Mt 6,17
S.Keller
Matth. 6, 17: «Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und
wasche dein Angesicht.»
Was eine Wirkung auf Gott oder deinen eigenen inneren
Menschen haben soll, ist dein Geheimnis; das gehört nicht ins
Schaufenster der Seele, oder vor ein großes Publikum. Wer
seine erschütterndste Beichte vor vielen Zeugen auskramt, wer
seine zartesten religiösen Geheimnisse sofort in der nächsten
Versammlung zum besten gibt, will mit seinen Gefühlen oder
Erfahrungen prahlen; dann ist der Schmelz fort; als hätten
schmutzige Hände einen weißen Lilienkelch angefaßt; als
wären viele harte Fußtritte über dein blühendes Blumenbeet
gegangen. Der bitterste Schmerz, das schwerste Opfer, die
schmerzlichste Selbstverleugnung, der einschneidenste
Verzicht auf Erdenglück - das sind Dinge für die Sakristei
deines Lebens - nicht für die Öffentlichkeit. Zwei Wirkungen
solcher Sachen soll es nur geben: entweder segnen sie dich in
der Stille vor Gott, oder sie schmücken dich in der Zeitung
und dem Gerede der Menschen. Die eine Wirkung kann anhaltend
sein, wie die Ewigkeit, die andere ist kurzlebig wie eine
Eintagsfliege. Deshalb schließe solche Erlebnisse in dein
Herz hinein, damit sie dich segnen können.
Du sollst mein Beichtvater sein, Herr Jesus! Vor dir darf
ich all mein geheimes Entbehren und Selbstverleugnen
aussprechen. Laß an deinem Herzen mich ausweinen, daß du
mich tröstest, wie einen seine Mutter tröstet. Die draußen
brauchen nichts von dem zu wissen. Da mach mich stark!
Amen.
D.Rappard
Wenn du fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein
Angesicht, auf daß du nicht scheinest vor den Leuten
mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, welcher
verborgen ist.
Matth. 6,17.18.
Der Herr warnt hier in erster Linie vor jeglicher Heuchelei.
Das Fasten, das auch im Neuen Testament empfohlen wird als
ein Mittel, sich im Gebet vor Gott zu sammeln, soll
nicht in der Weise geübt werden, daß die Leute es
bemerken. Ganz verborgen sollen solche tiefen
Herzensanliegen mit dem Herrn verhandelt werden.
Aber aus unserem Wort wollen wir noch eine weitere Mahnung
heraushören, einen Ratschlag, der einst einer Kranken vom
Herrn selbst gegeben wurde und den sie gern anderen mitteilte.
Wenn dich der Herr einen Leidensweg führt, sei es in Krankheit
und Entbehrung, in Sorge um einen geliebten Menschen
oder in Einsamkeit und Unverstandensein, in inneren Demütigungen
und Zerbrechungen, so ist das auch ein F a s t e n, vom
Meister selbst dir auferlegt. Dann salbe dein Haupt und wasche
dein Angesicht; das heißt: wolle nicht scheinen und wichtig tun
vor den Menschen mit deinem Leid. Suche nicht ihre Teilnahme
zu erwecken. Es ist so viel köstlicher, es still mit dem Herrn
zu tragen. Und je mehr du dich in diesem heiligen Verborgensein
übst, desto mehr wird dein Antlitz leuchten im Glanz des
Friedens. Von solchen Leidenden fließt ein stiller Segen.
Begrabe die Sorgen,
Gib liebend Dich hin!
Führ andre zur Sonne,
Die Last wirf auf I h n.