Mt 21,19
Ch.Spurgeon
"Und erfand nichts daran als nur Blätter." Matthäus 21,19
Der Herr findet nur Blätter, wo er Frucht hätte erwarten
können. Nichts als Blätter heißt nichts als Schein. Ist das
ein harter Ausdruck? Wenn ich bekenne, Glauben zu haben,
aber keinen Glauben besitze, ist das nicht eine Lüge? Wenn
ich mich mit dem Volk des lebendigen Gottes verbinde, aber
keine Gottesfurcht im Herzen habe, ist das nicht Heuchelei?
Wenn ich bekenne, die Bibel zu verteidigen, aber gar nicht
von ihrer Wahrheit überzeugt bin, ist das keine Lüge? Wenn
nichts da ist außer Blättern, dann ist nichts da als nur
Lügen. Alle Schönheit der grünen Blätter ohne Frucht ist vor
ihm nichts als Betrug. Ein Bekenntnis ohne Gnadenerfahrung
ist das Beerdigungsgepränge einer toten Seele. Wenn wir nur
den Namen haben, daß wir leben, aber tot sind, in welch einem
Zustand befinden wir uns dann! Sich als Christ auszugeben
und in Sünden leben heißt, Rosenwasser auf einen
Schmutzhaufen sprengen, der doch ein Schmutzhaufen bleibt.
Als unser Herr entdeckte, daß keine Frucht vorhanden war,
wurde er traurig und verurteilte den Baum. War es recht, daß
er ihn verfluchte? Der Baum war so schon ein Fluch. Er war
nur da, um die Hungrigen zu täuschen, sie von ihrem Weg
abzulenken und zu betrügen. Gott will nicht, daß mit den
Armen und Bedürftigen Scherz getrieben wird. Ein leeres
Bekenntnis ist ein praktischer Fluch; sollte es deshalb nicht
den Tadel des Herrn erfahren? Der Baum war an seinem Ort von
keinem Nutzen; er diente keinem Menschen zur Erquickung. So
nimmt der unfruchtbare Bekenner eine Stellung ein, in der er
ein Segen sein sollte; aber in Wahrheit strömt ein übler
Einfluß von ihm aus. Unser Herr verfluchte den Feigenbaum
jedoch zu einem guten Zweck; denn er wurde von jetzt an für
alle, die nur ein Scheinleben führen, eine Warnung. So wird
eine moralische Wirkung auf andere hervorgebracht, wenn der
gottlose Mensch, der ein christliches Bekenntnis abgelegt
hat, "verdorrt". Sie werden gezwungen, die Gefahr eines
ungesunden Bekenntnisses zu sehen, und wenn sie weise sind,
werden sie sich dessen nicht länger schuldig machen.
Ch.Spurgeon
"Da sprach er zu ihm: Nun komme von dir keine Frucht mehr
in Ewigkeit!" Matthäus 21,19
Den Baum traf eine Veränderung: Er begann sogleich zu
vertrocknen. Nicht nur hingen die Blätter wie die Flaggen
bei Windstille herab; nicht nur schien die Rinde jeden Schein
des Lebens verloren zu haben, sondern der ganze Baum war
verdorrt. Ein Feigenbaum bietet einen traurigen Anblick,
wenn er alle Blätter verloren hat.
In derselben Weise habe ich den oberflächlichen Bekenner ins
Verderben gehen sehen. Der Mann ist nicht mehr, was er war;
sein Ruhm, seine Schönheit ist hoffnungslos dahin. Keine Axt
ist erhoben und kein Feuer angezündet worden; ein Wort hat es
getan, und der Baum ist bis auf die Wurzeln vertrocknet.
Mit diesen Worten habe ich eine große Verantwortung auf mich
geladen, denn ich habe ein lautes Bekenntnis abgelegt, und
wenn Gottes Gnade nicht in mir ist, dann werde ich vor der
Menge stehen, die mich in meinem Feuer gesehen hat, und werde
bis auf die Wurzeln vertrocknen - als schreckliches Beispiel
von dem, was Gott mit denen tut, die keine Frucht zu seiner
Ehre bringen.
Es sage niemand, daß diese Behandlung des unfruchtbaren
Baumes zu hart war. Brüder, ist es zu hart zu erwarten; wenn
wir etwas bekennen, daß wir dem auch treu sind? Außerdem
bitte ich euch, nicht zu denken, daß irgend etwas, was mein
Herr tut, hart sei. Er ist die Milde und Zartheit selbst.
Das einzige, was er je zerstört hat, war dieser Feigenbaum.
Er verdirbt keinen Menschen, wie Elia tat, als er Feuer vom
Himmel auf die Baalspriester fallen ließ, noch wie Elisa, als
die Bären aus dem Wald kamen. Es war nur ein unfruchtbarer
Baum, den er vertrocknen ließ. Er möchte dich nicht
vertrocknen lassen, wenn du ihm treu bist. Das Geringste,
was er erwarten kann, ist, daß du in dem treu bist, was du
bekennst.
Empört es dich, wenn er dich auffordert, nicht den Heuchler
zu spielen? Wenn du anfängst, gegen seine Ermahnung zu
murren, so scheint es, als seist du ihm im Herzen untreu.
Statt dessen komme demütig, knie zu seinen Füßen nieder und
sage: "Herr, wenn irgend etwas in dieser ernsten Wahrheit auf
mich Bezug hat, dann bitte ich dich, es auf mein Gewissen
einwirken zu lassen."