Lk 2,8
A.Christlieb
Die Hirten in Bethlehem
Lukas 2, 8 - 20
Wir wollen auf 9 Bilder achten:
1. Die Hirten in der Dunkelheit
»Sie hüteten des Nachts ihre Herde.« Die Arbeit des Wachens
gegen wilde Raubtiere wird nicht leicht gewesen sein. Wir
wissen aus Jakobs Hirtenleben, wie er darüber klagte, daß er
des Nachts unter Kälte zu leiden gehabt und den Schlaf oft
entbehrt habe (1. Mose 31, 40).
Aber tausendmal finsterer ist das Bild aller Menschen, die in
innerer Nacht dahinleben, die im Dunkel der Sünde stecken.
Das erste Bild jener Hirten ist gleichnishaft auch das erste
im menschlichen Leben.
2. Die von einem Strahl göttlicher Herrlichkeit getroffenen
Hirten
»Des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn
leuchtete um sie.« Welch ein wunderbarer Augenblick muß es
gewesen sein, als ihr dunkles, gewöhnliches Alltagsleben
plötzlich von einem Schein aus der himmlischen Welt erhellt
wurde!
Aber nicht weniger wunderbar ist die Stunde in einem
Menschenleben, wo vielleicht im stillen Kämmerlein oder unter
dem göttlichen Wort oder in der Gemeinschaft der Gläubigen
ein Strahl von oben uns erleuchtet und eine bisher nie
gekannte Klarheit die bisherige Finsternis vertreibt. Dann
kommt die Freude der Erlösung über uns, und der helle Schein
wird in unsere Herzen gegeben, der auch andere zur
Erleuchtung und zur Erkenntnis der Klarheit Gottes in dem
Angesichte Jesu Christi verhilft (2. Kor. 4, 6). Aber
nicht nur in diesem großen Wunder der Errettung trifft uns
der Strahl von Gottes Herrlichkeit, immer wieder fällt auf
das Dunkel unserer Wege und in unser Fragen hinein das Licht
von oben.
3. Die sich fürchtenden Hirten
»Und sie fürchteten sich sehr.« Welch ein Schrecken mag die
gar nichts ahnenden Hirten durchdrungen haben, als plötzlich
die himmlische Erscheinung vor ihnen stand!
Wenn das Herz eines Sünders von göttlicher Klarheit
erleuchtet wird, dann erkennt es plötzlich vor dem Lichte
Gottes seine ganze Unwürdigkeit. Dann ist oft große Furcht
da. Erschrak nicht sogar ein Jesaja, als er den Herrn sah?
»Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen«, so
rief er (Jes. 6, 5). Wenn schon die Brüder Josephs bei dem
Wort ihres Bruders: »Ich bin Joseph« so erschraken, daß sie
nicht antworten konnten (1. Mose 45, 3), wieviel mehr
erschrickt ein Sünder, wenn er es mit dem zu tun hat, der
viel höher und herrlicher ist als Joseph! Aber es ist eine
heilsame Furcht, wenn ein Herz spürt, daß es vergehen müßte
vor dem heiligen Auge Gottes. Dann ist der Weg zum
göttlichen Frieden nicht weit.
4. Die lauschenden Hirten
Nun hörten die Hirten der Engelsbotschaft zu: »Fürchtet euch
nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude.« Und sie
vernahmen den himmlischen Lobgesang: »Ehre sei Gott in der
Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.
Wer mag die Aufmerksamkeit der Hirten ausdenken, mit der sie
der Botschaft der Engel folgten und sie Wort für Wort in sich
aufnahmen? Ihr späteres Weitererzählen (V. 17) beweist uns
ihre Aufmerksamkeit.
Laßt uns den hörenden Hirten gleich werden, die das teure
Wort aus Gottes Munde begierig aufnahmen! Laßt uns jede
Silbe beachten, die Gott uns als gute Botschaft sagen läßt!
