Mt 19,19
Ch.Spurgeon
"Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!" Matthäus
19,19
Ihr Christen, euer Glaube verlangt Liebe von euch. Christus
hat euch zuerst geliebt! Er liebte euch, als nichts Gutes
in euch war. Er liebte euch, obgleich ihr ihn schmähtet,
ihn verachtetet und ihn verwarft. Er hat euch trotz eurer
Verirrungen, trotz eurer Sünden, eurer Bosheit und Torheit
geliebt. Er vergoß sein Blut, um euch seine Liebe zu
beweisen. Er hat euch gegeben, was ihr auf Erden nötig habt;
er hat euch im Himmel eine Wohnung bereitet. Wie könnt ihr
ihm nachfolgen, wenn ihr nicht auch Liebe übt? Wenn Heiden
lieblos sind, so soll uns das nicht wundern. Aber bei euch
ist die Lieblosigkeit ein Widerspruch zu eurem Glauben. Sie
ist eine grobe Verletzung eures Glaubens, und wenn ihr euren
Nächsten nicht liebt, so kann ich nicht erkennen, daß ihr
treue Nachfolger des Herrn Jesus seid.
Als ich über diesen Text nachdachte, kamen mir die Tränen,
weil ich erkannte, daß ich in unbedachten Augenblicken
manches harte Wort gesprochen hatte. Ich mußte daran denken,
wie oft ich meinen Nächsten betrübt hatte, anstatt ihn zu
lieben; und es trieb mich, meine Sünden zu bekennen. Seid
ihr nicht schuldig?
Wenn nur der selig werden könnte, der dieses Gesetz erfüllen
würde, wer könnte dann durch Werke selig werden? Oh, wie
dankbar bin ich deswegen für das Evangelium! Ich habe dieses
Gebot übertreten, und darum ist mir der Heiland, der alle
meine Sünden durch sein Blut abgewaschen hat, so wertvoll.
Wie dankbar bin ich für meinen Heiland, der mir den Mangel an
Liebe verzeihen kann, der meine fehlende Herzensgüte, meine
Gefühllosigkeit, meine Härte und Lieblosigkeit vergeben kann.
Trotz meiner Sünden darf ich ein Erbe des Himmels sein, weil
sein Opfer auf Golgatha alle Schuld gesühnt hat.
Ch.Spurgeon
"Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!"
Matthäus 19,19
Wen soll ich lieben? Ich soll meinen Nächsten lieben. Unter
diesem Ausdruck verstehen wir jeden, der uns irgendwie nahe
ist. Unser Nächster ist zunächst unser Nachbar. Als der
Samariter den Verwundeten auf der Straße nach Jericho
erblickte, da wußte er, daß er sein Nächster war.
Liebe deinen Nächsten, auch wenn er einer anderen Religion
angehört als du. Du meinst, du gehörst zu denen, die der
Wahrheit am nächsten stehen, aber dein Nächster denkt anders.
Du sagst, daß seine Religion ungesund und irrig sei; liebe
ihn deswegen um so mehr. Harte Reden bekehren ihn nicht,
harte Behandlung macht keinen Christen aus ihm. Liebe ihn.
Seine Sünde richtet sich nicht gegen dich, sondern gegen
Gott.
Liebe deinen Nächsten, auch wenn er dir beruflich im Wege
steht. Das ist ein Satz, der nicht einfach zu verwirklichen
ist, aber ich bin dennoch verpflichtet, ihn euch Kaufleuten
und Handwerkern zu verkündigen. Es heißt nicht nur: "Du
sollst ihn nicht hassen!", sondern: "Du sollst ihn lieben!" -
auch wenn er dich daran hindert, reich zu werden, wenn er dir
deine Kundschaft raubt und deinen Ruhm verdunkelt. Du bist
trotzdem verpflichtet, ihn zu lieben wie dich selbst.
Du sollst deinen Nächsten lieben, auch wenn er dich mit
seiner Sünde beleidigt. Oft sind wir erschüttert, wenn wir
der Sünde begegnen. Man ist gewohnt, den Ehebrecher und Dieb
als einen Verfluchten aus der Gesellschaft auszustoßen. Und
das ist nicht recht. Wir sind verpflichtet, auch die Sünder
zu lieben und sie nicht aus dem Land der Hoffnung zu
vertreiben. Wir müssen sie vielmehr zu gewinnen suchen.
Oh, meine lieben Freunde, ihr liebt euren Nächsten nicht!
Ja, ihr liebt kaum die, die ihr Brüder und Schwestern nennt.
Manche von euch hadern mit denen, welche die gleiche
Glaubensnahrung mit euch empfangen. Ach, wie kann ich da
erwarten, daß ihr eure Feinde liebt, wenn ihr nicht einmal
eure Freunde liebt?