Mt 5,13
C.O.Rosenius
Ihr seid das Salz der Erde. Wo nun das Salz dumm wird, womit
soll man salzen? Es ist hinfort zu nichts nütze, denn daß
man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten.
Matth. 5, 13.
Möchten doch alle wiedergeborenen Christen verstehen und
bedenken, in welcher Gefahr sie in den Zeiten schweben, in
denen das Christentum Beifall und Friede erhält und die Welt
fromm ist und eine freundliche Miene macht! Dann laufen
sie Gefahr, bestrickt und in Lauheit und Weltlichkeit
hineingezogen zu werden sowie ihre geistliche Kraft und ihre
Entschiedenheit zu verlieren. Und es ist traurig zu sehen,
wie das Salz seine Kraft verliert. Dann macht man sich
ein eigenes, ganz passendes, gemütliches und angenehmes
Christentum, das sich nur mit einigen Andachtsübungen und
einigen schönen Werken der Menschenliebe befaßt, denen die
Welt Beifall geben und die sie preisen kann. Aber die
Neugeburt des Herzens, ,,die Buße vor Gott" sind weniger
wichtig, daran eilt man schnell vorüber! Höre darum, wie
Christus spricht: ,,Ihr seid das Salz der Erde. Wo nun das
Salz dumm wird, womit soll man salzen? Es ist hinfort zu
nichts nütze, denn daß man es hinausschütte und lasse es
die Leute zertreten."
Wenn ein Christ um der Menschen Gunst willen die Kraft und
die Entschiedenheit des Geistes verliert, so daß er nicht
mehr das Böse mit Wort und Beispiel zu strafen und Christus
zu bekennen vermag, dann ist er hinfort zu nichts mehr nütze,
denn daß er von den Leuten ,,zertreten" werde; - er wird
allen Menschen gegenüber so überaus fügsam, daß er sich alles
gefallen läßt und zum mindesten durch sein Stillschweigen das
sündliche, gottlose Wesen bestärkt, das er bestrafen sollte.
Dann hat das Salz seine Kraft verloren, das Licht ist unter
den Scheffel gestellt. Der Grund dafür ist der, daß man
Frieden und Freundschaft mit allen haben will. Es ist ein
Mangel im Gnadenleben, in der Sündenerkenntnis und im
Glaubensverhältnis zum Heiland. Wenn dieses aufgefrischt
und Christus dir lieber wird, dann wird der Liebeseifer des
Geistes auch mächtiger als die Freundschaft oder der Haß
aller Menschen.
,,Habt Salz bei euch", sagt der Heiland, jedoch nicht das
Salz der Natur oder das Bittersalz der gereizten Laune; hier
ist von dem wahren Eifer der Liebe die Rede, den nur der
Geist Gottes wirkt. Sei gern zart, mild und sanftmütig
in deinen Ermahnungen! Hüte dich vor allem groben,
ungeschickten Verfahren, wenn es gilt, so zarte Sachen wie
das Selbstgefühl der Menschen zu berühren! Ja, befasse dich
nicht damit, wenn nicht die Liebe und Demut so in deinem
Herzen walten, daß sie aus deinem ganzen Wesen wahrgenommen
werden können. Laß aber die Vorsicht und die Demut nicht zu
einer kraftlosen Geschmeidigkeit werden, die jetzt gar nichts
mehr tut, dafür aber aus Besorgnis für das menschliche Gefühl
und die Ruhe der Mitmenschen ihre Seelen zur Hölle fahren
läßt, ohne daß du mit einem einzigen Wort versucht hast, sie
zu warnen. Bedenke die Ewigkeit! ,,Liebe deinen Nächsten
wie dich selbst. Die Liebe sei nicht falsch; hasset das
Böse, hanget dem Guten an. Eure Rede sei allezeit lieblich
und mit Salz gewürzt."
Aber nicht nur durch das Bekenntnis und die zärtliche,
brüderliche Ermahnung sollen wir die Kraft und den Ernst des
Christentums beweisen, sondern auch durch ,,unseren ganzen
Wandel". Einem Christentum, das nicht wie Salz in den Augen
der Welt beißt, sondern von ihr gebilligt und als ganz
passend gepriesen wird, fehlt gewiß das Salz, die Kraft und
die Salbung. Der Herr Christus sagt: ,,Wehe euch, wenn euch
jedermann wohl redet!" (Lk 6:26) Und der Apostel schreibt:
,,Der Welt Freundschaft ist Gottes Feindschaft." (Jak 4:4)
Halte still und bedenke solche Worte! Sie können nicht
verworfen werden, denn es sind Worte des Herrn. Wenn du nur
zufällig und in einer vereinzelten Beziehung von der Welt
gelobt wirst, so ist das etwas anderes und kann gemäß den
Worten des Apostels einem Christen wohl anstehen: ,,Durch
Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte." Daß
aber die eigentliche Richtung deines Wesens und deines ganzen
Wandels der Welt gefällt, das ist etwas, was sich gar nicht
mit den Worten und dem Beispiele Christi und Seiner Apostel
verträgt. Halte doch still und bedenke dies, auf daß du
nicht vergeblich läufst! Die Jahre eilen dahin, und der Tod
kommt ja oft so unerwartet. Wenn dann dein Weg nicht der
rechte war, so ist das über alle
Beschreibung traurig.
Was sagen die fliehenden Stunden wohl mir?
Sie sagen: O Seele, wach recht!
Und folg' nicht den losen Verächtern allhier
Und werd' nicht der Lüste ein Knecht!
Ach, möge die Welt nicht aufs neue betör'n
Das Herz, das einmal sie nicht wollte hör'n;
Ach, sei wachsam!