So wird auch der Kerkermeister gelauscht haben, als Paulus
und Silas ihm vom Glauben an Jesus erzählten (Apg. 16, 32),
so auch der Hauptmann Kornelius, als Petrus ihm Lebensworte
brachte (Apg. 10, 33 ff.), so auch der Kämmerer, als
Philippus ihm auf dem Wagen die Schrift erklärte (Apg. 8,
35). Laßt uns recht hörende Leute sein!
5. Die sich gegenseitig ermahnenden Hirten
Sie sprachen untereinander: »Laßt uns nun gehen gen Bethlehem
und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der
Herr kundgetan hat.«
Wie oft ist es leider der Fall, daß Menschen sich
untereinander abhalten, den Weg zu Jesus zu gehen! Aber das
sind gesegnete Gespräche, wo einer den andern ermuntert, dem
Wort Gottes gehorsam zu sein und hinzugehen zu dem, der uns
Leben und Seligkeit gibt. Solche Gespräche führten die
Hirten. Solche sollen auch unter uns gefunden werden,
besonders in dieser weihnachtlichen Festzeit.
6. Die eilenden Hirten
»Sie kamen eilend.« Gottes Wort hat sie behende gemacht. Es
macht auch heute noch Menschen flink. Die Hirten brachten
keine Ausreden vor. Sie sagten nicht: »Was wird aus unsern
Schafen, wenn wir nach Bethlehem gehen?« Wenn Gott nach
Bethlehem gehen heißt, so wird er die Herden wohl zu schützen
wissen, daß kein Raubtier sie beschädigen darf. O daß wir
von der Eile der Hirten etwas lernten!
Bei Nebukadnezar hieß es: »Des Königs Gebot mußte man eilends
tun« (Dan. 3 , 22). Wieviel mehr gilt dies von dem Willen
des himmlischen Königs! Es gilt zu eilen, wenn Gott
befiehlt, Sodom zu verlassen (1. Mose 19, 22). Laßt uns mit
David sprechen:
»Ich eile und säume nicht, zu halten deine Gebote« (Psalm
119, 60)!
7. Die findenden Hirten
»Sie fanden beide, Maria und Joseph, dazu das Kind in der
Krippe liegen.« O seliges Wort: finden! Welche Freudenstunde
war es, als der Mann den Schatz im Acker, als der Kaufmann
die köstliche Perle (Matth. 13, 44-46), als das Weib den
verlorenen Groschen (Luk. 15, 9) fand! Aber schöner als
alles irdische Finden ist das, wovon Andreas dem Simon
berichtete: »Wir haben den Messias gefunden« (Joh. 1, 41).
Wer den Spuren des göttlichen Wortes folgt wie die Hirten,
der wird auch den finden, der uns in der Heiligen Nacht als
ein ewiger Erretter geboren ist.
8. Die ausbreitenden Hirten
»Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus,
welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war« (V. 17).
Die Welt braucht Evangelisten, nicht solche, die nur aus
Büchern etwas gelernt haben, sondern solche, die mit Johannes
sagen können: »Was wir gesehen und gehört haben, das
verkündigen wir euch« (1. Joh. 1, 3). In unserer Zeit wird
viel Giftsamen ausgebreitet. Viel Irrlehre und Unglaube
verwüstet die Herzen der Menschen. Wo sind die Christen,
die sich zum Ausbreiten der Worte, die von Jesus gesagt sind,
bereit finden? Diese Worte müssen ausgebreitet werden bis an
die Enden der Erde; denn es sind die Worte voll Leben und
Heil.
9. Die lobpreisenden Hirten
»Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott um
alles, was sie gehört und gesehen hatten« (V. 20).
Mit diesem lieblichen Bild schließt die Weihnachtsgeschichte.
Der Engel Lobgesänge sind verstummt, jetzt sollen die Hirten
fortfahren zu loben und zu preisen. In der Welt sucht jeder
seine eigene Ehre zu erhöhen. Unter Gottes Leuten wird
Gottes Lob gesungen in immer neuen Weisen, bis es einst ganz
rein und schön droben in der Herrlichkeit erklingt. Gott
helfe uns allezeit, daß wir - wenn manchmal auch unter Tränen
- dennoch sein Lob mehren helfen wie die Hirten!