Mk 7,34
C.Eichhorn
Auch ein Vorrecht der Kinder Gottes
Jesus sah auf gen Himmel. Mark. 7, 34
Wiederholt lesen wir dies von Jesu. Er erwartete alles vom
Vater, ließ sich alles von oben geben. So blickte er auf,
als 5000 hungrige Menschen vor ihm lagerten und nur fünf
Brote und zwei Fischlein unter seinen Händen waren. Er sah
nicht auf den winzigen Vorrat. Er rechnete mit den Schätzen
seines Vaters. Er sah auf am Grab des Lazarus. Er blickte
weg von der Hoffnungslosigkeit des Todes auf die
Lebensherrlichkeit seines Vaters. So sah er empor gen
Himmel, als der Taubstumme vor ihm stand. Sein Blick blieb
nicht haften an dem menschlichen Elend. Er hielt sich an die
überschwengliche Kraft Gottes.
Wohl dem, der aufblicken kann! Kinder Gottes können und
dürfen das. Ihr Auge ist geöffnet: für den Himmel, für Gott,
den Allmächtigen und Gegenwärtigen. "Meine Augen sehen stets
zu dem Herrn" sagt David. Er hatte diesen Glaubensblick.
Hier unten sieht man viel Not, Leid, Schwierigkeiten,
Hemmnisse. Wer nicht aufblicken kann, schaut mißmutig,
düster und traurig drein. "Die aber den Herrn ansehen,
werden erquickt." Das Auge bekommt neues Leuchten und starrt
nicht glanzlos auf die traurige Lage. Als Hanna, die Mutter
Samuels, ihr Herz vor dem Herrn ausgeschüttet hatte, also
den Blick wegwandte von den unerquicklichen, demütigenden,
drückenden Umständen ihres Lebens, da "sah" sie nicht mehr so
traurig. Der sorgenvolle Blick schwindet, wenn man richtig
aufblicken kann zu dem, der mit allen Schwierigkeiten
fertigwerden und jedem Mangel abhelfen kann.
Oft ist man in einer Lage, wo man nicht die Hände falten
und ein förmliches Gebet sprechen kann. So erging es dem
Nehemia, als er vor König Artaxerxes stand und dieser ihn
fragte, warum er so übel aussähe. Der Gram um sein geliebtes
Jerusalem fraß an seinem Herzen. Denn noch lag die Stadt in
Trümmern. Aber er fürchtete sich, dies dem König zu sagen,
durch dessen Gunst er zum königlichen Mundschenk erhoben
worden war. Er mußte befürchten, daß der König dieses Hängen
an Jerusalem übelnehmen werde, hatte er ihm doch eine so
glänzende Stellung verliehen. Aber schließlich rückte er
doch offen heraus. Darauf fragte der König: Was forderst du?
Nehemia hätte gern einen längeren Urlaub zur Reise nach
Jerusalem gehabt. Darf ich's sagen, werde ich nicht in
Ungnade fallen? "Da betete ich zu dem Gott des Himmels" -
nicht mit Worten und Gebärden. Es war ein stiller, mächtig
andringender Blick nach oben, und siehe - es ging alles
herrlich hinaus. Wer aufblicken kann, ist selig dran.
Blicke nur auf Jesum mitten in dem Streit!
Wird der Kampf auch heißer, Hilfe ist bereit.
Ist der Feind gleich mächtig, deine Kraft nur klein;
Blicke nur auf Jesum, sein Sieg ist auch dein!
C.Eichhorn
Das Seufzen aus priesterlichem Herzen
Jesus seufzte. Mark. 7, 34
Viele Seufzer ringen sich vom Herzen los: Seufzer, die zum
Herzen Gottes dringen, und solche, die wirkungslos in der
Luft verhallen. Jesus seufzte anders als die unheiligen
Menschen. Wir wollen seufzen lernen wie er. Als ihm einst
ein Taubstummer gebracht wurde und nun dieser Unglückliche
vor ihm stand, seufzte er. Vor sein Geistesauge trat all das
menschliche Elend. Es legte sich ihm schwer aufs Herz.
Seine Krankenheilungen vollzogen sich nicht so zauberhaft
leicht. Er hat die Krankheiten auf sich genommen (Matth. 8,
4). - Seufzer über das eigene Elend liegen uns allen von
Natur viel näher. Wir ertappen uns sogar bei einem gewissen
Wohlgefallen am Unglück anderer in dem Gedanken: "Es ist nur
gut, daß mich's nicht trifft." Seufzer über fremdes Elend
entstammen der selbstlosen Liebe. Unsere Selbstsucht und
Eigenliebe seufzt über Lasten und Beschwerden, über
allzustarke Inanspruchnahme der Kraft, über rücksichtslose
und ungerechte Behandlung. Unmut und Verdrossenheit sprechen
sich in solchen Seufzern aus. Sie dringen nicht zu Gott.
Wir seufzen wohl gar widereinander. Wir empfinden den andern
als eine Last, die wir gern los sein möchten. Durch solche
Seufzer können wir uns die Verdammnis holen, wie der Apostel
Jakobus sagt. Denn Lieblosigkeit und Haß schließen vom
Himmel aus. - Ein andermal lesen wir, daß Jesus über die
Verblendung und Verstocktheit der Juden seufzte (Mark. 8,
12). Die Bosheit, der Undank, die Verkennung, die ihn
persönlich getroffen haben, preßten ihm keinen Seufzer aus.
