Mt 6,26
C.H.Spurgeon
,,Euer himmlischer Vater."
Mt. 6, 26.
Gottes Kinder sind doppelt seine Kinder, sie sind seine Kinder
durch ihre Erschaffung, und sie sind seine Söhne durch ihr
Kindesrecht in Christo. Darum haben sie das herrliche Vorrecht,
zu Ihm beten zu dürfen: ,,Unser Vater, der Du bist in dem
Himmel." Vater! Welch ein lieblicher Laut ist das! Es liegt
darin Würde: ,,Bin ich nun Vater, wo ist meine Ehre?" Seid ihr
Söhne, wo ist euer Gehorsam? Es liegt darin Liebe, verbunden mit
Würde; eine Würde, die nicht zum Widerstand reizt; eine
Erwartung des Gehorsams, der freudig erfüllt wird. Der Gehorsam,
den Gottes Kinder Gott leisten, muß ein Gehorsam der Liebe sein.
Wandelt nicht zum Hause Gottes wie Sklaven, die sich mit
Widerstreben ihrer Arbeit unterziehen, sondern gehet in den
Wegen seiner Gebote, denn es ist eures Vaters Weg. Begebet eure
Glieder zum Dienst der Gerechtigkeit, weil Gerechtigkeit eures
Vaters Wille ist, und sein Wille auch seines Kindes Wille sein
soll. Vater! Darin liegt königliches Ansehen, aber so zart in
Liebe verhüllt, daß man in des Königs Miene der Königskrone
vergißt, und sein Herrscherstab zu einem silbernen Gnadenzepter
wird; dies Zepter ist wahrlich keine eiserne Rute, sondern wird
in der liebenden Hand Dessen, der es hält, kaum wahrgenommen.
Vater! hierin liegt Ehre und Liebe. Wie groß ist doch eines
Vaters Liebe gegen seine Kinder! Was keine Freundschaft vermag,
was kein Wohlwollen unternimmt, das leistet eines Vaters Herz
und Hand für seine Söhne. Sie sind sein Fleisch und Blut; er muß
sie segnen; sie sind seine Kinder, mit starkem Arm nimmt er sich
ihrer an. Wenn ein irdischer Vater mit unermüdlicher Liebe und
Sorgfalt seine Kinder überwacht, wieviel mehr wird das nicht
unser himmlischer Vater tun? Abba, lieber Vater! Wer das sagen
kann, hat ein herrlicheres Loblied gesungen, als alle Cherubim
und Seraphim. Es liegt ein ganzer Himmel auf dem Grunde des
Wortes: Vater! Es birgt alles, was ich begehren kann; alle meine
Bedürfnisse dürfen nur fordern, alle meine Wünsche dürfen nur
verlangen. Ich besitze alles in allem auf ewige Zeiten, wenn ich
nur lallen kann: ,,Vater!"
,,O Du, mein Vater, neig' herab
Zum Kinde, das Dein Sohn Dir gab,
Den Zepter Deiner Majestät;
Hör' und erhöre mein Gebet!"
C.O.Rosenius
Seht die Vögel unter dem Himmel an! Sie säen nicht, sie
ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer
himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel
mehr als sie? Matth. 6, 26.
Für unerfahrene, oberflächliche Menschen und solche, die
keine Not kennen, wie auch für glaubensfröhliche Christen,
für die das Wort alles ist, wäre diese Betrachtung nicht
nötig. Wenn aber ein Christ in der Anfechtung dahin kommt,
daß er an Gottes Wort zweifelt, so weist ihn der Herr auf das
Schöpfungswerk, das er nicht zu glauben braucht, sondern das
er mit den Augen sehen kann. So sagt Er z.B. in bezug auf
die Nahrungssorgen: ,,Seht die Vögel unter dem Himmel an,
euer himmlischer Vater ernährt sie; seid ihr denn nicht viel
mehr als sie?" Sollte Gott für die kleinen, unbedeutenden
Vögel sorgen und den Menschen - Sein teuerstes und
herrlichstes Geschöpf - vergessen? Gottes Ebenbild, Kind
und Erbe, Herrscher über Vögel und Tiere - sollte Gott ihn
vergessen? ,,Schaut die Lilien auf dem Feld; Salomo in all
seiner Herrlichkeit ist nicht bekleidet gewesen wie eine
derselben. So denn Gott das Gras auf dem Felde so kleidet,
das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird,
sollte Er das nicht viel mehr euch tun?" - Euch, die ihr
Gottes Geschlecht seid!? O ihr Kleingläubigen!
Zur Furcht vor bösen Menschen sagt Er: ,,Kauft man nicht zwei
Sperlinge um einen Pfennig? Doch fällt derselben keiner auf
die Erde ohne euren Vater. Ihr seid ja besser als viele
Sperlinge. Eure Haare auf dem Haupte sind alle gezählt.
