Mt 28,4
A.Christlieb
Drei Gegensätze in der Ostergeschichte
1. Zweierlei Furcht
-> Mt.28,4.
Wenn wir die Auferstehungsgeschichte nach den Evangelien
aufmerksam lesen, dann finden wir zunächst deutlich diesen
Gegensatz. Da ist die Furcht der Frauen, denen der Engel
sagt: »Fürchtet euch nicht!« (Matth. 28, 5). Und es gibt
die Furcht der Hüter, von denen es heißt: »Die Hüter aber
erschraken vor Furcht und wurden, als wären sie tot« (V. 4).
Gewiß war der Schrecken jener Frauen, die am Grab Jesu die
Erscheinung des Engels sahen, nicht gering. Die Schrift
sagt: »Sie erschraken und schlugen ihre Angesichter nieder
zur Erde« (Luk. 24, 5). Und: »Sie gingen schnell heraus und
flohen von dem Grabe; denn es war sie Zittern und Entsetzen
angekommen« (Mark. 16, 8). Wir begreifen, daß ein Zittern
heiliger Ehrfurcht sie überfiel bei dem Anblick der
Himmelsbewohner. Aber wie war ihre Furcht bald durch die
Botschaft der Engel gelindert!
Nach dem Grundtext in Matth. 28, 5 betont der Engel, daß
gerade die Frauen sich nicht fürchten sollen, indem er sagt:
»Fürchtet euch nicht ihr!« Es ist, als ob man ergänzen
könnte: »Die andern mögen wohl mit Recht in der Furcht
bleiben, aber ihr sollt ihr entnommen sein.«
Wenn auch die Furcht der Frauen nicht auf einmal weicht, so
überwiegt doch schnell die Freude, wie der Ausdruck zeigt:
»Sie gingen eilend zum Grabe hinaus mit Furcht und großer
Freude« (Matth. 28, 8).
Wie anders ist dagegen die Furcht der Hüter! Diese Hüter
waren römische Soldaten, deren Furchtlosigkeit bekannt war.
Sie bewachten das Grab und mochten gemäß dem ihnen gegebenen
Befehl denken: »Wenn jetzt die Jünger dieses Jesus von
Nazareth den Versuch machen sollten, seinen Leib zu stehlen,
so sind wir nicht bange, sondern wollen sie bald verjagen!«
Wenn auch ganze Scharen von Anhängern Jesu gekommen wären,
um sich des Grabes zu bemächtigen, so hätten die Soldaten
gewiß kühn ihre Schwerter gezogen. Aber jetzt kommt kein
Jüngerhaufe, sondern eine Engelserscheinung von oben. Wie
ist doch die berühmte Tapferkeit römischer Soldaten bald am
Ende, wenn ein Gesandter des Himmels sich zeigt! Was ist
doch alle menschliche Heeresmacht gegen die Kraft eines
einzigen Engels! Wie nieder gemäht liegen die Kriegsmänner
ohnmächtig am Boden!
Woran liegt es denn, daß die schwachen Frauen soviel weniger
Furcht haben als die starken Kriegsknechte? Das zeigt des
Engels Wort: »Fürchtet euch nicht! Ich weiß, daß ihr Jesus,
den Gekreuzigten, sucht« (Matth. 28, 5). Hier liegt die
Ursache, warum Gott ihren Schrecken bald beheben konnte. Sie
liebten und suchten Jesus. Solche Leute brauchen nie allzu
lange im Schrecken zu bleiben. Dagegen waren die Hüter -
auch wenn sie im Gehorsam gegen einen empfangenen Befehl
handelten - in einer Tätigkeit begriffen, die Gottes
Reichsplänen entgegenstand. Sie wollten Jesu Leibeshülle im
Grabe festhalten, aber sie konnten seine Auferstehung nicht
hindern.
Macht uns diese verschiedene Furcht nicht nachdenklich? Wie
werden die Feinde Gottes erst erschrecken, wenn nicht ein
Engel ihnen entgegentritt wie den Hütern des Grabes, sondern
wenn »des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit
und alle heiligen Engel mit ihm« (Matth. 25, 31)! Wie aber
werden dann die sich freuen »mit unaussprechlicher und
herrlicher Freude« (1. Petr. 1, 8), die den Herrn Jesus
suchten und liebten wie die Frauen am Ostermorgen!
