Mt 5,5
C.H.Spurgeon
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich
besitzen. Matth. 5, 5.
Sodann gibt es eine dritte Menschenklasse, genannt "die
Sanftmütigen." Vielleicht habt ihr sie hier oder da
angetroffen. Ich will euch beschreiben, wie sie nicht
beschaffen sind. Ich kenne einen Mann, der nur dann glücklich
ist, wenn er irgendeinen Prozeß in Händen hat; er bezahlt keine
Rechnung, wenn er nicht von Gerichtswegen dazu gezwungen werden
kann. Er hat gern mit den Advokaten zu tun. Kann er jemand
verklagen, so macht es ihm das größte Vergnügen. Hat man ihn
beleidigt, so wird er es so bald nicht vergessen. Er hat ein
hohes Maß von sogenanntem Ehrgefühl; berührt man ihn auch noch
so leise, spricht man nur ein hartes Wort gegen ihn aus oder
eine falsche Beschuldigung, so hat er seinen Gegner sofort beim
Kragen; denn er ist kein Mann von weichlichem Gemüt, er wirft
seinen Schuldner ins Gefängnis und wahrlich, ich sage dir, läßt
er dich ins Gefängnis setzen, so wirst du nicht wieder
herauskommen, bis du auch den letzten Heller bezahlt hast. Nun,
die Sanftmütigen haben eine ganz andere Gemütsart. Ihr könnt
sie schelten, aber sie schelten nicht wieder; ihr könnt sie
beleidigen, aber sie wissen, daß ihr Meister gesagt hat: "Ich
aber sage Dir, widerstehe nicht dem Übel." Sie geraten nicht in
Zorn und Leidenschaft über eine kleine Kränkung, denn sie
wissen, daß alle Menschen unvollkommen sind, und darum denken
sie, daß ihr Bruder vielleicht im Irrtum befangen war und sie
nicht absichtlich beleidigen wollte; und darum sagen sie: "Nun,
hat er es nicht absichtlich getan, dann will ich's nicht zu
Herzen nehmen; ich glaube, er meint es doch gut; was er sagte,
klang freilich sehr hart, aber morgen wird's ihm gewiß wieder
leid sein; ich will ihn nicht weiter darüber zur Rede stellen -
ich will mich gedulden und ihn sagen lassen, was er will." Ein
anderes Mal wird er verleumdet. "Laß sie nur reden," denkt er,
"das Gerede hört mit der Zeit wieder auf; wenn kein Holz mehr
da ist, dann verlöscht das Feuer." Ein anderer sagt ihm etwas
sehr Böses ins Gesicht; aber er antwortet nicht; er ist stumm
und öffnet seinen Mund nicht. Er ist nicht gleich den Kindern
Zerujah, welche zu David sprachen: "Laß uns hingehen und diesem
totem Hund den Kopf abreißen, denn er hat dem Könige geflucht."
"Nein," spricht er, "wenn der Herr ihn geheißen hat, zu
fluchen, so laß ihn fluchen. Die Rache ist mein, ich will
vergelten, spricht der Herr." Er trägt und verträgt und läßt
sich lieber hundert Beleidigungen gefallen, ehe er eine zufügt;
sanftmütig und geduldig geht er seine Straße dahin und die
Leute sagen: "Der wird nie vorwärts kommen; er wird immer
angeführt werden. Er wird sein Geld ausleihen und es nie wieder
bekommen, er wird sein Vermögen den Armen geben, bis er selber
nichts mehr hat! Wie dumm ist der doch! Er läßt sich ruhig in
seinen Rechten beeinträchtigen; er hat keine
Charakterfestigkeit; er läßt alles über sich ergehen, welch ein
Narr!" So reden sie; aber Christus kehrt alles um und spricht:
"Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich
besitzen." Werdet ihr nicht erbittert über diese Worte, ihr,
die ihr überall zugreift, ihr leidenschaftlichen Menschen, ihr,
die ihr immer mit dem Gesetzestext bei der Hand seid, um Eure
Nachbarn in Streitigkeiten zu verwickeln? Ihr tut es, damit ihr
das Erdreich besitzen könnt. Seht, wie Christus euch verachtet
und eure Weisheit mit Füßen tritt. Er spricht: "Die
Sanftmütigen werden das Erdreich besitzen." Und sehen wir
sorgfältig zu, so werden wir finden, daß auch in vielen Fällen
Stillschweigen der beste Weg ist, um zu unserem Recht zu
gelangen. Ich bin gewiß, daß wir unseren guten Namen am besten
schützen, wenn wir kein Wort darüber verlieren. Würde auch
jeder der hier Versammelten mich verleumden und die wütendsten
Schmähschriften gegen mich veröffentlichen, so mag er sich doch
vollkommen beruhigen - ich werde ihm keinen Injurienprozeß an
den Hals werfen. Solch ein Narr bin ich nicht. Ich habe immer
gefunden, daß wenn sich jemand vor Gericht gegen Schmähungen
verteidigt, er seinem Feind in die Hände arbeitet. Unsere
Feinde können uns nicht schaden, wenn wir uns nicht selber
schaden. Bis jetzt hat noch keiner seinen guten Namen verloren
- wenn er nicht selbst daran schuld war. Laßt euch unter den
Sanftmütigen finden, meine Freunde, und ihr werdet das Erdreich
besitzen. Duldet alles, glaubet alles, hoffet alles und es wird
euch am Ende wohl gehen, auch in dieser Welt.