Darum fürchtet euch nicht!"
Manchmal mag es dir scheinen, du seiest von Gott verlassen.
Da ist eine gewisse Sache, in der du ganz hilflos bist; du
selbst kannst ihr nicht abhelfen und in der ganzen Welt gibt
es keinen, der es kann. Du hast Gott angerufen, so daß du
heiser und müde geworden bist, und doch sieht alles so
vergeblich aus. Gott erscheint dir als ein Held, der verzagt
ist, und als ein Riese, der nicht helfen kann. Ist es aber
möglich, daß es sich wirklich so verhält, wie es dir scheint?
Verstehst du nicht, daß es ein tiefes Verbergen des
wundersamen, aber doch treuen Gottes ist? Vorausgesetzt, daß
du nicht gegen den Herrn und Seine Ordnung streitest, z. B.
Heiligungskraft begehrst, bevor du gläubig und in der
unverdienten Gnade froh geworden bist, oder daß du äußere
Hilfe begehrst, ohne arbeiten zu wollen usw., - vorausgesetzt
also, daß du die Hilfe auf dem rechten Wege suchst, so ist es
ganz gewiß unmöglich, daß Gott dir nicht alles geben sollte,
was dir am besten und dienlichsten ist. Oder ,,ist des Herrn
Arm zu kurz, daß Er nicht helfen könnte?" Er, der das Auge
gemacht hat, sollte Er nicht sehen können - also auch deine
Not sehen? Er, der das Ohr gebildet hat, sollte Er nicht
hören? Er sorgt für die Vögel, sollte Er sich nicht auch
um dich kümmern? Bedenke darum sehr gründlich Seine Frage:
,,Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?" Der Heiland erklärt
zudem ja auch noch: ,,Ihr seid besser als viele Sperlinge."
Nimmt Er sich aber der Sperlinge an, wie könnte Er dich dann
vergessen? Du sagst: ,,Ach, ich habe gesündigt, ich erleide
das, was ich wirklich verdient habe und bin mit allem Recht
verlassen." O Mensch! Hat Gott denn nach unseren Sünden mit
uns gehandelt? Er, der uns in Christus erwählt hat, ehe der
Welt Grund gelegt war, Er, der in Christus die Welt mit Sich
versöhnte, ,,als wir noch Feinde waren" und keine Versöhnung
hatten, sollte Er jetzt mit uns nach unseren Sünden handeln?
Dann würde keiner errettet, wir würden auch nicht einen
Tropfen Wasser bekommen. Jetzt dagegen sind wir jeden
Augenblick von unzähligen Wohltaten Gottes umgeben. So
müssen wir durch das, was wir sehen, auch das zu glauben
lernen, was wir nicht sehen.
In gleicher Weise sollten wir dann auch - das Auge auf die
Größe der Schöpfung gerichtet - den Übermut der Vernunft
zügeln und dämpfen, der Vernunft, die mit Gott rechten, Seine
Worte und Werke beurteilen und das bezweifeln will, was sie
nicht versteht. Als ein sonst frommer Mann, ,,desgleichen
nicht im Lande war", einmal in diese Versuchung fiel,
antwortete der Herr ihm: ,,Wo warst du, da Ich die Erde
gründete? Weißt du, wer ihr das Maß gesetzt hat? Worauf
stehen ihre Füße versenkt? Oder wer hat ihr einen Eckstein
gelegt? - Wo warst du, da Mich die Morgensterne miteinander
lobten und jauchzten alle Kinder Gottes? Wer hat das Meer
mit seinen Türen verschlossen, da es herausbrach wie aus
Mutterleibe? - Haben sich dir des Todes Tore je aufgetan?
Oder hast du die Tore der Finsternis gesehen? - Weißt du,
welches der Weg ist, da das Licht wohnt, und welches sei der
Finsternis Stätte? - Kannst du die Bande der sieben Sterne
zusammenbinden oder das Band des Orion auflösen? - Weißt du,
wie der Himmel zu regieren ist oder kannst du ihn meistern
auf Erden?"
An solche Fragen sollte man sich machen, wenn man über Gottes
Wort urteilen will und dabei auf Dinge stößt, die man nicht
begreift; so wird man bald froh darüber werden, die Arbeit
aufgeben zu dürfen und sprechen zu können: ,,Rede Herr! Dein
Diener hört." Dann hat man die Schöpfung mit Nutzen
betrachtet.
Selig sind alle, die auf den Allmächtigen trauen,
Hoffend und wartend auf Gnade die Zuversicht bauen;
Die sind Ihm wert,
Und was sonst Herzen beschwert,
Davor darf ihnen nicht grauen.