Matthäus

Mt 7,1 W.MacDonald »Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet.« Matthäus 7,1

Menschen, die sonst kaum etwas über die Bibel wissen, kennen oft diesen Vers und verwenden ihn auf die bizarrste Art und Weise. Selbst wenn jemand wegen unaussprechlicher Bosheit kritisiert wird, glucksen sie noch frömmlerisch: »Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet.« Mit anderen Worten, sie verwenden diesen Vers, um dadurch jede Verurteilung des Bösen abzutun.

Nun ist die Tatsache die, daß es Gebiete gibt, wo wir nicht richten dürfen, aber ebenso andere Gebiete, wo unsere Beurteilung eine gebieterische Notwendigkeit ist.

Hier einige Beispiele, wo Richten nicht erlaubt ist: Wir dürfen nicht die Motive und Beweggründe der Menschen beurteilen; da wir nicht allwissend sind, können wir nicht wissen, warum sie tun, was sie tun. Wir dürfen nicht über den Dienst eines anderen Gläubigen zu Gericht sitzen; er steht oder fällt seinem eigenen Herrn. Wir dürfen nicht diejenigen verurteilen, die von ihrem Gewissen her Bedenken gegenüber Dingen haben, die moralisch wertneutral sind; es wäre falsch, ihr Gewissen zu verletzen. Wir dürfen nicht nach dem äußeren Anschein richten oder die Person ansehen; was im Herzen ist, ist was zählt. Und ganz klar sollten wir auch eine harte, kritische, tadelsüchtige Haltung vermeiden; ein gewohnheitsmäßiger Kritiker ist ein schlechtes Aushängeschild für den christlichen Glauben.

Aber es gibt andere Gebiete, wo wir beurteilen und richten müssen. Wir müssen jede Lehre beurteilen, ob sie mit der Schrift übereinstimmt. Um ein ungleiches Joch zu vermeiden, müssen wir beurteilen, ob andere Menschen wirkliche Gläubige sind oder nicht. Christen sollten alle Streitfragen zwischen Gläubigen entscheiden, statt sie vors Gericht gehen zu lassen. Die örtliche Versammlung muß in Fällen extremer Sünde richten und dem unbußfertigen Übertreter die Gemeinschaft entziehen. Die Glieder der Versammlung müssen beurteilen, welche Männer die Qualifikation von Ältesten und Diakonen haben.

Gott erwartet von uns nicht, daß wir unser Urteilsvermögen über Bord werfen oder alle moralischen und geistlichen Maßstäbe aufgeben. Alles, was Er von uns verlangt, ist, daß wir uns vom Richten enthalten, wo es verboten ist, und daß wir ein gerechtes Gericht richten, wo es geboten ist.