind diejenigen für Ihn, die nicht gegen Ihn sind.
Wir sind nicht dazu berufen, andere zu behindern, die dem
Herrn dienen. Es ist eine große weite Welt, und sie hat
genügend Platz für uns alle, daß wir unsere Arbeit tun
können, ohne einander auf die Zehen zu treten. Wir sollten
uns die Worte des Herrn zu Herzen nehmen: »Wehret nicht.«
Gleichzeitig sollten wir aber beachten, daß der Herr Jesus
Johannes und den anderen nicht sagte, daß sie sich jetzt
diesem Mann anschließen sollten. Manche verwenden Methoden,
die andere nicht akzeptieren können. Manche haben andere
Schwerpunkte in ihrer Botschaft, die sie predigen. Manche
haben mehr Licht als andere. Und manche haben die Freiheit,
Dinge zu tun, die bei anderen ein schlechtes Gewissen
hervorrufen. Wir dürfen nicht erwarten, jeden Gläubigen in
die gleiche Form zu pressen, die uns richtig erscheint. Aber
wir dürfen uns bei jedem Sieg des Evangeliums mitfreuen,
wie es auch Paulus tat. Er sagte: »Etliche zwar predigen
Christum auch aus Neid und Streit, etliche aber auch aus
gutem Willen. Diese aus Liebe, indem sie wissen, daß ich
zur Verantwortung des Evangeliums gesetzt bin; jene aus
Streitsucht verkündigen Christum nicht lauter, indem sie
meinen Banden Trübsal zu erwecken gedenken. Was denn? Wird
doch auf alle Weise, sei es aus Vorwand oder in Wahrheit,
Christus verkündigt, und darüber freue ich mich, ja, ich
werde mich auch freuen« (Philipper 1,15-18).
Sam Shoemaker (1893-1963, amerikanischer Pastor und Autor)
stellte die dringliche Frage: »Wann werden wir endlich
lernen, daß wir in dem großen Krieg des Lichts gegen die
Finsternis in unserer Zeit die Unterstützung von Verbündeten
brauchen, die nicht immer unserem persönlichen Geschmack
entsprechen? Wann werden wir lernen, daß alle Christen
zusammen arbeiten und kämpfen müssen, um gegen die Sturmflut
des Antichristen angehen zu können?«