Matthäus

Mt 5,44 W.Nee Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde. Matthäus 5,44

Ich kannte einen, der einen anderen haßte. Der andere hatte sich sehr an ihm versündigt, und das ihm angetane Unrecht war so groß, daß er meinte, selbst wenn er den anderen umbrächte, sei das eine milde Rache. Der Mann kam dann zum Glauben, und mit dem anderen kam er mehrere Jahre nicht mehr in Berührung. Bei einer Reise in eine andere Stadt ging er am Sonntag in den Abendmahlsgottesdienst. Nachdem er den anderen Gläubigen vorgestellt worden war, erblickte er unter den Versammelten plötzlich seinen früheren Feind. »Er ist hier«, sagte er zu sich. »Ich wußte nicht, daß er gläubig geworden ist! Was soll ich jetzt tun?« Während des nachfolgenden Gebets stand er leise auf und verließ die Versammlung. Während er immer weiter wegging, dachte er einerseits an seine Errettung und andererseits an seinen Groll gegen den anderen. Je mehr er sich von der Versammlung entfernte, desto mehr wuchs sein Bedauern, sie verlassen zu haben, aber auch seine Erbitterung über seinen Feind. Da dachte er daran zurück, wie er vor zehn Jahren gerettet worden war und der Herr ihm vergeben hatte. Aber ich, dachte er, ich kann diesem Mann nicht vergeben. Doch dann rief ihm der heilige Geist das Wort ins Gedächtnis: »Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, daß ihr Liebe habt untereinander.« Mit einem Ruck blieb er stehen. »Herr, ich vergebe ihm! « sagte er, machte kehrt und ging mit tränenüberströmtem Gesicht in die Versammlung zurück. Dort wollten sie gerade das Brot brechen, und so trat er vor sie hin, bekannte alles und sagte ihnen, wie Gott den Haß aus seinem Herzen hinweggetan hatte.





W.MacDonald »Betet für die, die euch verfolgen.« Matthäus 5,44

Manchmal ist eine Beispielerzählung der beste Kommentar zu einem Bibelvers. Hauptmann Mitsuo Fuchida war der japanische Pilot, der den Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 leitete. Er schickte die Botschaft »Tora, Tora, Tora« in sein Hauptquartier, was bedeutete, daß sein Auftrag auf der ganzen Linie erfolgreich ausgeführt war. Aber der Zweite Weltkrieg war damit noch nicht vorbei. Als die Auseinandersetzungen heftiger wurden, wendete sich das Blatt, bis die Vereinigten Staaten schließlich doch noch siegten. Während des Krieges hatten die Japaner ein älteres Missionarsehepaar auf den Philippinen umgebracht. Als deren Tochter in den USA die Todesnachricht bekam, entschied sie sich, japanische Kriegsgefangene zu besuchen und ihnen die gute Nachricht des Evangeliums weiterzusagen. Wenn die Gefangenen sie fragten, warum sie eigentlich so freundlich zu ihnen war, dann antwortete sie: »Wegen des Gebetes, das meine Eltern gesprochen haben, bevor sie getötet wurden.« Mehr sagte sie niemals dazu. Nach dem Krieg war Mitsuo Fuchida so verbittert, daß er sich entschloß, die Vereinigten Staaten vor einem internationalen Gericht anzuklagen wegen der Grausamkeiten, die sie im Krieg begangen hatten. In seinen Bemühungen, Beweise zusammenzutragen, befragte er auch japanische Kriegsgefangene. Als er Auskünfte von denen einholte, die in den USA gewesen waren, hörte er zu seinem Kummer nicht von Grausamkeiten, sondern von der besonderen Freundlichkeit, die eine Christin ihnen erwiesen hätte, deren Eltern auf den Philippinen ermordet worden waren. Die Gefangenen erzählten, diese Frau hätte ihnen ein Buch besorgt, das sich das Neue Testament nannte, und sie hätte von einem unbekannten Gebet gesprochen, das ihre Eltern vor ihrer Hinrichtung gesprochen hätten. Das war nun nicht gerade das, was Fuchida hören wollte, aber er merkte es sich jedenfalls. Nachdem er diese Geschichte mehrere Male gehört hatte, ging er hin und kaufte sich ein Neues Testament. Und als er im Evangelium des Matthäus las, wurde seine Aufmerksamkeit geweckt. Er las auch das Markusevangelium durch, und sein lnteresse wurde nur noch größer. Und als er an Lukas 23,34 kam, strahlte Licht in seiner Seele auf: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« Sofort war ihm klar, daß das das Gebet sein mußte, das die alten Missionarsleute vor ihrem Tod gebetet hatten. »Er dachte nicht mehr über die amerikanische Frau oder die japanischen Kriegsgefangenen nach, sondern er dachte an sich selbst, einen glühenden Feind Jesu Christi, und daß Gott doch bereit war, ihm zu vergeben, weil Er das Gebet des gekreuzigten Heilandes erhört hatte. Und in demselben Augenblick suchte und fand er Vergebung und ewiges Leben durch den Glauben an Jesus Christus.« Die Pläne für den Prozeß vor einem internationalen Gerichtshof wurden aufgegeben. Mitsuo Fuchida verbrachte den Rest seines Lebens mit Reisen in viele Länder, wo er überall den unausforschlichen Reichtum Jesu Christi verkündete.





C.O.Rosenius Liebt eure Feinde; segnet, die euch fluchen; und tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen! Matth. 5, 44.

