Mk 14,22
C.O.Rosenius
Und indem sie alle aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und
brach es und gab es Ihnen und sprach: Nehmet, esset, das
ist Mein Leib. Mark. 14, 22.
Das erste, was ein Christ zu bedenken hat, sofern er aus dem
Abendmahl jemals wahre Erleuchtung, Freude und Frucht haben
und in demselben sich nicht den Tod holen will, ist dieses,
daß niemand nur mit äußeren Augen, auch nicht nur mit der
Vernunft kommen darf. Hier ist etwas anderes erforderlich,
nämlich geistliche Augen und geistlicher Sinn. Hier ist es
nötig, fest und unablässig die Augen auf das Wort Gottes
zu heften, hier ist die teure göttliche Gabe, der Glaube,
ja, hier ist Gottes Gnade erforderlich. Komme ich nur mit
den natürlichen Augen zum Abendmahlstische oder zu einer
Betrachtung über das Abendmahl, und will ich in dieser Weise
sehen, was es dort gibt, so werde ich nur Zeremonien und Brot
und Wein finden, nichts Göttliches, nichts Himmlisches. Will
ich ferner nur nach meiner Vernunft den Inhalt und den Wert
des Sakraments betrachten und beurteilen, so werde ich,
anstatt ein erbauter und erwärmter Christ zu werden, ein
kalter Verächter, ein Ketzer und Spötter des Sakraments.
Ach. dies ist ein Zeichen, ein Stein des Anstoßes, zum
Strick und Fall vieler in Israel, daß sie sich daran stoßen,
verstrickt und gefangen werden!
Dies aber müssen nicht nur die Weltmenschen, sondern auch die
wahren Christen ihr ganzes Leben lang bedenken. Denn ob du
auch hundertmal im Glauben die Herrlichkeit des Herrn bei
Seinem Gnadentische geschmeckt hast, so wird sich doch der
Teufel ebenso oft wieder einfinden, um dir diese Seligkeit,
diesen Himmel auf Erden zu rauben. Er tut es in der Weise,
daß er dich, wenn du dich sicherer fühlst, ganz still, leise
und vorsichtig zu Untersuchungen mit der Vernunft verleitet,
so daß das hohe Geheimnis Gottes der Entscheidung der
Vernunft und der äußeren Sinne unterworfen werden soll. Kann
er uns nur damit beschäftigen, daß wir auszurechnen und zu
verstehen versuchen, wie es dabei zugehen, wie dies und jenes
möglich sein kann, so hat er bald das Spiel gewonnen und uns
alles geraubt. Christen müssen darum dessen eingedenk sein,
daß das Abendmahl eines der großen, geheimnisvollen
Wunderwerke ist, die in diesem Leben nie von der armen
Menschenvernunft gefaßt und begriffen werden können, sondern
die nur auf die Worte des Allmächtigen und Wahrhaftigen hin
geglaubt werden müssen. Es ist nicht ohne Grund von den
Alten ,,das Geheimnis der Geheimnisse" genannt worden, und
das sollte die gefallene, verblendete, trügerische Vernunft
begreifen und beurteilen können? Das sei ferne!
So ziehen wir denn aus diesem Thema zuerst die Lehre, daß wir
uns nie damit zu beschweren brauchen, wie wir das heilige
Abendmahl begreifen können, sondern daß wir uns nur an die
Allmacht und Wahrhaftigkeit Gottes halten müssen, die es uns
kundgetan hat. Denn sobald die Vernunft anfangen will zu
berechnen, wie das möglich ist, was Christus sagt, sollen wir
sogleich wissen, daß es die Stunde der Versuchung ist und daß
der Teufel zugegen ist, die alte, verführerische Schlange,
die auch Eva mit ihrer List betrog. Dann gilt es,
augenblicklich den Namen Gottes und Seine Hilfe anzurufen.
Willst du das nicht, sondern willst du dich auf die
Untersuchungen deiner Vernunft einlassen, so gehe und werde
ein Ketzer!
Für alle, die über den Inhalt des Sakraments von Zweifeln
angefochten werden, wäre es von großer Wichtigkeit, wenn
sie den Urheber recht betrachten könnten. Wer ist es? Es
ist dein Schöpfer und dein Erlöser. Er ist der Hohe und
Hochgelobte, der ewiglich bleibt. Er ist der allmächtige
Gott, der Erste und der Letzte, der da ist, der da war und
der da bleibt in Ewigkeit. Denn Gott war das Wort. ,,Und
das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns. Alle Dinge sind
durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht,
was gemacht ist." Hebe deine Augen auf und schaue Seine
Werke! Betrachte die Sonne, betrachte die Sterne, betrachte
die ganze Schöpfung! Dies alles hat dieser Herr gemacht.
,,Er trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat die
Reinigung unserer Sünde durch sich selbst gemacht."
Bedenke! Sollte Ihm etwas unmöglich oder auch nur schwer zu
tun sein? Was kann dem Allmächtigen leichter sein, als das
zu tun, was Er will? Begreifen kannst du nicht, wie Er uns
Seinen Leib und Sein Blut geben konnte, deine Vernunft prallt
zurück und stößt sich daran. Aber begreifst du, wie Er aus
einem Nichts alles schaffen konnte? Und sollte Er etwas
sagen und nicht halten? Kann Er, der Heilige, lügen? Willst
du deines Schöpfers, deines gnädigen Heilandes so spotten?
Er tat tausend Wunder in der Schöpfung, die wir nicht
begreifen. Er wurde Mensch und tat viele sichtbare Wunder
auf Erden, die wir glauben, obwohl wir sie nicht verstehen.
Zuletzt wollte Er ein überaus gnädiges Wunder tun, das nicht
gesehen werden kann, sondern das auf Sein Wort hin geglaubt
werden muß, - sollten wir dem nun widersprechen, Ihn zum
Lügner machen und sagen: Als Er sprach: ,,Dies ist Mein
Leib ...", sagte Er zum Schluß etwas, was nicht wahr sein
kann? O Gott, verschone unser! In solche Lästerung läßt
Gott die stolzen Geister fallen, zur Strafe für ihre
Vermessenheit.
Wenn Dein Wort nicht mehr soll gelten,
Worauf soll der Glaube ruh'n?
Mir ist nicht um tausend Welten,
Aber um Dein Wort zu tun!