Wohl aber vergoß er Tränen über die Blindheit und den
Unglauben der Leute zu Jerusalem, die sich um ihr ewiges Heil
brachten. - Wir haben vor allem Grund, über uns selbst zu
seufzen, nach dem prophetischen Wort: "Was murren (seufzen)
die Leute im Leben? Ein jeder murre wider seine Sünde!" Wenn
wir über unsere Herzenskälte, unsere Versäumnisse, unsere
Ungeduld, Schwäche, Neid und Geiz seufzen, so kann uns Gnade
zuteil werden. Als Begnadigte seufzen wir auch in rechter
Weise über die Verdorbenheit der Menschen und über die Greuel
der Sünde um uns her. Selbstgerechte reden wohl viel im
pharisäischen Sinn von den "schlechten Zeiten und bösen
Menschen". Das rechte Seufzen über die Sünden anderer stammt
aus tiefem Weh. Gotteskinder fühlen mit Gott und für Gott,
wie Kinder mit den Eltern, wenn diese gekränkt werden. Das
ist ein heiliges, Gott gefälliges Seufzen. Es führt zu einem
herzlichen Eintreten für die Sünder in ernster Fürbitte, auch
zu einem tatkräftigen Auftreten gegen böses Unwesen. Jesus
weinte nicht nur über Jerusalems Verblendung, er trieb auch
gleich danach die Käufer und Verkäufer aus dem Tempel
hinaus. Begnügen wir uns nicht allein mit Seufzen und
schwächlichen Klagen! - Viele Übelstände können wir allerdings
mit dem besten Willen nicht ändern. Hier bleibt nichts anders
übrig, als Seufzer zu Gott aufzuschicken. Solche Seufzer
werden sich einst in "ewige Freude und Wonne" verwandeln
(Jes. 55, 10).
C.Eichhorn
Von der Gebundenheit zur Lösung (II)
Und er sprach zu Ihm: Hephata, das ist: Tu dich auf!
Mark. 7, 34
Zuerst handelt der Herr Jesus mit dem Taubstummen, dann
erst spricht er. Es war nur ein einziges Wort, aber ein
Kraftwort. Die Tat geht bei Jesu dem Wort voran, und seine
Worte sind Taten. Wieviel reden wir und - die Tat bleibt
aus oder hinkt kümmerlich nach, und unsere Worte sind
Wasserblasen. Lukas sagt von seinem Evangelium, er habe
geschrieben, was Jesus anfing, beides: zu tun und zu lehren
(Apg. 1, 1). Der Heiland fuhr nach seinem Scheiden von der
Erde fort, und bis heute tut und lehrt er durch die Seinen.
Aber die Tat ist das Entscheidende. Seine Boten sind und
sollen nicht bloße Wortemacher sein. Er will durch sie
handeln, und sie sollen ihn zu Worte kommen lassen. -
Sein "Hephata" will der Herr in jedes Herz und Leben
hineinsprechen. Zuerst müssen wir uns aber zum Bewußtsein
unserer jammervollen Gebundenheit bringen lassen. Dann sind
wir für das lösende Wort von oben empfänglich. Wir müssen
die Schuld empfinden, die unser Gewissen bindet und uns
drückt und hemmt. Wir müssen die mannigfachen Fesseln
sündlicher Neigungen spüren, die uns die freie Bewegung
rauben, deren wir uns nicht entledigen können. Es muß an
einen Punkt kommen, wo wir nicht mehr weiterkönnen und aus
der Tiefe zu ihm flehen. Dann spricht er sein Hephata. -
Bei dem Taubstummen trat alsbald eine Lösung ein. "Seine
Ohren taten sich auf." Auch wir sind in geistlichem Sinn
taub, bis Jesus die Taubheit durchbricht. Wir sind offen für
das irdische Geplauder, für die Stimmen von unten, aber nicht
für die Stimme des Guten Hirten. Für Gottes Wort sind wir
verschlossen, darum ist es uns langweilig. Oder wenn wir
etwas vernehmen, so hören wir falsch. Wir fassen nur die
Verurteilung unseres Wesens und Treibens und wenden uns
unwillig weg. So wird uns das Evangelium ein Geruch des
Todes zum Tod. Wir hören nicht heraus die Laute der Liebe,
die zu unserer Rettung bereit ist - bis wir uns entschließen
zur Umkehr, zum Gehorsam. Dann wird unser Ohr von oben
geöffnet: Wir lauschen der Botschaft des Friedens. Dann
lernen wir auch recht reden. Das Band der Zunge löst sich.
Wir rühmen die Gnade Gottes, bekennen den Heiland, der so
Großes an uns getan hat. Wenn der Sündenbann vom Gewissen
weggenommen wird, dann löst sich die Zunge. Die Liebe Gottes
strömt ins Herz. Und wes das Herz voll ist, davon geht der
Mund über. Wir reden alsdann recht, nicht mehr so verkehrt,
nicht mehr so unzufrieden, so bitter, so aufreizend, so
unwahr, so schmeichlerisch oder auch so grob, sondern unsere
Rede wird lieblich und mit Salz gewürzt. Wir reden, was zur
Besserung und Erbauung der Menschen und zur Ehre Gottes
dient.