Laßt uns bei diesen Worten darauf achten, welches der Sinn Christi ist, und wie Seine Christen gesinnt sein sollen! ,,Liebt eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen!" Möchte jeder Christ bedenken, wie hoch Jesus hier das Ziel steckt, auf daß wir erkennen, was Heiligkeit ist, und nicht unser Leben in der Finsternis unserer bösen Natur durchwandern. - Der Herr straft nicht nur diejenigen, die ihre Feinde hassen, übel von ihnen reden oder ihnen Böses tun, sondern Er will selbst die nicht für fromm halten, welche unterlassen, sie zu lieben und ihnen Gutes zu tun. Denn wenn Er sagt: ,,Liebt eure Feinde", so bedeutet ,,lieben" wirklich lieben, ein von Barmherzigkeit brennendes Herz haben und ihnen von Herzen alles Gute wünschen. Zweitens will Er, daß diese Liebe sich auch in milden Worten und mit Fürbitten beweist, wenn Er sagt: ,,Segnet, die euch fluchen." Wenn der Haß und die Feindschaft nicht schon in anderer Weise ausgeübt werden können, so geschieht es gewöhnlich durch ein Wort, durch das man in jeder Form seinen Feind zu tadeln, seinen guten Namen herabzusetzen und alles Böse von ihm zu reden sucht. Höre, wie der Apostel Paulus dasselbe ausdrückt: ,,Segnet, die euch verfolgen, segnet und flucht nicht!" Er wiederholt zweimal das Wort ,,segnen" und deutet damit an, wie notwendig diese Ermahnung beherzigt und befolgt werden muß. Sollen wir aber unsere Feinde, ,,diejenigen, die uns verfolgen", lieben, segnen und Gutes von ihnen reden, wo sind dann die, welche wir hassen und von denen wir Übles reden sollen? Es scheint hier, als wollte sich das gar nicht einem wahren, heiligen Sinn, einem Nachfolger Jesu geziemen; er soll keinen Menschen hassen oder verleumden und keinem fluchen.

Hier könnte jemand sagen: ,,Lesen wir nicht in der Schrift, daß auch heilige Männer, ja, Jesus selbst und Seine Apostel ihre Feinde hart und scharf angeredet haben? - Heißt das sie lieben und sie segnen?" Antwort: Was die Heiligen hart und strafend im Namen des Herrn geredet haben, ist nicht eines Menschen, sondern des heiligen Gottes Strafen und Schelten. Was von Amts wegen geschieht, z. B. wenn ein Richter das Todesurteil fällt, oder wenn der Scharfrichter tötet, oder wenn ein Lehrer mit dem Wort Gottes und mit Christi Sinn straft, das alles sind göttliche Bestrafungen. Was Gott tut, ist alles recht und heilig. Jesus spricht hier aber davon, was wir als Menschen denen gegenüber tun sollen, die uns feind sind, nicht davon, was ein Amt tut, sondern was ein Mensch tut. Und dann heißt es: lieben, segnen, Gutes reden, wohltun.

Zu solcher Ausübung der Liebe gehört auch das, was der Herr in Vers 42 sagt: ,,Gib dem, der dich bittet; und wende dich nicht von dem, der dir abborgen will!" - Auch wenn es dein Feind ist, der in Not ist, eile, ihm zu helfen - ,,tut wohl denen, die euch hassen!" Der Herr führt hier zwei Beweggründe an, warum wir unsere Feinde so lieben und ihnen Gutes tun sollen. Erstens, daß wir in dieser Weise als gute Kinder unserem himmlischen Vater ähnlich sein können. Er sagt: ,,Auf daß ihr Kinder eures Vaters im Himmel seid; denn Er läßt Seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten, und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte." Wenn der Herr hier die Sonne und den Regen nennt, die die beiden Hauptmittel sind, durch die alle Frucht und aller Segen der Erde uns gegeben wird, so hat Er damit den unendlichen Reichtum aller Gaben und allen Gottessegens auf Erden umfaßt; und diesen gibt Er unausgesetzt Seinen Feinden ebensowohl wie Seinen Kindern und Freunden. Das ist die Herzensgesinnung Gottes, und so sollen auch wir gesinnt sein. Der zweite Beweggrund, den der Herr hier anführt, ist der, daß wir im entgegengesetzten Fall nicht Ihm, sondern gottlosen Menschen ähnlich sind. Er sagt: ,,Denn so ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? Und so ihr euch nur zu euren Brüdern freundlich tut, was tut ihr Besonderes? Tun nicht die Zöllner auch so?" Möchten diejenigen, die sonst für fromme und gute Menschen gelten wollen, dabei aber nur ihre Freunde lieben und ihnen dienen, bei diesen Worten Christi aufwachen! Man findet kaum so böse Menschen, Diebe oder Räuber, daß sie nicht Freundschaft in ihrer Bande halten. Jesus sagt, daß auch die Teufel diese Einigkeit haben, sonst würde ihr Reich nicht bestehen können (Luk. 11,18). Prüfe nun, wie fromm du bist, wenn du nur gegen deine Freunde mild und freundlich bist. Du bist nur so fromm wie die Diebe und Räuber, ja, wie der Teufel.

Gütigster Jesu, wie gnädig, Wie liebreich, freundlich und guttätig Bist Du doch gegen Freund und Feind; Dein Sonnenglanz, der scheinet allen, Dein Regen muß auf alle fallen, Ob sie Dir gleich undankbar seind. Mein Gott, ach lehre mich, Damit hierinnen ich Dir nacharte! Jesu, ei nu, Hilf mir dazu, Daß ich auch gütig sei wie Du!