Mt 26,28
C.O.Rosenius
Mein Blut wird vergossen zur Vergebung der Sünden. Matth.
26, 28.
Aus diesen heiligen Worten wird offenbar: Sowohl Sünden als
auch gute Werke sind in dem Meer des Blutes Christi ertränkt
und verschwunden. Die größten Sünden haben dort ihre Kraft,
uns zu verdammen, und die größten Verdienste der Frömmigkeit
und guten Werke ihre Kraft, uns gerecht zu machen, verloren.
Wenn der eingeborene Sohn Gottes den Tod erleiden mußte, um
mich zu erretten, dann will ich von meinen Verdiensten
schweigen.
Hier ist nun offenbar, daß keine Sünden meine Begnadigung und
Gerechtigkeit vor Gott hindern und keine guten Werke sie
fördern können. Der ärgste Sünder darf jeden Augenblick
kommen, um in Christus die Gnade und Gerechtigkeit zu
erhalten, die ihm an dem großen Versöhnungstage erworben
ist und von dem Tage an auf ihn gewartet hat. Hier ist nun
offenbar, daß er in seiner Not und Verlegenheit, in seiner
Sünde und Unwürdigkeit nicht anders zu werden braucht, um
zu Jesus kommen zu dürfen, sondern daß alles bereit, alles
erfüllt ist. Er darf so kommen, wie er ist, so sündig und
unwürdig, so gelehrt oder ungelehrt, so kalt oder warm, so
hart oder gerührt, so eifrig oder nachlässig, so rein oder
unrein wie er ist, um in Christus alles, was ihm fehlt,
geschenkt zu bekommen.
Wäre es nicht so, sondern müßte er erst einige gute
Eigenschaften und Tugenden haben, die Gott ihm mehr gewogen
machen sollten, dann wären die Gnade und die Gerechtigkeit
nicht in Christus allein, nicht ,,ohne Zutun der Werke",
nicht ,,ohne Zutun des Gesetzes" vollkommen, wie die Schrift
doch berichtet.
Was Bekehrung, Buße und Reue betrifft, so sind sie dem Herzen
Gottes nicht erforderlich, daß Er darum die Gnade lieber
sollte geben wollen; sie sind nur für das eigene Herz des
Sünders erforderlich, damit er Gnade haben will. Und da ist
genug Bekehrung, genug Buße und genug Glaube, um in Christus
begnadigt zu sein, wenn es des Menschen größte Not, sein
größtes Bedürfnis, sein einziger Trost ist, zu Ihm kommen zu
dürfen. Beachte aber die Worte wohl: ,,größtes Bedürfnis,
einziger Trost!" Möge niemand sich betrügen!
Hier ist ferner offenbar, daß ein Mensch, solange er in
Christus bleibt, d. h. solange Christus mit Seiner
Versöhnung, mit Seinem Verdienste, mit Seiner Gnade und
Freundschaft seines Herzens Bedürfnis oder Trost ist, alle
Stunden in ein und derselben Gnade und Gerechtigkeit vor Gott
steht - alle Stunden gleich, in den Stunden der Frömmigkeit
wie der Schwachheit, wenn er Gnade erhält, etwas Gutes zu
tun, wie wenn er in eine Sünde oder ein Gebrechen fällt.
Wäre es nicht so, sondern wäre
er gerechter und begnadigter vor Gott in der Stunde, in der
er selbst frömmer ist, aber weniger gerecht in der Stunde, in
der er weniger fromm ist, dann käme die Gerechtigkeit
wahrlich aus den Werken, - oder doch zum Teil aus den Werken
und zum Teil aus Christus. Das wäre wiederum schmählich
genug gegen den geredet, der uns Gott erkauft hat mit Seinem
Blut, und gegen die Heilige Schrift, die dies so kräftig
leugnet und die so unausgesetzt die Worte wiederholt ,,aus
Gnaden", ,,durch Jesus Christus", ,,durch Sein Blut", ,,durch
den Glauben", ,,nicht aus euch", ,,nicht aus den Werken",
,,ohne Zutun der Werke", ,,ohne Zutun des Gesetzes" usw.
Kurz, ist es wahr, daß wir durch Christus allein, ohne Zutun
des Gesetzes, ohne Zutun der Werke gerecht werden und es
bleiben, dann folgt ja selbstverständlich daraus, daß wir
es alle Stunden gleich sein müssen, solange wir durch den
Glauben in Christus sind. Denn Seine Gnade ändert sich
niemals, Seine Gnade ist nicht zu einer Zeit größer und zu
einer anderen Zeit weniger groß. Wir selbst und unsere
Werke, die inneren und die äußeren, sind veränderlich;
Christi Gerechtigkeit aber ändert sich niemals.
Ist nun Christi Gerechtigkeit unsere Gerechtigkeit vor Gott,
so kann die Gerechtigkeit, die wir vor Gott haben, sich nicht
ändern. Zu unseren Werken gehören nicht nur die Werke der
Hand und der Zunge, sondern die des ganzen Menschen mit Leib
und Seele und besonders jene Hauptwerke, von denen das erste
Gebot im Gesetz handelt, nämlich die Werke der Seele, des
Herzens, der Gedanken, der Neigungen, wie z. B. Liebe,
Kälte, Reue, Härte, Gebet, gute Gedanken, böse Gedanken usw.
,,Dies alles gehört unter den Titel ,,unsere Werke". Sollte
unsere Gerechtigkeit aber in diesen bestehen, dann bestände
sie nicht in Christi Gerechtigkeit; besteht sie wiederum
allein in Christi Gerechtigkeit, dann besteht sie nicht in
unseren Werken. Der Apostel Paulus sagt: ,,Ist es nun aus
Gnaden, so ist es nicht aus Verdienst der Werke; sonst
würde Gnade nicht Gnade sein. Ist es aber aus Verdienst der
Werke, so ist die Gnade nichts; sonst wäre Verdienst nicht
Verdienst." Aber das schneidet er ganz kurz ab: ,,Ich werfe
die Gnade Gottes nicht weg; denn so durch das Gesetz die
Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben."
Der beste Mensch ist ja in sich
Des Todes wert, hat Sünd' unzählig;
Der schwächste Christ jedoch durch Dich,
O Jesu, ganz gerecht und selig.
Lob, Ehre, Preis Dir für und für,
Die Seligkeit ist nur in Dir,
Nur in Dir.