J.MacArthur
"Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben"
(Matth. 5,5).
Sanftmut ist kontrollierte Kraft.
Das griechische, mit "sanftmütig" übersetzte Wort spricht von
Demut, Niedrigkeit und dem Verzicht auf Rache - alles Züge,
die in unserer stolzen Gesellschaft für Schwäche und Feigheit
gehalten werden. In Wirklichkeit aber sind sie Tugenden, an
denen man Bürger des "Reiches" erkennt.
Dasselbe Wort brauchte man im Griechischen, um eine sanfte
Brise, eine Beruhigungsarznei oder einen gezähmten Hengst
zu beschreiben. Das alles sind Beispiele für kontrollierte
Kraft. Eine sanfte Brise erfreut, während ein Orkan
Zerstörung bringt; eine beruhigende Arznei heilt, aber
eine Überdosis kann tödlich wirken; ein gezähmtes Pferd
ist nützlich, ein wildes aber gefährlich.
Christus selbst ist der Inbegriff der Sanftmut. Selbst als
Er sich offiziell als Messias proklamieren ließ, ritt Er
demütig auf einem Esel in Jerusalem ein (Matth. 21,5). Sein
Verhalten in der Verfolgung ist beispielhaft: "Christus hat
für euch gelitten und euch ein Beispiel hinterlassen, damit
ihr seinen Fußspuren nachfolgt: der keine Sünde getan hat,
auch ist kein Trug in seinem Munde gefunden worden, der,
geschmäht, nicht wiederschmähte, leidend, nicht drohte"
(1. Petr. 2,12-13). Dagegen schreckte Er nie davor zurück,
unbußfertigen Sündern Gericht anzukündigen, nie beschädigte
Er Seine Integrität noch missachtete Er den Willen Seines
Vaters.
Die heuchlerischen religiösen Führer des Judentums erwarteten
von dem kommenden Messias, Er würde sie wegen ihrer
wunderbaren Spiritualität loben. Jesus aber verurteilte sie
und nannte sie "Kinder des Teufels" (Joh. 8,44). Aus Rache
dafür wollten sie Ihn ermorden. Er hatte seine Macht immer
unter Kontrolle, sie dagegen nicht.
Unsere Gesellschaft legt wenig Wert auf Sanftmut.
Machogehabe und Selbstverwirklichung kennzeichnen die meisten
unserer Helden. Du aber bist zu einem höheren Ziel berufen.
Wenn du dich nach dem Muster Jesu formen lässt, wirst du
einen merkbaren Einfluss auf die Gesellschaft ausüben und
wahre Freude erfahren.
J.MacArthur
"Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben"
(Matth. 5,5).
Eines Tages wird Gott den Fluch aufheben und die Erde Seinem
Volk zuwenden.
Zu Adam und Eva sagte Gott: "Seid fruchtbar und vermehrt euch
und füllt die Erde und macht sie [euch] untertan; und
herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des
Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen!"
(1. Mo. 1,18).
Der Apostel Paulus sagt: "Das sehnsüchtige Harren der
Schöpfung wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes ...
auf Hoffnung hin, dass auch selbst die Schöpfung von der
Knechtschaft der Vergänglichkeit freigemacht werden wird"
(Röm. 8,19-21). Eines Tages wird der Fluch aufgehoben und
Gottes Volk wird die Erde wieder beerben.
Das griechische, mit "erben" übersetzte Wort bedeutet
"gesetzmäßig zugeteilt bekommen". Die Erde ist das
rechtmäßige Teil der Gläubigen, die mit dem König regieren
werden, wenn Er in Seinem Reiche kommt (Offb. 20,6). Das
wird noch betont, indem es wörtlich heißt: "... da sie,
[nur] sie das Land (oder die Erde) erben werden."
Viele Juden glaubten zu Jesu Erdenzeiten, das Reich gehöre
den Starken, Stolzen und Fordernden. Jesus aber sagt, die
Erde gehöre den Sanftmütigen, Niedrigen und Demütigen.
Stolze und selbstgerechte Menschen erreichen das Ziel nicht
(siehe Luk. 1,46-55). Jesus sagt: "Wahrlich, ich sage euch,
wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet
ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen" (Matth.
18,3).
Als Empfänger der göttlichen Verheißungen solltest du von dem
Wissen, einmal die Erde zu erben und mit Christus in Seinem
Reiche zu regieren, in höchstem Maße begeistert sein. Lass
dich ermutigen: Auch wenn es scheint, als ob bösen Menschen
und gottlosen Völkern jedes Vorhaben gelingt, so hat Gott
doch alles völlig unter Kontrolle und wird eines Tages ein
gerechtes Reich auf Erden errichten.
Freue dich dieser Zusage und versuche, ganz so zu sein, wie
Er es bis zu jenem großen Tag von dir erwartet.