2. Zweierlei Sorge
Da ist einerseits die Sorge der Frauen: »Wer wälzt uns den
Stein von des Grabes Tür« (Mark. 16, 3)? Die schwachen
Frauen denken an den großen Felsblock, der vor das Grab
gewälzt war, an das menschliche Hindernis, zu Jesus zu
kommen. Ihre Sorge ist bald behoben. Als sie hinschauen,
ist der Stein schon abgewälzt. O wohl uns, daß alle Sorgen
und Hindernisse, die uns vom Heiland trennen können, durch
eine starke Hand schon hinweggetan sind! Blicken nicht alle
Jünger und Jüngerinnen Jesu auf viele von oben entfernte
Sorgensteine zurück?
Nun schauen wir von jenen Frauen hinweg auf den Kreis der
Hohenpriester und Pharisäer. Auch da finden wir Sorgen.
Aber ganz andere! Ihre Bitte an Pilatus um Soldaten, die das
Grab bewachen sollen (Matth. 27, 62 ff.), beweist, wie sie
Sorge haben, Jesus könne doch auferstehen. Diese ihre Sorge
wird nicht behoben. Im Gegenteil, sie bleibt und wird größer
und größer, bis sich erfüllt, wovor sie Sorge und Angst
haben: Jesus steht von den Toten auf und macht ihrem elenden
Scheinsieg ein Ende.
Auch heute noch gibt es zwei Sorgen. Den Jüngern Jesu ist
versprochen, daß ihr Herr für sie sorgen und ihnen die Sorgen
abnehmen wird. Sie brauchen ihre Felsblöcke nicht selber
hinweg zu tun. Aber die verborgene Sorge der Feinde, daß die
Schrift dennoch wahr sein könnte, wird in Erfüllung gehen.
3. Zweierlei Unglauben
Das ist der letzte Unterschied, den wir betrachten wollen.
Wir sehen zunächst den Unglauben der Jünger: »Da sie hörten,
daß er lebte und wäre ihr (der Maria Magdalena) erschienen,
glaubten sie nicht« (Mark. 16, 11). Daneben steht der
Unglaube der Pharisäer, denen die Hüter alles erzählen, was
geschehen ist, die aber mit Geld die Auferstehungsbotschaft
unterdrücken wollen: »Sie gaben den Kriegsknechten Geld genug
und sprachen: Saget: Seine Jünger kamen des Nachts und
stahlen ihn, dieweil wir schliefen« (Matth. 28, 12 f.).
Wir dürfen durchaus nicht jeden Unglauben auf dieselbe Stufe
stellen. Es gibt sehr verschiedene Arten von Unglauben. Der
Unterschied ist hier folgender: Die Jünger Jesu wollen gern
glauben, können es aber nicht so schnell. Die Feinde Jesu
aber können nach dem Bericht der Hüter wohl glauben, wollen
es aber nicht.
Wohl ist auch der Unglaube der Jünger nicht zu rechtfertigen,
aber er ist zu heilen und wird bald geheilt.
Ganz anders ist es mit dem Unglauben der Hohenpriester.
Diese erhalten Nachricht von der Auferstehung von einer
Seite, der sie wahrlich nicht Parteilichkeit für Jesu Sache
vorwerfen können. Die römischen Soldaten sind die denkbar
besten und glaubwürdigsten Zeugen für jene Männer. Aber die
Nachricht paßt nicht zu ihren Wünschen und Vorstellungen.
Darum wollen sie diese Botschaft nicht annehmen, sondern
werfen sie von sich.
Auch heute gibt es diesen doppelten Unglauben. Es gibt
Leute, die möchten gern glauben, aber sie können es noch
nicht. Ihnen dürfen wir Mut machen: »Jesus wird sein Werk an
euch haben, hört weiter auf sein Wort, er wird euch Glauben
geben; denn er läßt es den Aufrichtigen gelingen.« Schlimm
sieht es aber mit denen aus, die im innersten Herzensgrund
wohl von der Wahrheit überzeugt sind, aber nicht glauben
wollen, weil sie sich nicht unter die Wahrheit beugen und ihr
Leben nach derselben ändern wollen. Während der erste
Unglaube geheilt und in fröhlichen Osterglauben verwandelt
wird, verfällt der letztere dem Gericht Gottes. Davor
bewahre uns der Herr!