Mt 14,23
S.Keller
Matth. 14, 23: «Und da er das Volk von sich gelassen hatte,
stieg er auf einen Berg allein, daß er betete.»
Das hohepriesterliche Gebet, wie es uns Johannes berichtet,
ist von unvergleichlicher Hoheit und Schönheit. Aber ich
meine, es trägt seinen durchleuchteten Charakter von der
Stunde, in der es gesprochen wurde. Da ist kein Satz, den
man anders sich wünschen möchte. Vor der Finsternis seines
Leidens konnte und mußte Jesus nur so beten. Aber alle die
früheren Gebetsstunden, die er mit seinem Vater zugebracht -
was mögen sie enthalten haben? Es werden uns von den
Evangelisten außer jenem großen Gebet nur einzelne, kurze
Gebetsworte Jesu berichtet. Was mag er im Verborgenen mit
dem Vater geredet haben? Wenn wir uns manches darüber
denken, dürfen wir es doch nicht als sicher behaupten.
Wollen wir uns daran genügen lassen, daß solche Erwähnung
seines einsamen Ringens und Redens mit dem Vater ein
ausgestreckter Finger ist, der uns erst recht in die
Einsamkeit weist. Wir gehen sonst an dem lauten Treiben,
auch dem frommen Andachtsbetriebe zugrunde, wenn unsere Seele
es nicht lernt, in der Stille mit Jesus allein zu reden.
Wenn wir das auf Erden weder kennen, noch können, noch mögen
- was wollen wir mit der Ewigkeit anfangen, da wir beim Herrn
sein werden allezeit?
Darum suche ich, Herr, dein Antlitz im Verborgenen. Laß dich
finden, wenn mein Auge tränet zu dir. Mit Menschen habe ich
zu viel geredet, mich dabei oft versündigt. Mit dir immer
noch zu wenig! Ich will alle anderen Türen schließen und an
deiner wachen, bis du auftust. Amen.